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Wenn man im Zug sitzt und unendlich froh ist, dass man nicht mehr wegen eines Streiks feststeckt, stellt sich ein Grad von Entspannung ein, der einer das Hören eines Audiobuchs ermöglicht. Ich habe ein königliches ausgewählt.

Es gibt aktuell ja viele Themen, mit denen Mann und Frau sich beschäftigen könnten, um sich die Weihnachtsstimmung zu vermiesen: Blackout, Umweltschutz, Streiks, das Wetter. Die Liste ließe sich gewiss unendlich fortsetzen, wenn ich denn das wollen würde. Doch mir fehlt dafür die Zeit, auch die Lust und generell der Sinn. In diesem Mindset bin ich immer, wenn ich aus der großen Stadt zurückkomme, nachdem ich mir reingezogen habe, was andere Menschen so umtreibt. Und bei einem Mittagessen quasi zwischen Hauptspeise und Dessert serviert zu bekommen, dass der Blackout im kommenden Januar oder Februar für ein paar Stunden über uns hereinbrechen wird und es dann zwei Wochen dauern könnte, bis alles wieder läuft, verdirbt sogar mir den Appetit. Und ich esse gerne.

Während ich auf der Liege meines Physiotherapeuten versuchte, den Schmerz wegzulächeln, sagt er etwas sehr Gescheites, nämlich dass er sich abgewöhnt hat, sich über Dinge den Kopf zu zerbrechen, die er nicht beeinflussen kann. Und da tat es mir zwischen den Schulterblättern gleich ein wenig weniger weh. Denn genau so ist es. In der großen Stadt verdirbt man sich die Laune wegen des schwarzen Damoklesschwerts und lässt es bei der Weihnachtsbeleuchtung krachen, als gäbe es kein morgen. Und natürlich muss ich mich auch selbst beim Schopf packen, wenn ich bei einem Kaffee unter einem Heizpilz sitze, nur weil ich eine rauchen will. Jetzt könnte man ja sagen, dass es die Heizpilze gar nicht bräuchte, ließe man die Raucher im Warmen rauchen, doch damit öffne ich ein anderes Fass, das ich lieber geschlossen halten möchte. Worauf ich hinauswill: Alles ist mit allem verbunden. Und wenn wir da etwas zerschneiden, gerät auch der Rest aus der Balance.

Zug

Mein Liebster und ich denken uns einen Regenbogen zwischen den beiden Orten, an denen wir leben. Dieses Bild erinnert uns stets daran, dass wir auch aufgrund der großen Distanz verbunden sind. Wenn ich aus der Balance bin, spürt er das. Und wenn es ihm schlecht geht, ist mein Wohlbefinden ebenfalls beeinträchtigt. Auf einer größeren Bühne heißt das in meiner Welt nichts anderes als: Frauen und Männer bedingen sich gegenseitig. Nur damit ich es an dieser Stelle einmal sage: Ich bin eine Cis-Frau, und meine Schreibperspektive ist dem angepasst. Aus diesem Grund bin ich überzeugt, dass in dieser Cis-Welt beide Geschlechter tunlichst darauf achten sollten, sich zu achten.

Das Hörbuch, das ich mir im Zug reingezogen habe, beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Rollen von Mann und Frau. Es erzählt davon, dass Frauen ihre Weiblichkeit und Männer ihre Männlichkeit verloren haben. Und dass viele nicht einmal mehr wissen, wie sie die jeweilige Identität zurückgewinnen können. Zugegeben: Mann und Frau sehen sich einem enormen Pool an Informationen, Workshops und Gruppen ausgesetzt, wo man das lernen könnte. Doch dafür muss erst einmal eine Entscheidung getroffen werden. Nicht nur, ob Frau einen Göttinnen-Workshop besuchen oder Mann einer Bruderschaft beitreten möchte, sondern vor allem, ob sich beide Geschlechter überhaupt mit diesem Thema auseinandersetzen wollen.

Unsere Welt braucht beide Energien, das Empfängliche und das Zielstrebige. Mein Leitspruch, wenn es um Beziehungen geht, lautete stets, und das auch während meiner Single-Jahre: „Die Frau führt den Mann zur Quelle, und der Mann sorgt dafür, dass sie das tun kann.“ Es geht um Vertrauen und Wohlwollen, um Sicherheit und Geborgenheit, um Liebe. Wenn Mann und Frau stets auf der Hut voreinander sein müssen, geraten beide in Verteidigungshaltungen, und das wiederum führt früher oder später in die äußere und innere Vereinzelung. Das Buch erzählt davon, wie sich die Geschlechter annähern können, indem sie sich auf ihre Qualitäten konzentrieren und das Beste aus beiden Welten zu einem Paket schnüren. Das wiederum kann nur funktionieren, wenn dem jeweils anderen Menschen diese Qualitäten auch zugestanden werden. Darin sehe ich im aktuellen interhumanen Miteinander das größte Problem. Wenn eine Frau beispielsweise handwerklich begabt ist, muss der Mann sich nicht plagen, nur weil er glaubt, dass es seine Aufgabe wäre. Wenn eine Frau Kurkuma und Kümmel nicht auseinanderhalten kann, darf der Mann seinen Kochkünsten frönen. So what? Wir können in all unseren Beziehungen so viel Gutes in die Waagschale werfen, dass die Zufriedenheit groß sein könnte. Und vielleicht auch das Potenzial hat, ins Glückliche aufzusteigen. Darauf sollten wir uns fokussieren, weil wir genau das auch wirklich persönlich beeinflussen können. Und sollte der Strom tatsächlich ausfallen, können Frau und Mann dann auch unbeschwert und ausgelassen „Blinde Kuh“ spielen – vielleicht sogar mit Extras.

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Bilder © Pixabay

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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