Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich über meinen damaligen Sommer der Liebe geschrieben. Wer hätte gedacht, dass sich das zu einer Tradition entwickelt?
Kürzlich habe ich gelesen, dass man Transformation nicht aktiv betreiben kann, sondern sich ruhig zurücklehnen und beobachten darf, wie sich das Leben entwickelt. Und man selbst sich mit ihm. Und wenn ich zurückdenke, hat gerade die Pandemie dazu beigetragen, dass man nicht viel mehr tun konnte, als sich zurücklehnend anschauen, was so vor sich geht. Und was das mit einem oder einer macht. Nichtsdestotrotz ist es für jemanden wie mich schon hilfreich, nachlesen zu können, wie sich die Transformation denn tatsächlich formiert hat in meinem Leben. Und dafür ist dieser Blog wie gemacht.
Als ich also „Sommer der Liebe“ vom 27. August 2021 gelesen habe, war ich überrascht, wie viel Betrieb letztes Jahr in meinem Leben war. Teile davon haben sich erhalten, wie beispielsweise der Festspielbesuch mit meinem Jüngsten, den ich dieses Mal als Zweitbesetzung absolvieren durfte. Und das auch noch in einer Oper. Habe ich erwähnt, dass ich manche Frauenstimmen einfach nicht aushalte, weil sie mir die Unterhose in die Eingeweide ziehen? Das war mein Hauptargument, warum ich dem gehobenen Gesang bislang weitgehend ferngeblieben bin. Dieses Mal kam ich nicht so einfach davon, habe mich aufgebrezelt und High Heels getragen. Um die lange Geschichte kurz zu machen: Die Oper war ganz okay, die Schuhe am Ende der Nacht ruiniert. Doch das Zusammensein mit meinem Jüngsten wie immer ein Highlight. Denn auch auf seiner Seite findet Transformation statt, und aus der Beobachterperspektive auf andere sieht man Dinge ja ohnehin immer schneller und leichter.
Doch während sich letztes Jahr ein wahrer Besucherregen über meine Türklinke ergoss, war es in diesem vor allem einer, der sich bereits im Vorfeld bemerkbar machte. Denn ich kann mich nicht erinnern, dass ich selbst vor meinen eigenen Urlauben so viele Vorbereitungen getroffen habe wie für diesen einen Besucher. Das schloss zum Beispiel Reinigungsarbeiten ein, bei denen ich mich von meinen gewohnten Spinnweben verabschiedet habe. Ich lebe ja mit ihnen, weil ich einfach nicht verhindern kann, dass sich an einer Ecke eine bildet, während ich noch an der anderen Ecke mit dem Staubwedel an der Entfernung eines Spinnennetzes arbeite. Ich nenne das friedliche Koexistenz, weil sie mir ja nichts tun und mich deshalb im Grunde auch kaum belästigen. Dass ich den Kühlschrank geputzt habe und bei ganz vielem auch externe Unterstützung hatte, soll natürlich nicht unerwähnt bleiben. Und falls Sie sich das fragen: Ja, ich brauche meist einen Anlass, um ans Eingemachte zu gehen. Putzen ist für mich nämlich kein Lebenszweck. Arbeit schon eher, und auch da gab es vieles vorzubereiten, denn man muss es sich quasi verdienen, zwei Wochen lang Mails zwar zu sehen, aber sie auch mit Leichtigkeit ignorieren zu können. Und natürlich planen. Das lief so gut, dass ich in den wenigen Social-Media-Minuten der vergangenen zwei Wochen oft überrascht war, wenn ein Posting von mir online ging. Vollkommen ausgeblendet – ein wunderbares Gefühl.
Geneigte Freunde dieser Zeilen wissen ja, dass ich im Vorfeld und nahezu auf dem Höhepunkt dieser Vorbereitungsarbeiten etwas verbraucht war. Eine Freundin von mir befürchtete sogar eine Art Zusammenbruch, den sie anhand von Stimmnuancen bei der Aufnahme meines Podcasts verortet hatte. Und sie befürchtete weiter, dass das Programm der kommenden zwei Wochen viel zu viel werden würde für mich und meinen Liebsten. Mitnichten! Ich bin 14 Tage lang auf einer Welle der Freude, des Wohlwollens, der Zugewandtheit geschwommen. Und damit meine ich jetzt nicht ausschließlich den Mann an meiner Seite, sondern das Zusammentreffen mit all jenen, die ihn kennenlernen wollten. Das Alter der Menschen lag zwischen 25 und 84, man könnte meinen, da gäbe es unterschiedliche Auffassungen und Impressionen über einen Menschen. Irrtum! Er hat es geschafft, alle zu bezaubern – und ich durfte staunend dabei sein. Durfte staunen darüber, wie sich Gespräche in einer ungewohnten Sprache zu tiefen und offenen Konversationen entwickelten. Durfte staunen über die Herzlichkeit auf beiden Seiten, die ich so sonst nur von Menschen kenne, die ich schon lange in meinem Leben habe. Und ich staunte über mich selbst, wie selbstverständlich ich diesen Mann in mein Leben integriert habe. Schließlich wohne ich seit über sieben Jahre alleine und hatte berechtigte Zweifel, ob sich das Puzzle fügen würde. Das hat es, sogar perfekt.
Als ich nach seinem Abflug mit noch immer leicht geschwollenen Augen einer Freundin gegenüber gesessen bin und mich darüber beklagt habe, wie sinnlos dieses Gefühl der Traurigkeit sei, meinte sie: „Ist alles biologisch bedingt. Das macht das Oxytocin.“ Offenbar hatte mich das Kuschelhormon voll im Griff, denn es reduziert Stress, fördert das Miteinander und beglückt. Dass ich das für die kommenden Wochen nur mehr stundenweise ausgeschüttet bekomme, ist ebenfalls traurig, aber auszuhalten. So ein großes Mädchen bin ich inzwischen, dass ich mich nicht an Unveränderlichkeiten abarbeite. Vor allem nicht nach einem zweiwöchigen Traumurlaub jenseits von Palmen, Strand und Meer. Wer hätte das gedacht? Ich nicht.
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