nayphimsex

Diskurs

Was braucht es, damit Frauen sich in Führungspositionen wagen? Wie können Frauen und Männer gemeinsam unsere Wirtschaft gestalten?

Die systemische Beraterin Franziska Fink erforscht, wie das weibliche und das männliche Prinzip im Business in ein wirksameres Zusammenspiel kommen.
Die Diskussion ist lange und laut betrieben worden: Quotenfrauen, Männerwirtschaft, Väterkarenz, Hausfrauen – vieles in unserer Gesellschaft wandelt sich, manches ist immer noch beim Alten. Noch werden in Deutschland, Österreich und der Schweiz Unternehmen in großer Mehrheit von Männern geführt.
Wie wäre es, wenn in den Vorstandsetagen unserer Firmen beide Geschlechter äquivalent vertreten sind? Wie wäre es, wenn Politik in unserem Land von Männern und Frauen gemeinsam gemacht wird?
In einem Kreis von Kolleginnen und Führungsfrauen diskutieren wir diese Fragen. Einstimmige Meinung: Eine Balance in den Führungsetagen tut Firmen gut. Die Integration von männlichen und weiblichen Stärken kann unser Wirtschaftssystem weiterentwickeln.

Was sind denn die weiblichen Stärken?

Im Gespräch über die Geschlechterunterschiede in Führungspositionen landen wir schnell bei Stereotypen.
Frauen achten stärker auf Beziehung. Ihnen geht es mehr darum, im Miteinander etwas zu erreichen und alle einzubeziehen. Das Eigene wird für den Gesamtnutzen zurückgestellt. Wenn ein Projekt gut abgeschlossen wird, liegt den Frauen meist daran, alle Beteiligten mit ihren Leistungen hervorzuheben. Männer zeigen eher, wie durch ihre Führung das Ganze entstehen konnte. Die Nebenwirkung dieser weiblichen Zurückhaltung – Männer übersetzen daraus für sich: „Ah, die Projektleiterin hat gar nicht viel geleistet, das waren eher die anderen.“
Frauen hören oft geduldiger zu als ihre männlichen Kollegen. Sie achten auf Dinge, die nur angedeutet sind oder zwischen den Zeilen mitschwingen. Ein Mann erwartet eher, dass sein Gegenüber klar sagt, was los ist.
Die Nachteile dieser großen Ohren werden in Meetings oder Konferenzen spürbar. Wer den anderen immer ausreden lässt, kommt manchmal selbst nicht zu Wort oder wirkt, als habe er nichts zu sagen. Untereinander spielen Männer mutiger, unterbrechen sich öfter und wagen konfrontativeres Verhalten. Während die Frau versucht, Raum zu geben und Beziehung zu gestalten, kommt sie als Expertin dann nicht mehr zu Wort.
Männer haben oft mehr Klarheit in der Sprache, mehr Dominanz im Auftreten und einen expliziten Führungsanspruch. Sie bringen mehr Mut mit, Dinge einfach umzusetzen – das eigene Ziel klar im Blick.

„Frauen achten stärker auf Beziehung."

Unterschiede werden auch deutlich in Change-Prozessen, wenn harte Maßnahmen zu treffen sind, wo es um Kürzungen oder Kündigungen geht. Frauen achten da stärker auf Kommunikation. Sie investieren viel in die Klarheit der Botschaft, in Verständigung und Verständnis. Sie fühlen sich verantwortlich, zuzuhören, zu unterstützen und alternative Lösungen zu finden. Gemischte Führungsteams sind da klar im Vorteil. Im Beispiel eines mittelständischen Unternehmens in der Krise gelang es mit dem Mut des Geschäftsführers zu harten Schnitten und mit der Empathie der Geschäftsführerin nach dem Motto „Reden, reden, reden!“, die schwierige Veränderung für alle Betroffenen verständlich und tragbar zu gestalten. Sie konnten gemeinsam die Organisation ökonomisch retten, ohne sie sozial zu zerrütten.
Plakatives Gegenbeispiel ist ein Industriekonzern, der in allen Führungsfunktionen ausschließlich Männer mit technischem Background hat. Frauen sind dort nur Assistentinnen. Sie haben uns als Beraterinnen in ihre Management-Meetings geholt, weil sie sich besser zuhören, ausreden lassen und weniger aggressiv sind, wenn eine Frau dabei ist.
Die Managerin eines Konzerns, die wir auf einer Veranstaltung treffen, spricht sich klar gegen einseitige Besetzungen aus: „Konferenzen oder Veranstaltungen, wo nur Männer als Vortragende gelistet sind, sprechen mich nicht mehr an. Das kann nicht interessant sein, weil sie ja nur die Hälfte der Welt und Wirklichkeit repräsentieren.“
Gerade junge Frauen sind heute deutlich kritischer gegenüber solch patriarchalen Mustern. „Möchte ich so mein Leben führen?“, ist eine Frage, die Frauen sich öfter stellen, wenn es um die Entscheidung für einen beruflichen Wechsel oder eine Führungsposition geht. „Muss ich dann ein besserer Mann werden und meine weibliche Seite verleugnen?“
Die Anzug- und Krawattenwelt mit ihren Machtspielen schreckt manche Frauen ab. Auch gesellschaftliche Zuschreibungen von ‚Karrieretussis‘ oder ‚Mannsweibern‘ wollen Frauen nicht ernten. Die Frage ist, ob Führung nur mit männlichen Attributen erfolgreich sein kann.
Ein weiteres Hemmnis für Frauen, in Führung zu gehen, sind die Zweifel an ihrem Potenzial und ihren Fähigkeiten. Männer scheinen selbstbewusster auch Latten zu nehmen, die für sie auf den ersten Blick zu hoch liegen.

