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Diskurs

Beziehung als Lernaufgabe: Selbststeuerung in Partnerschaften. Psychologie, Achtsamkeit und Entwicklung für erfüllende Beziehungen.

Ein buddhistischer Meister steht fast vor der Erleuchtung und sucht daher seinen alten Lehrer auf. Er fragt diesen nach seiner letzten Aufgabe, seiner Meisterprüfung, um so seine Erleuchtung abzusichern.Der alte Lehrer schaut ihn an und sagt nur vier Worte: „Such dir eine Frau.“

Natürlich sind hier nicht die Frauen, sondern Beziehungen an sich als Prüfung und als Lernaufgabe zur Verwirklichung zu verstehen. Schließlich geht es nicht darum, gut üben, sondern gut leben zu können. Die Fähigkeit, eine glückliche Beziehung zu führen, ist tatsächlich nichts, was nur Menschen geschenkt bekommen, die eine glückliche Kindheit und tolle Eltern hatten.

Beziehung als Lebensaufgabe: Die Psychologie der Selbststeuerung

Es ist auch kein Zufallsprodukt oder Schicksal. Es ist eine Aufgabe, die gelernt werden möchte. Wir wenden viel Zeit auf, um uns für einen Job zu qualifizieren, wir belesen uns oder wir lernen Yoga, Meditation, ein Instrument oder eine Fremdsprache. Dann kommen wir nach Hause zu unserem Partner, wir haben Feierabend und alles sollte nun einfach und harmonisch verlaufen. Eben automatisch. Wenn man sich liebt, dann sollte es doch einfach und leicht gehen. Solche und andere Idealismen vernebeln uns den Blick für unsere realen Herausforderungen.

Egal, mit welcher (Partner-)Thematik Sie gerade kämpfen, wenn Sie sich hilflos fühlen, wird das ursprüngliche Problem noch schwieriger. Hilflosigkeit wirkt psychisch zersetzend. Wir benötigen also dringend gegenteilige Erfahrungen. Das Gegenteil von Hilflosigkeit ist Selbstwirksamkeit. Es bedeutet, dass Sie sich selbst als aktiv steuernd erfahren, Sie können endlich wieder etwas beeinflussen. Selbstwirksamkeitserfahrungen wirken heilsam. Vielleicht meinen Sie, dass Sie sich selbst ganz gut steuern können. Aber wir alle funktionieren im Alltag hauptsächlich auf der Basis von Automatismen, Gewohnheiten und gelernten Verhaltensmustern, eine bewusste Selbststeuerung ist selten aktiv.

Prüfen Sie nur einmal Ihre aktuelle Körperhaltung. Haben Sie die bewusst so koordiniert?

Wenn es Probleme gibt, wenn Ihr Partner oder Ihre Freunde Sie zum Beispiel traurig oder wütend machen, dann verengen sich Ihre Gewohnheitsmuster deutlich. Sie bekommen einen Tunnelblick und Ihre Selbststeuerung mindert sich noch mehr. Schauen wir uns also die Selbststeuerung etwas genauer an. Dafür ist es notwendig, ein paar Dinge über Ihr Steuerorgan, also Ihr Gehirn zu erfahren. Es ist zwar Ihr komplexestes Organ, aber es hat recht überschaubare Funktionsbereiche. Ihr Gehirn wird zu Recht auch als Beziehungsorgan bezeichnet, denn alle Ihre Verhaltensweisen, insbesondere die, die Sie regelmäßig wiederholen, führen dazu, dass sich Ihr Gehirn darauf einstellt und sogar die neuronale Struktur dahingehend verändert. Ihr Gehirn ist also eine Abbildung Ihres sozialen Lebens. Äußere Beziehungen führen zu inneren Beziehungen. Ein einsames Leben führt schon bald zu ‚einsamen‘, also weniger verbundenen Hirnarealen. Viel Beziehungsstress führt zu einem gestressten Gesamtorganismus und natürlich zu einen gestressten Gehirn.

Ich möchte Ihnen nun eine Skizze zeigen, die Ihnen einen effektiven Einblick eröffnen und auch klare Lösungswege zeigen kann. Wenn es Ihnen möglich sein sollte, die folgende Skizze wirklich in sich aufzunehmen und die daraus folgenden kleinen Übungen umzusetzen, werden Sie nach wenigen Tagen schon erste Veränderungen wahrnehmen. Wir gehen die Skizze nun gemeinsam Schritt für Schritt durch. Wir fokussieren dabei nur ausgewählte Aspekte, da die Skizze sehr viele Ansatzpunkte bietet. In der Abbildung sehen Sie eine Figur, die Sie sein könnten, etwa wie Sie Ihren Partner (kleine rote Figur vor dem Auge) wahrnehmen. Diese Reize werden direkt in Ihrem inneren Motor, dem vegetativen Nervensystem, verarbeitet und lösen dort Spannungen aus. (Ein kleiner roter Blitz symbolisiert das.)

