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Diskurs

Die Yoga-Expertin Erika Erber erklärt, warum bei Yoga Ehrgeiz fehl am Platz ist.

Was ist Yoga und woher kommt es?

Yoga ist ein System von körperlichen und geistigen Übungen, dessen Wurzeln in Indien liegen. Es hat sich über viele Jahrhunderte hinweg bis heute immer wieder verändert und angepasst.

Welchen Schwerpunkt setzen Sie bei Yoga?

Ich lege einen besonderen Schwerpunkt auf Achtsamkeit, ganz so, wie es im buddhistischen Sinn verstanden wird. Es geht darum, ein grundsätzliches ‚Gewahrsein‘ zu entwickeln, also mehr Bewusstheit für den eigenen Körper und den eigenen Geist zu erlangen. Yoga besteht aus Körperübungen, Atemübungen, Entspannung und Meditation. Für mich gehört das immer zusammen. Ich nenne mein Yoga ‚Achtsamkeitsyoga‘, wobei es eigentlich eine Tautologie ist, weil das Sanskrit-Wort ‚yoga‘ auch Konzentration, Gewahrsein und Aufmerksamkeit bedeutet. Insofern wäre es nicht nötig, es Achtsamkeitsyoga zu nennen, aber in der heutigen Zeit ist das sinnvoll, damit jeder gleich weiß, dass es eher um ruhigeres Yoga geht. Wir machen zwar auch anstrengendere Übungen, aber eben sehr bedacht. Es ist wichtig zu spüren, was die Übungen mit einem machen, dafür sind das Langsame und auch das Sanfte wesentlich.

Wie wirkt Yoga?

Yoga bietet eine Fülle von Übungen für Körper und Geist. Einmal wird mehr am Körper gearbeitet, was aber auch Auswirkungen auf den Geist hat, und ein anderes Mal wird mehr mit dem Geist gearbeitet und das hat wiederum Auswirkungen auf den Körper. Nach einer Yoga-Stunde sollte man immer eine positive Veränderung auf körperlicher und geistiger Ebene spüren. Wenn dies nicht der Fall ist, würde ich es nicht ‚Yoga‘ nennen. Der Atem ist für mich dabei das Bindeglied zwischen der körperlichen und der geistigen Ebene, über den Atem kann man auf beide einwirken. Wichtig ist zu lernen, sich bewusst zu entspannen, und auch das funktioniert am besten über den Atem. Es geht auch darum, sich wohl im eigenen Körper zu fühlen, weil heute mit dem Selbstoptimierungswahn auch oft das Gefühl aufkommt, dass man nicht gut genug ist. Manchmal ist es sehr viel besser, einen Schritt zurückzugehen, innezuhalten und sich zu fragen: Wie geht es mir heute? Wie viel Energie habe ich heute? Manchmal sind ganz ruhige Übungen wichtiger, als sich körperlich anzustrengen und zu fordern.

Worauf achten Sie besonders bei den Übungen?

Bei Yoga sollen alle Übungen individuell auf die teilnehmenden Personen abgestimmt werden. Es ist ungünstig, wenn alle dasselbe machen, denn alle Körper sind verschieden und die Verfassungen, in der die Menschen sind, auch.

Yoga EhrgeizGibt es auch Risiken beim Yoga?

Ein Mangel an Achtsamkeit und auch übertriebener Ehrgeiz bergen Risiken. Yoga bedeutet zwar auch, an seine Grenzen zu gehen, denn wenn man sich immer nur im Wohlfühlbereich bewegt, dann verändert sich langfristig nichts. Jedoch wird durch Geduld und die ‚Kunst der kleinen Schritte‘ die Gefahr von Überforderung und Verletzungen deutlich reduziert. Yoga soll langfristig auf ganzheitlicher Ebene tiefgreifende Veränderungen bewirken, aber nicht in einer Stunde oder einem Kurs. Die Kunst des Yoga ist es, inneren Druck herauszunehmen und die jeweiligen Grenzen langsam zu erforschen. Oftmals ist weniger mehr und nicht wie manche glauben: Je mehr Verrenkungen, desto gesünder!

Wird Yoga bei uns nicht immer mehr zum Sport?

Ja, das ist möglich. Aber auch beim Sport unterscheidet man zwischen Leistungssportarten und Gesundheitssportarten. Beim Yoga glauben viele, alles, was in den Büchern gezeigt wird, ist gesund, jedoch handelt es sich eher um Akrobatik. Wer sehr fit ist, kann das auch machen. Aber ich würde es nicht als ‚gesund‘ verkaufen oder jemandem empfehlen, der Probleme mit der Wirbelsäule hat, denn das kann auch richtig schiefgehen.

Gibt es bestimmte Übungen, die Anfänger nicht machen sollen?

