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Wie gehe ich, angesichts all der fürchterlichen Entwicklungen und der Tatsache, dass ich immer durchlässiger und verletzlicher werde, mit dem Übel in der Welt um?

MoonHee beantwortet hier Fragen des alltäglichen Lebens oder Fragen, die ihr schon immer einmal stellen wolltet. In ihrem ersten Beitrag „Wie geht es dir heute? Danke, gut!“ findet ihr mehr Informationen dazu.

Antwort MoonHee:

„When bad men combine, the good must associate; else they will fall, one by one, an unpitied sacrifice in a contemptible struggle“ (Edmund Burke). Oder als Zitat bekannter: „Alles, was das Böse braucht, um zu triumphieren, ist das Schweigen der guten Menschen.“

Der Kirchenlehrer und Scholastiker Thomas von Aquin vertrat die Theorie, dass das Böse ein Mangel des Guten (privatio boni) und das Böse ein Nichts sei. Die Privation als Negation stellt heraus, dass das Böse kein eigenständiges Wesen hat, sondern die Abwesenheit des Guten bedeutet. Demnach kann das Gute ohne das Böse existieren, aber das Böse nicht ohne das Gute. Denn das Gute ist schlechthin gut – alles am Guten ist gut – ein schlechthin Böses gibt es dagegen nicht. Das, was Sein hat, ist wesentlich gut. Somit gibt es weder einen Dualismus noch gibt es ein Ding, das von sich aus schlecht ist.

Da es in der Natur des Seins liegt, sein zu wollen und nicht nicht zu sein, strebt es in der Erfüllung seiner selbst nach dem Guten. Das Sein will nämlich nicht nur sein, es will bestmöglich sein. Bestmöglich bedeutet ganz und gar und nicht nur halb oder stückweise. Die Vollkommenheit allen Seins, auch das des Menschen, erfüllt sich im Ganz-Sein. Indem wir ganz sind und Ganzheit leben – sind wir – und wenn wir sind, dann fühlen wir uns lebendig, frei und glücklich. Alle positiven Gefühle beruhen auf dem Erleben zu sein, alle negativen auf dem des Nichtseins. So wie aber das Übel die Abwesenheit des Guten darstellt und kein existenzielles Sein hat, so auch der Mangel. Ist es doch gerade der Mangel am Ganzen, der dem Mangel am Sein entspricht und zur Abwesenheit des Guten führt und der uns glauben macht, dass das Übel real sei. Zwar mag die Annahme, dass das Übel nicht real sei, angesichts unserer Erfahrung widersinnig und falsch erscheinen, doch gibt es ein Übel außerhalb eines Mangels?

Übel

Alles Übel oder Schlechte resultiert aus dem Gefühl des Mangels und ist nichts anderes als der Spiegel und die Manifestationen unserer Ängste – unserer individuellen sowie der der Gesellschaft im Allgemeinen. Je größer der Mangel am Ganzen bzw. am Sein, desto mehr Ängste; je mehr Ängste, desto größer das Übel in der Welt.

Ein in sich abgeschlossenes und von mir getrenntes Übel gibt es nicht, vielmehr bin ich in meiner Unvollkommenheit immer ein Teil davon. Insofern ich mich an Mangel und Ängste klammere, beides als gegeben erachte, trage ich Mitschuld an der Abwesenheit des Guten. Das Gute fungiert sekundär als moralische Instanz, primär steht es jedoch für die essenzielle Vollkommenheit (Ganzheit) allen Seins. Der einzige Weg, dem Übel in der Welt gut und ganzheitlich entgegenzutreten, ist, von der Täuschung eines Mangels und einer Unvollkommenheit abzulassen. Nur indem wir unsere ursprüngliche Vollkommenheit voll und ganz – widerstandslos – anerkennen, entziehen wir dem Übel seine Kraft und kommen ins wahre Sein. Hier schwinden negative Gefühle des Mangels, der Trennung, der Leere, und das Gute geschieht ohne Mühe und Anstrengung ganz von selbst.

Wollen wir dem Übel in der Welt ein Ende setzen, so müssen wir aufhören zu kämpfen. Jeder Kampf, auch der gegen uns selbst, schadet – nicht nur uns selbst, sondern auch der ganzen Welt. Das, was wir uns selbst antun, tun wir allen an; da, wo wir uns selbst nicht Gutes tun, tun wir auch anderen nicht Gutes. Der richtige Umgang mit dem Übel in der Welt ist der richtige Umgang mit uns selbst. Sind wir gut mit uns selbst, sind wir auch gut mit der Welt. Der Weg des Friedens oder des Guten beginnt immer bei uns selbst und nicht bei dem anderen.

Weitere Fragen & Antworten von MoonHee Fischer finden Sie hier.

Sie haben eine Frage? Schreiben Sie an m.fischer@ursachewirkung.com

Bilder Teaser und Text© Pexel
Bild Header © Sigurd Döppel 

Dr. phil. MoonHee Fischer

Dr. phil. MoonHee Fischer

„Was eines ist, ist eines. Was nicht eines ist, ist ebenfalls eines.“ (Zhuangzi) Jenseits eines dualistischen Denkens, im Nichtgeist, gibt es weder das Eine noch ein Anderes. Wo das Eine sich von einem Zweiten abgrenzt, ist keine Einheit, sondern Zweiheit. Die Erfah-rung des Einen – ich bin al...
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