Beziehung

Das Ausmaß der Spannungen hängt natürlich von Ihren Vorerfahrungen und von Ihrem aktuellen Zustand ab. Der innere Motor ist ein sehr zentraler Ort für Ihre Selbststeuerung. Sie werden noch sehen, wie Sie hier mit Übungen eine Schlüsselfunktion kennenlernen. Denn wenn Sie den inneren Motor steuern lernen, ist schon sehr viel gewonnen. Dann können Sie sich, wann und wo Sie es mögen, entweder aktivieren oder beruhigen.

Vorne, im Stirnbereich Ihres Gehirns, sehen Sie verschiedene kleine Figuren. Diese sollen Ihre Persönlichkeitsanteile, Ihre Ego-Stimmen, symbolisieren. Die Neurowissenschaften konnten die buddhistischen Lehren bezüglich des menschlichen Egos bestätigen. Es gibt kein festes Ego als ein abgrenzbares Areal. Also gibt es auch keine feste Persönlichkeit. Keinen festen Persönlichkeitskern. Das ermöglicht und begünstigt Veränderungen. Unser Ego ist in Modulen aufgebaut, sogenannte Persönlichkeitsanteile. Umgangssprachlich kennen Sie bestimmt Persönlichkeitsanteile wie Ihren inneren Schweinehund, Ihren inneren Kampfhund, Ihren inneren Angsthasen. Diese Anteile sind sowohl mit Ihrem inneren Motor verknüpft als auch mit entsprechenden Erinnerungsarealen in Ihrem Hinterkopf. So ist etwa Ihr innerer Kampfhund im vorderen Stirnbereich (hier die kleine rote Figur) mit Ihren wütenden Erinnerungsbildern (kleine rote Figur im Hinterkopf) verbunden.

Die Herausforderungen in Partnerschaften: Selbststeuerung und Gehirnprozesse

Und natürlich sind auch Ihre Erinnerungsbilder mit Ihrem inneren Motor verbunden. Wenn Sie sich an Ärgerliches erinnern, werden Sie merken, wie intensiv Ihr innerer Motor reagiert. Hier erkennen Sie bestimmt bereits das Funktionieren von festen Gewohnheitsmustern. Es entstehen nach einigen Wiederholungen relativ feste Automatismen. Ich nutze hier den Begriff der inneren Bermudadreiecke. In der Abbildung könnten Sie das Wut-Bermudadreieck sehen, aber es könnte sich auch ebenso gut um das Angst-, Trauer- oder Schmerz-Bermudadreieck handeln: eine Verbindung zwischen Ego-Anteil, Erinnerung und innerem Motor. Und diese Energie wird natürlich auch in Ihren Körper übertragen. Wenn Sie in einem Problem-Bermudadreieck gefangen sind, verlieren Sie die Übersicht und funktionieren nur noch auf der Ebene von alten, meist unheilsamen Automatismen. Dann wird gejammert, gehadert, gegrollt, geschmollt und es entstehen viele weitere unheilsame Impulse, die oftmals sogar selbstschädigenden Charakter aufweisen.

In dem Kopfbild können Sie gut erkennen, dass all Ihre Probleme nur fünf Ursachen haben können: Entweder der Stimulus kommt:
1) von außen: Der Partner macht Probleme.
2) durch Gedanken/Ego-Anteile: Ihre innere Stimme bewertet und kommandiert.
3) von Erinnerungsbildern: Die Vergangenheit wird so aufrechterhalten.
4) vom inneren Motor: Sie spüren es als Unruhe, Nervosität, Energie, ...
5) von Körpersymptomen: Schmerzen, Herzrasen, Muskelverspannungen, ...

