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Vermutlich ist es der selektiven Wahrnehmung geschuldet, dass mich das Thema der kulturellen Aneignung weiter begleitet – und von der Realität immer wieder infrage gestellt wird.

Heute Morgen habe ich gehört, dass in Mexiko ein Gesetz auf den Weg gebracht wurde, das indigene Muster davor schützt, von großen Modekonzernen quasi ausgebeutet zu werden. Das bedeutet: kein Kopieren, Imitieren und Reproduzieren, weil die Designer eben dabei leer ausgehen. Während ich diese Zeilen schreibe, trage ich eine lange Hose mit einem Ethno-Muster und mache mir Gedanken, ob ich dafür politischer Inkorrektheit bezichtigt werden könnte. Noch dazu, weil ich noch nicht einmal recherchiert habe, welchem Kulturkreis dieses Muster entstammt.

Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass man mich aufgrund meiner äußeren Erscheinung anderswo verorten möchte. Kürzlich mit einer Freundin im Eiscafé hat mich ein Mann angesprochen und mir unterbreitet, dass ich nach Santa Eulalia auf Ibiza gehörte, weil ich der Inbegriff einer Hippie-Frau wäre. Die biologische Mutter meiner Kinder sagt immer, dass ich stets nach Urlaub aussehen würde. Und eine Frau im Bus meinte kürzlich, ob ich nicht noch eine Station weiterfahren könnte, weil sie sich meine Ringe noch nicht lange genug angeschaut hätte. Wie mein Haus bin auch ich offenbar stets ein wenig überladen, aber trotzdem einladend genug, um sich Gedanken über mich zu machen.

Das freut mich insofern, weil ich das ja auch tue. Jede Gelegenheit ist mir recht, um Geschichten in meinem Kopf entstehen zu lassen. Und dabei ist es mir herzlich egal, ob sie der Realität entsprechen oder nicht. So geschehen eben an diesem Nachmittag in besagtem Eiscafé, als mich die Freundin auf eine Frau aufmerksam machte, die vollkommen aus der Zeit gefallen schien. Sie trug ein Kleid, das perfekt zum Fünf-Uhr-Tee gepasst hätte, ebenso wie ihre Perlenhalskette und die Ohrringe. Die Frisur bestand aus akkurat nebeneinander gebetteten Haaren, die auch der stärkste Orkan nicht hätte durcheinanderbringen können. Tasche und Schuhe passten selbstverständlich zusammen. Das Alter der Frau war kaum zu schätzen, wir verorteten sie zwischen 65 und 75.

Prinzessin

Irgendwie kam mir diese Zusammensetzung bekannt vor. Und irgendwann einmal fiel der Cent. Sie erinnerte mich an Prinzessin Diana. Kürzlich jährte sich ja ihr 25. Todestag, und beim Anblick dieser Frau dachte ich mir, dass Diana vielleicht so aussehen würde, hätte sie den Unfall überlebt. Jetzt muss man natürlich sagen, dass sie zu Lebzeiten eine Stilikone war und sich bestimmt weiterentwickelt hätte. Und bestimmt keine 61-Jährige wäre, die ein Kleid im Stil ihrer Schwiegermutter tragen würde. Fast bedauere ich es, dass wir alle diese Entwicklung nicht mehr miterleben durften. Schließlich hat sich ihre Metamorphose nach der Trennung von ihrem Prinzen, der sich nachträglich als ihr persönlicher Frosch herauskristallisiert hatte, vor den Augen der Weltöffentlichkeit abgespielt. Wir waren dabei und wir wären auch dabei gewesen, wenn sie sich in eine äußerst geschmackvolle 40-, 50- und 60-Jährige entwickelt hätte.

Diese Frau im Eiscafé allerdings machte den Eindruck, als hätte sie sich irgendwann einmal in den 1980er- und 1990er-Jahren dazu entschlossen, Prinzessin Diana als ihr Vorbild zu nehmen. Ich kann mich erinnern, dass ich während meiner Pubertät eine Freundin hatte, die sehr zeitnah zur royalen Hochzeit ihre Frisur anpasste und nunmehr diese spezielle Version eines Bobs trug. Die Fünf-Uhr-Tee-Lady hatte offenbar ebenfalls ihre Entscheidung getroffen und ist ihr seitdem treu geblieben. Ist das im Grunde nicht auch Aneignung? Vielleicht keine kulturelle, weil ja europäisch geprägt, aber angeeignet scheint mir das schon. Verurteilen würde ich dafür allerdings niemanden, denn wir können uns schließlich anlehnen, an wen wir wollen.

Dass mir diese Haltung gut zu Gesicht steht, habe ich umgehend erfahren. Denn jemand, der sich mit stylishen Begrifflichkeiten wenig auskennt wie ich, musste den Namen der Prinzessinnenfrisur googeln. Und dabei erfahren, dass sie gerade wieder im Trend liegt. Damit zurück auf Anfang. Die Fünf-Uhr-Tee-Lady ist also auf dem Höhepunkt der aktuellen Modebefindlichkeit, vermutlich nicht nur, was die Frisur angeht, sondern auch die Perlenkette und das entsprechende Kleid. Ich sollte mir mehr aneignen, wie mir scheint - vor allem Modewissen. Denn Äußerlichkeiten sind geradezu prädestiniert dazu, Menschen in Schubladen zu stecken. Ihnen Eigenschaften zuzuordnen, die ihnen in keiner Weise entsprechen. Verstörend ist dabei für mich, dass ich mir das ja für mich persönlich verbiete, wenn andere mich in deren Schubladen einladen. Und so ist die Moral aus der Geschicht‘: Beurteile andere nach ihrem Gesicht. Denn das spricht Bände. Wenn es leuchtet, ist es völlig sekundär, was sich darunter abspielt. Insofern kann die Botschaft des Tages nur lauten: Strahlen!

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Bilder © Pixabay 

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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