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Warum tangiert uns der Krieg in der Ukraine emotional mehr als Kriege in Afrika oder andere Katastrophen auf der Welt?

MoonHee beantwortet hier Fragen des alltäglichen Lebens oder Fragen, die ihr schon immer einmal stellen wolltet. In ihrem ersten Beitrag „Wie geht es dir heute? Danke, gut!“  findet ihr mehr Informationen dazu.

Antwort MoonHee:

Afrika – Kinder dieser Welt
Weit in einem fernen Land
gibt es Kinder,
ihre kleinen Körper vom
Hunger ganz entstellt,
Ihre dünnen Ärmchen mir entgegenstreckend,
auf der Suche nach Geborgenheit.
Der dicke Bauch so leer und ihr
Herz so schwer.
Doch tapfer meistern sie ihr Schicksal
in diesem kurzen Leben.
Aber, was geht mich das an,
es ist ja weit
in einem fernen Land.

Nichts sehen, nichts hören, nichts tun – so mögen wir es am liebsten. Wenn unser Leben nicht unmittelbar bedroht ist oder wir uns hilflos und überfordert fühlen, schauen wir allzu gerne weg. Was gehen uns Probleme an, die uns nicht selbst betreffen? Ist unser Leben nicht schon schwierig genug, als dass wir uns noch um anderer Leute Probleme kümmern könnten? Auch wenn wir bewusst nicht so denken und auch so nicht denken wollen, verhalten wir uns dennoch so. Sonst wäre die Weltsituation nicht so, wie sie ist.

Ja, ja, die Welt ist so schlecht. Aber wir sind die Welt! Wir alle sind die Welt.

Nicht nur die anderen sind die Welt, auch ich bin die Welt. Mein Tun oder Nichttun wiegt genauso schwer wie das der anderen. Nicht die anderen sind die Bösen, auch ich trage meinen Anteil an dieser Welt. Abwartend, was die anderen richtig oder falsch machen, schwingen wir große Töne und fordern eine bessere Welt. Doch vom Nichtstun und von Schuldzuweisungen wird nichts besser – vor allem wir selbst nicht.

Die Dinge sind einfach: Eine bessere Welt braucht bessere Menschen. Menschen, die nicht nur handeln, wenn sie (oder Menschen, die sie lieben) von der Not unmittelbar selbst betroffen sind oder befürchten, dass die Auswirkungen auch sie negativ ereilen. Wir brauchen Menschen, die sich – unabhängig von den eigenen Interessen, Bedürfnissen und Belangen –angesprochen fühlen und handeln; Menschen, die sich auch für diejenigen starkmachen, die scheinbar nichts mit ihnen zu tun haben oder ihnen nichts bringen.

Ukraine-Krieg

Kriege und Konflikte gibt es weltweit. Der Ukrainekrieg ist unglücklicherweise nur einer von vielen Kriegsschauplätzen auf der Welt und leider nicht einmal der Schlimmste. Das Konfliktbarometer des Heidelberger Instituts für internationale Konfliktforschung (HIIK) weist mit 40 begrenzten und voll entfalteten Kriegen eine anhaltend hohe Zahl gewaltsamer Konflikte aus.[1] Laut Watchlist 2023 sind mehr als 340 Millionen Menschen in Not und mehr als 100 Millionen auf der Flucht.[2] Es liegt auf der Hand, warum uns als Europäer der Ukrainekrieg nahegeht und mehr ängstigt als die über Jahre anhaltenden Kriege im Sudan, Kongo oder in Burkina Farso. Die daraus resultierenden Katastrophen bedrohen unser Leben nicht unmittelbar – doch der Ukrainekrieg, abgesehen vom Schock, dass Europa nicht so sicher ist, wie wir dachten, hat spürbare Folgen für uns. Humanitäre Hilfen, Sanktionen gegen Russland und die damit einhergehenden erhöhten Preise für Energie, Lebensmittel und Konsumgüter sowie Aufrüstung belasten Wirtschaft und private Haushalte. Hinzu kommen die sozialen Folgen, die die Versorgung und Integration der Geflüchteten mit sich bringen. „Der Ukrainekrieg hat nach Angaben von UNHCR[3] die weltweit schnellste und größte Vertreibungskrise seit Jahrzehnten ausgelöst. Mehr als 6,5 Millionen Ukrainer*innen sind innerhalb des Landes vertrieben. 7,8 Millionen weitere Menschen sind in andere europäische Länder geflüchtet.“[4]