Ja, es gibt eine ganze Menge an komplexen Übungen, die für Anfänger ungeeignet sind, wie etwa den Schulterstand, den Kopfstand, den Handstand oder den Pflug. Die Wirkungen sind auch sehr umstritten und die Verletzungsgefahr ist groß. Der Schulterstand oder der Kopfstand sind aber auch nicht unbedingt für alle Fortgeschrittenen zu empfehlen. Es gibt heute viele Menschen, auch junge, die Nackenprobleme haben, wobei sogar bereits degenerierte Wirbelkörper in der Halswirbelsäule vorliegen. Dort sind die Wirbelkörper klein, die Muskulatur ist zart und es ist naheliegend, dass bei Umkehrhaltungen das Körpergewicht den Nacken zu stark belasten kann. Wenn also etwa der Kopfstand nicht sehr sorgfältig aufgebaut wird, dann kann man sich wirklich schwere Verletzungen zuziehen. Deshalb gibt es ganz viele Vorübungen und auch unterstützende Übungen. Eine gute Rumpfmuskulatur und eine kräftige Armmuskulatur sind nun mal nötig, damit man sich im Kopfstand aktiv vom Boden wegdrücken kann, sowie eine gute Koordination, um langsam und kontrolliert hinein- und auch wieder herausgehen zu können. Dafür braucht es normalerweise mehrere Jahre.

Können Sie Übungen empfehlen, die den Rücken stärken?

Yoga ist ein Gesamtsystem und von der Wirkung her äußerst komplex. Ich würde immer ein Bündel von Übungen nehmen, weil Körper und Geist nicht einfach mechanistisch funktionieren. Gäbe es eine einzige Übung gegen Rückenbeschwerden, wäre es eine Wundertherapie. Es gibt natürlich Übungen für den Rücken, aber diese haben nicht auf jede Person dieselben Wirkungen. Allgemein, aber vor allem bei Anfängern, ist es wichtig, die Rumpfmuskulatur zu kräftigen und zu stabilisieren, weil durch unsere sitzende Lebensweise der Muskeltonus nachlässt. Es ist nicht leicht, den Rücken zu kräftigen. Viele denken, Rückbeugen wie die ‚Kobra‘ sind gut, um den Rücken zu kräftigen, aber es ist leider viel komplizierter. Bei einer chronischen Muskelschwäche reicht Yoga alleine vielleicht auch gar nicht aus. Yoga an sich ist ja auch keine Therapie, aber es kann eine Therapie gut begleiten.

Ist es sinnvoll, Yoga über eine App oder über YouTube zu machen?

Am Anfang würde ich es nicht empfehlen, erst dann, wenn die Übungen bekannt sind und ich weiß, worauf ich individuell achten muss. Zum aktiven Mitüben empfehle ich eher Audio, denn bei Büchern muss man immer wieder unterbrechen, bei DVDs den Kopf oft ungünstig verdrehen, um auf den Bildschirm zu schauen. Ich finde Audio daher besser, um sich auf die Übungen zu konzentrieren. Allerdings müssen die Übungen dann schon vorher bekannt sein.

Wie sind die Ausbildungsstandards für Yogalehrende im Moment?

Es gibt einen Standard der Europäischen Yoga-Union (EYU), dieser sieht mindestens vier Jahre für eine Ausbildung zum Yoga-Lehrer und zur Yoga-Lehrerin vor. Auch Yoga Austria (BYO) bietet das – genau wie der deutsche Berufsverband – an. Die Ausbildungsdauer ist so wichtig, denn die eigene Entwicklung und das Verständnis können nicht in vier Wochen hineingepresst werden. Yoga ist ein Entwicklungskonzept und Entwicklung braucht einfach Zeit. Es ist notwendig, die Übungen selbst erleben zu können und zu sehen, wie diese am eigenen Körper wirken, und nicht gleichzeitig überlegen zu müssen, wie ich selbst die Übung anleiten würde. Somit sollten die Teilnehmer vor einer guten Lehrerausbildung mindestens drei Jahre Yoga-Erfahrung haben. Die Anatomie ist auch sehr wichtig, da die Körperübungen beim Yoga sehr komplex sind. Auch Kenntnisse in Unterrichtsgestaltung sind für den sinnvollen Aufbau einer Yoga-Stunde wichtig. Außerdem müssen Lehrende die Fähigkeit entwickeln, unterschiedliche Voraussetzungen der Teilnehmer zu erkennen und individuell darauf eingehen zu können. Dafür braucht es umfassende Ausbildungskonzepte, die weit über das bloße ‚Können‘ von Körperübungen hinausgehen.

Wie erkenne ich einen guten Yogalehrenden?

Wichtig sind eine gute Ausbildung mit ausreichend anatomischen Kenntnissen und regelmäßige Weiterbildungen, dies lässt sich oft bereits über die Homepage herausfinden. Wichtig ist auch, sich zu fragen, was suche ich eigentlich? Warum möchte ich Yoga machen? Will ich auch meditieren? Denn es gibt viele verschiedene Kurse.

 


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 99 „Wach auf mit Yoga"

UW99 COVER


Mag. Erika Erber ist Yoga- und Meditationslehrerin sowie Gründerin des ‚Yoga7‘ in Wien. Sie war zehn Jahre lang Vorsitzende von Yoga Austria, dem Berufsverband der Yogalehrenden in Österreich (BYO).

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Foto Erika Erber © privat

Ester Platzer

Ester Platzer

Ester Platzer, 1979, lebt in Wien und ist Mitglied der Chefredaktion bei Ursache\Wirkung. Davor lebte und arbeitete sie viele Jahre in Ostafrika. Ester absolvierte ihr Magisterstudium in internationaler Entwicklung an der Universität Wien.
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