„Frauen hören oft geduldiger zu als ihre männlichen Kollegen."

Die Unternehmensberaterin Monika Dickinger: „Eine meiner Mentees war neu in einer HR-Abteilung. Nach wenigen Monaten hat der Personalchef gekündigt. Ihr wurde die Stelle angeboten und sie hat abgelehnt. Ihre Sorgen, ob sie erfahren und kompetent genug ist, waren zu groß. Ein männlicher Bewerber hat den Posten bekommen. Die Frau war furchtbar enttäuscht, als sie gesehen hat, dass sie viel erfahrener und ausgebildeter ist als er. Er hatte keine Hemmungen, sich das zuzutrauen.“
Frauen sind oft kritischer mit sich selbst, zeigen weniger Mut und sehen in anderen Frauen eher Konkurrenz als Unterstützung.
Die Geschäftsführerin Edeltraud Stiftinger: „Über diese Ängste kann man ja reden und kommt dann drauf, dass es den anderen genauso geht. Für mich war das eine sehr wichtige Lebenserfahrung, wie hilfreich es ist, mich mit anderen auszutauschen und zu sehen, dass es für sie auch nicht leicht war, selbst wenn sie nach außen sehr selbstbewusst wirken.“
Im Coaching holen sich Frauen die Unterstützung, nach der sie im Job oder bei KollegInnen nicht fragen wollen. Margit Bergmair-Ambach, die seit Jahren mit Führungskräften arbeitet, beobachtet dieses Phänomen: „Eine meiner Coachees wurde in eine Position gehoben, in der unklar ist, welcher Hierarchieebene sie angehört. Ein Mann würde das nicht akzeptieren. Er würde sofort klarstellen, in welcher Ebene er angesiedelt ist. Sie akzeptiert es und kommt ins Coaching, um ihre Position zu klären.“
Frauen sind weniger kämpferisch, wenn es um die Frage des Ranges geht. Man findet sie oft in Stabstellen, wo sie schon qua Position zahnlose Tiger sind. Sie sind seltener an Positionen, wo sie auch strategische Entscheidungen treffen können.

Frauen

Doch auch hier gibt es Ausnahmen.

Edeltraud Stiftinger ist so ein Role Model. Die Geschäftsführerin der Österreichischen Wirtschaftsförderung arbeitet mit einem Mann im Team. Das kraftvolle Duo hat die ehemals bürokratische Kultur in ein modernes Dienstleistungsunternehmen umgekrempelt. Mit sportlichen Zielen und zugleich dem Anspruch, alle einzubinden und mitzunehmen. Ein aktuelles Projekt der energievollen Geschäftsführerin ist ein Frauenzirkel ihrer Organisation. Sie hat alle Frauen in Managementpositionen eingeladen, vier Abende pro Jahr gemeinsam zu verbringen. Im ‚Women Mentoring Circle‘ werden Role Models als Gäste eingeladen, es wird diskutiert und ausgetauscht. Drei Mal so viele Frauen wie erwartet haben sich beworben. Die Geschäftsführerin ist begeistert.

„Die Anzug- und Krawattenwelt mit ihren Machtspielen schreckt manche Frauen ab."