Ob wir es uns eingestehen oder nicht: Jeder ist sich selbst der Nächste. Sosehr wir mit allen notleidenden Menschen in der Welt mitfühlen, unsere Gefühle sind dort am stärksten, wo es um unsere eigene Unversehrtheit und unser Wohl geht. Wir engagieren, helfen und teilen dort, wo wir uns selbst wiederfinden und sehen. Da die Mentalität der ukrainischen Bevölkerung uns näher ist als zum Beispiel die der islamischen, ist die Identifikation hier größer. So werden ukrainische Flüchtlinge herzlicher empfangen als die aus Syrien, Afghanistan oder Afrika. Andersheit, ob im Aussehen oder Glauben, wirkt befremdlich und damit bedrohlich.

Die Welt spricht von einer Zeitenwende. Um jedoch Welt und nicht Dorf zu sein, müssen wir Weltbürger werden. Der Weltbürger identifiziert sich, ungeachtet des Glaubens, der Nation, Rasse und Status, mit allen Menschen in dieser Welt. Er zeichnet sich durch Weitsichtigkeit und Offenheit aus. Die Unterteilung Menschen gibt es für ihn nicht: Die Spezies, der wir angehören, ist der Mensch und nicht Menschen. Im Menschsein gibt es keinen Plural, nur Singularität. Singularität bedeutet, dass jeder Mensch Menschheit ist und dass jeder Mensch zählt. – Alle Menschen sind Ein Mensch.

Wird nicht jedes Glied des Einen Menschen geachtet, gehegt und gepflegt, so ist nicht nur eine Kultur oder eine Nation bedroht, sondern die ganze Menschheit. Die größte Bedrohung ist die, die wir nicht sehen oder wahrnehmen wollen. Die Gleichheit und die Würde aller Menschen ist unantastbar: Uns verbindet mehr, als uns trennt. Der griechische Mathematiker Euklid stellte einen Grundsatz auf: Was demselben gleich ist, ist auch einander gleich. Wenn Gleichem Gleiches hinzugefügt wird, sind die Summen gleich. Wenn von Gleichem Gleiches weggenommen wird, sind die Reste gleich. Was miteinander zur Deckung gebracht werden kann, ist einander gleich. Das Ganze ist größer als ein Teil.

Zu glauben, dass Krieg, Armut und Not in fernen Ländern uns nicht betreffen, ist so herzlos wie kurzsichtig. Die Folgen von Klimawandel, Weltarmut und Welthunger, Korruption, Ausbeutung, Landgrabbing, Terrorismus, religiösen Konflikten, Bildungsmangel und Chancenungleichheit im Allgemeinen, um nur die offensichtlichen zu nennen, betreffen uns alle.

Alle Dinge kehren zu ihrem Ursprung zurück. Das, was wir aussenden, ziehen wir an. Der Grund unserer Weltprobleme ist unsere zunehmende Unmenschlichkeit – wir selbst sind die Verursacher. Alles hat einen Preis, den wir über kurz oder lang ALLE zu zahlen haben.

 

Weitere Fragen & Antworten von MoonHee Fischer finden Sie hier.

Sie haben eine Frage? Schreiben Sie an m.fischer@ursachewirkung.com

Bilder Teaser und Text© Pexel
Bild Header © Sigurd Döppel 


[1]Vgl. Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) https://www.bpb.de/themen/kriege-konflikte/dossier-kriege-konflikte/54569/gewaltsame-konflikte-und-kriege-aktuelle-situation-und-trends/ (Stand 28.03.16.25 Uhr)

[2] Vgl. International Rescue Comittee (ICR) https://de.rescue.org/artikel/die-zehn-schlimmsten-humanitaeren-krisen-2023 (Stand 28.03.17.15 Uhr)

[3] United Nations High Commissioner for Refugees: Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen.

[4] International Rescue Comittee (ICR) https://de.rescue.org/artikel/die-zehn-schlimmsten-humanitaeren-krisen-2023 (Stand 28.03.17.38 Uhr)

Dr. phil. MoonHee Fischer

Dr. phil. MoonHee Fischer

„Was eines ist, ist eines. Was nicht eines ist, ist ebenfalls eines.“ (Zhuangzi) Jenseits eines dualistischen Denkens, im Nichtgeist, gibt es weder das Eine noch ein Anderes. Wo das Eine sich von einem Zweiten abgrenzt, ist keine Einheit, sondern Zweiheit. Die Erfah-rung des Einen – ich bin al...
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