Jedes unserer Probleme basiert auf einem dieser fünf Punkte oder auf Kombinationen. Wenn Sie, anstatt sofort zu reagieren, einmal prüfen, wo Ihre Probleme stimuliert werden, können Sie ebenfalls ergründen, über welche der fünf Punkte sie sich fortsetzen. Das hat natürlich den Hintergrund, zu erkennen, dass jeder Punkt eine Etappe darstellt, die Sie beeinflussen lernen können. Ein sehr zentraler Bereich ist, wie erwähnt, der innere Motor (Punkt 4), das vegetative Nervensystem. Durch Meditation und Entspannungsverfahren können wir hier Einflussmöglichkeiten erlernen. Einen weiteren sehr wesentlichen Bereich stellen unsere Ego-Anteile (Punkt 2) dar. Wenn Sie sich etwa durch Ihren Partner (Punkt 1) provoziert fühlen, meldet sich sofort ein Ego-Anteil (Punkt 2), wieder als eine kleine rote Figur in Ihrem vorderen Gehirnareal, und liefert ‚passende‘ Kommentare. „So eine Sauerei.“ „Oh nein, jetzt werde ich wieder verletzt.“ „Immer passiert nur mir das.“ „Ich schaffe das nie.“

Eine schöne Übung besteht darin, die eigenen Ego-Stimmen zuordnen zu lernen. Wenn Sie einen Impuls spüren, eine innere Stimme, die Sie zum Handeln auffordert, wie „Wir müssen das klären!“, dann prüfen Sie immer zuerst, welcher Ego-Persönlichkeitsanteil sich damit bemerkbar macht. Ist es wirklich der innere Berater, der innere Helfer oder ist es doch wieder der innere Rechthaber, der innere Pedant oder der innere Unruhestifter?

Wenn Sie sich das Kopfbild noch einmal anschauen, dann werden Sie Figuren mit unterschiedlicher Größe im Gehirn sehen. Neben den Figuren sehen Sie sogar noch kleine Punkte, die erst noch zu ‚Figuren‘ werden können. Es sind unsere Veranlagungen. Das verweist auf einen sehr bedeutsamen Sachverhalt: Alles, was Sie wiederholen, wird dazu führen, dass der entsprechende Anteil stimuliert wird und wächst. Vielleicht ist zurzeit noch Ihr innerer Ego-Anteil für Gelassenheit oder Achtsamkeit etwas klein.

Aber Sie können darauf vertrauen, dass jeder Mensch, auch Sie, die Veranlagung für alle denkbaren heilsamen Ego-Anteile besitzt. Es geht nicht um Glauben, sondern um Naturgesetze. Wenn Sie heilsames Verhalten, etwa Achtsamkeit, wiederholen, wird sich per Naturgesetz der entsprechende Ego-Anteil, zum Beispiel für Achtsamkeit, in Ihnen stärken und wachsen. Zudem entwickeln sich heilsamere Erinnerungsbilder in Ihrem Hinterkopf und der innere Motor kann sich mehr entlasten. Es geht also nicht um kurzfristige Therapieeffekte, gut klingende Vorsätze oder Selbstkasteiung. Es geht vielmehr darum, Selbststeuerung in sich zu stärken, aus Gewohnheitsmustern oder gar inneren Bermudadreiecken herauszufinden.

Selbststeuerung funktioniert, indem Sie immer häufiger den inneren Motor durch einen Moment der Achtsamkeit verlangsamen, Bewusstheit erzeugen, sich fragen, welcher Ego-Anteil aktuell dominant sein möchte, um dann sanft, aber bestimmt den Anteil in sich zu fördern, den Sie wünschen. Und das braucht dann viele Wiederholungen.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 96: „Buddha’s Way of Life"

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Sie haben wahrscheinlich gemerkt, dass trotz des Beziehungsthemas die eigene Psychologie hier im Vordergrund stand. Tatsächlich ist es wichtig, zuerst das eigene Funktionieren zu erkennen, einige Selbststeuerungsübungen zu verinnerlichen, und dann werden Sie mit einer verbesserten Beziehung zu sich auch eine verbesserte Partnerbeziehung selbststeuernd heilsam gestalten. Aber Sie müssen nicht erst erleuchtet sein, um eine heilsame Beziehung leben zu können. Ein paar Wochen des Übens und Verinnerlichens reichen schon, um zu spüren, dass Sie auf dem richtigen Weg sind.

 
Illustration © Matthias Ennenbach
Bilder © unsplash
Dr. Matthias Ennenbach

Dr. Matthias Ennenbach

Dr. Matthias Ennenbach ist Dipl.-Psychologe/appr. Psychotherapeut, Leiter des Zentrums für Buddhistische Psychotherapie, Ausbilder Buddhistische Psychotherapie BPT® und AusbilderAchtsamkeitstrainer ASST ®www.Info-BPT.de
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