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Bislang habe ich ja mit kaum merklich angehobenem rechten Mundwinkel auf das Thema „Körperkult“ reagiert. Dass ich damit einer Verallgemeinerung aufgesessen bin, durfte ich heute lernen.

Körperkultanhänger und -innen waren für mich bislang Menschen, die in den Muckibuden an der Ausformung ihrer jeweiligen Muskeln gearbeitet haben, dabei glänzende, wahlweise schwitzende Haut zeigten und vor Kraft kaum mehr gehen konnten. Dass ich damit auch das Vorurteil kultiviert habe, dass man dafür nicht unbedingt eine weit gespannte Intelligenz braucht, habe ich an dieser Stelle zähneknirschend zu gestehen. Doch wie immer, wenn ich etwas nicht kommen sehe, schlägt es mir auf die Schulter und macht auf sich aufmerksam.

Heute Morgen in Form eines Radiobeitrags. Ja, Radio höre ich noch, wenn auch sehr selektiv und meist zeitversetzt, damit ich meinem Gehirn nur Dinge zumute, die ich auch verkraften kann. Und aus irgendeinem Grund habe ich heute auf das Angebot „Körperkult als Ersatzreligion“ geklickt. Religion und Spiritualität zählen ja zu meinen Top-Fünf-Themen, auch wenn sie in Verbindung mit Körperkult gebracht werden. In diesem Fall bin ich dem Narrativ „Wer A sagt, muss auch B sagen“ gefolgt und habe Unangenehmes, wenn auch nicht Unakzeptables über mich herausgefunden.

Offenbar gibt es drei Unterkategorien beim Körperkult: Styling, Tuning und Caring. Bei Ersterem geht es um Selbstgestaltung. Und dazu zählt eben auch, wenn ich mir die Fußnägel lackiere oder Lippenstift auftrage. Ich musste auch zugeben, dass ich Körpertuning betreibe, indem ich zum Bauchtanzen gehe und Yoga mache. Und last but not least: Unter Caring fallen meine ayurvedische Ernährung und Meditationen jeglicher Art. Und bei all dem bin ich in meiner Welt meilenweit von dem Bild entfernt, das ich abschätzig bewertet hatte.

Körperkult

Gerne sehe ich mich selbst als überaus toleranten Menschen an, der anderen all das verzeiht, was sie manchmal nicht einmal sich selbst verzeihen. Weil ich weiß, dass wir alle Menschen sind und Fehler machen können. Doch gerade in Situationen wie dem Körperkultvorurteil fällt es mir wirklich schwer, mir selbst Vorurteile zu vergeben. Weil ich ja zuerst den Schritt machen muss, sie mir und gegebenenfalls auch gegenüber anderen einzugestehen. Und vor diese Aufgabe werde ich immer dann gestellt, wenn ich sie gerade gar nicht brauchen kann, weil mir eh schon der Kopf platzt.

Jetzt könnte man einwenden, dass man ja nicht jede Einladung zur Reflexion annehmen muss. Richtig. Und doch hänge ich ja der Meinung an, dass Einladungen selten angekündigt daherkommen. Und dabei spreche ich nicht von solchen zu Hochzeiten, die man ja zugegebenermaßen einige Zeit im Voraus planen muss. Auch nicht von runden Geburtstags- oder Pensionsantrittspartys. Sondern von jenen, die uns das Universum über den Weg schickt, um uns in die Gegenwart zu bringen. Und gerade deshalb, weil mir das Universum heute die Erkenntnis geschenkt hat, dass ich durchaus Körperkultneigungen habe, werde ich mir in den nächsten Tagen endlich einen Termin beim Friseur ausmachen – der wartet nämlich schon seit Mai auf den jährlichen Zweittermin. Übertrieben ist er nicht, mein Körperkult.

Weitere Beiträge von Claudia Dabringer finden Sie hier.

Bilder © Pixabay

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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