„Mein Anliegen ist, die Frauen sichtbarerer zu machen und sie zu ermutigen, Interesse an Führungspositionen zu zeigen. Bei uns gibt es noch wenig Frauen auf Führungsebene, alle Geschäftsleiter sind Männer. Ich sehe es als meine Rolle, da mitzuhelfen.“
Die quirlige Geschäftsführerin sorgt in ihrer Organisation für gleiche Rechte und Chancen für alle. Drei Wochen nach ihrem Start im Job hat sie einen Leitfaden durchgesetzt, dass alle Dokumente gegendert werden. „Es ist State of the Art! Diskriminierung beginnt schon in der Sprache und die deutsche Sprache ist eine sehr männliche. Mich hat überrascht, dass die jungen Frauen bei uns sich über den Leitfaden aufgeregt haben. Sie wollen für ihre Leistung anerkannt werden. Ich habe ihnen erklärt, dass das kein Widerspruch ist.“
Die junge Frauengeneration sieht vieles anders, für manche ist das Thema Geschlechterunterschied schon ein alter Hut. Während wir noch mit unseren Partnern streiten, ob Väter für die Familie auch beruflich zurückstecken, fordern die Frauen der ‚Generation Y‘ (geboren zwischen 1979 und 1995) das von ihren Partnern ganz selbstverständlich ein. Für viele sind Kinder natürlich ein gemeinsames Projekt der Eltern und garantiert nicht Frauensache.
Die Mutterrolle hat bis heute als einer der wesentlichsten Faktoren auf die Karriereverläufe vieler Frauen gewirkt. In den vergangenen Jahrzehnten zeichnet sich ein langsamer Wandel ab. Auch wenn wir im deutschsprachigen Raum noch weit hinter unseren skandinavischen Nachbarn liegen, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht, wird es für Frauen doch immer selbstverständlicher, beides zu leben. So könnte die bremsende Wirkung der Mutterrolle auf Frauen-Karrieren langsam zurückgehen. Teilzeitregelungen selbst für Führungskräfte unterstützen Eltern, im Beruf zu bleiben.
Edeltraud Stiftinger: „Teilzeitregelungen sind sehr erfreulich, können aber für Frauen leicht zur Falle werden. Wenn man solche Modelle sehr lange in Anspruch nimmt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man sich selbst vom Führungskräftemarkt drängt. Irgendwann hat Frau dann eben nicht mehr alle Wahlmöglichkeiten.“
„Was braucht Frau denn, um erfolgreich in Führung zu sein?“, fragen wir uns in der Runde.
Ein großes Netzwerk, permanente Weiterbildung, sich mit spannenden Leuten umgeben und nie aufhören, neugierig zu sein – das sind die Faktoren, die Frauen in Führung erfolgreich machen. Das unterscheidet sie nicht von Männern.
Netzwerke sind dabei ein Potenzial, das Frauen bisher weniger ausschöpfen. Viele sind Netzwerkerinnen, aber scheuen sich, das beruflich zu nutzen. Männer hingegen bauen sich ihr Netzwerk genau zu diesem Zweck schon im Studium auf und ergänzen es fortlaufend mit Menschen, die für sie wichtig sind. Zum Teil mit Club-Charakter entwickeln sie in diesem Kreis ihre Karrierewege.
Frauen nutzen Netzwerktreffen eher zum Austausch auch für Privates. Es fällt auf, dass viele ihre Visitenkarten nicht mitbringen. Es scheint eine Überwindung zu sein, die persönliche Beziehungsebene mit Beruflichem zu stören.
Erst langsam entdecken Frauen die Kraft von Beziehungen und Unterstützung im Job. Mentorinnen-Programme sind im Kommen. Immer mehr Frauen schätzen die Wirkung dieser kontinuierlichen Begleitung für sich.
Dazu Edeltraud Stiftinger: „Ich habe immer eine große Mentorin gehabt, die mein gesamtes Berufsleben sehr stark begleitet hat. Sie hat mir meine blinden Flecken aufgezeigt und mich in der Entwicklung unterstützt.“


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 93: „Durch den Körper zum Geist"

UW93 COVER


„Für viele sind Kinder natürlich ein gemeinsames Projekt der Eltern und garantiert nicht Frauensache."

Auch Monika Dickinger hat ein Mentoring-Programm für Frauen ins Leben gerufen. Erfahrene Frauen aus der Wirtschaft begleiten jüngere Frauen bei ihren Karriereschritten. Die Bereitschaft der Mentorinnen ist groß und die Teilnehmerinnen sind begeistert. Mentee Elisabeth Türinger beschreibt: „Die Gespräche mit meiner Mentorin haben viel verändert. Ich sehe plötzlich, worauf ich bauen kann, was alles schon da ist und wo die Hebel sind, um mit meinen männlichen Kollegen besser ins Spiel zu kommen.“
Was wäre denn unser Traum für die Gesellschaft und die Wirtschaft von morgen? In der Runde herrscht nachdenkliches Schweigen. Dann purzeln die Ideen:

In Zukunft ...

... zeigen Frauen selbstbewusst auf, wenn es eine Topposition gibt. Jobs werden den Frauen genauso angeboten, Quote ist kein Thema mehr.
... können Frauen und Männer Karriere und Familie leichtfüßig integrieren. Es gibt viele Wege dafür und eine Infrastruktur, in der Kinder gut versorgt sind. Die zeitliche Flexibilität auch in Führungspositionen unterstützt Eltern dabei.
... ergänzen Männer und Frauen sich in der Zusammenarbeit. Ganz selbstverständlich stärken und unterstützen sie sich gegenseitig.
... profitieren Organisationen und Gesellschaft von der Integration der männlichen und weiblichen Qualitäten. Das spiegelt sich in nachhaltig sozialem und ökonomischem Erfolg.

Franziska Fink, ist systemische Organisationsberaterin (Beratergruppe Neuwaldegg) und beobachtet in ihrer Arbeit mit Unternehmen, welche Strömungen Wirtschaft und Gesellschaft kurzfristig und langfristig verändern.

Bilder © Unsplash

Franziska Fink

Franziska Fink

Franziska Fink, ist systemische Organisationsberaterin (Beratergruppe Neuwaldegg) und beobachtet in ihrer Arbeit mit Unternehmen, welche Strömungen Wirtschaft und Gesellschaft kurzfristig und langfristig verändern.
Kommentar schreiben

Gemeinsam machen wir den Unterschied Unterstutze uns jetzt 1