Ja, unbedingt! Es gibt eine so pragmatische Seite im Buddhismus, die mir ungeheuer imponiert: Neu atmen, sitzen, gehen lernen. Lieben lernen, sich selbst und andere, vor allem in schwierigen Situationen.
Untersuchen, was uns und andere wirklich glücklich macht und was auf keinen Fall. Wie gehen wir mit unseren Fehlern um, kleinen und großen, und denen von anderen? Gibt es einen Weg zwischen Akzeptanz und risikofreudiger, beherzter Veränderungsbereitschaft? Traue ich mich, alleine zu stehen und laut „Ja“ zu sagen, wo alle „Nein“ sagen? Und umgekehrt, stehe ich zu meinem „Nein“ oder „Ich weiß nicht“, wenn offensichtlich eindeutige Antworten erwartet werden? Kann ich Verständigung anbieten, überhaupt Verständnis und niemanden verloren geben? Oder die Verlorengegangenen wieder an den gemeinsamen Tisch bringen? Möchte ich lernen, die Sprache der Erde zu verstehen, tiefe Dankbarkeit zu üben, ein ehrliches, brauchbares Vorbild zu werden? Möchte ich lernen, wie ich mich in mir selbst mehr zu Hause fühlen und in meiner Haut gut fühlen kann? Wie ich Mitgefühl aufbringe und doch mich weder überschätze noch unterschätze? Wie gehe ich gesünder mit Medien und Nachrichten um, ohne absolut dabei zu werden? Was für eine Sprache verwende ich, wenn ich gekränkt bin, Angst habe, wütend werde, wenn ich auf Menschen treffe, die andere anpöbeln? Kann man das alles üben, irgendwo?
Ja, das kann man. Seit der Buddhismus nicht mehr nur aus Stille und Schweigen besteht und nur eine Stimme zu hören ist, nämlich die des Lehrers, der Lehrerin. So wichtig auch ein Kommunikationsfasten ist und wir mehr davon haben sollten, so wichtig ist ebenso die Meditation der Kommunikation. Sie ist zu üben, zu trainieren. Natürlich gibt es, wie in allen Künsten, Naturtalente, jedoch sind stets viel Übung und Erfahrung nötig und sinnvoll, um die Weisheit eines Dialogs/Dyalogs, eines Kreisgesprächs, einer größeren oder kleineren Kreisarbeit herauszulocken.
Es ist noch wenig bekannt, wie grandios viel wir in diesen Gesprächsformaten ohne jedes Blabla üben, erfahren, integrieren können.
Ferner dürfen die Künste, mit Kontemplation kombiniert und angereichert, vertieft werden. Viele Menschen gehen diesen Weg schon.
Doch Buddhismus ist mehr, kann noch weitaus mehr sein. Damit wir nicht schon wieder dem Leistungs- und Konkurrenzdruck verfallen. Schon wieder die Dinge zweckgebunden sehen müssen, die Mitmenschen als Zahlen und Leistungsträger, die Erde als unbegrenzten Selbstbedienungsladen erfahren und damit alles, alles erniedrigen, brauchen wir Religion. Zum Verzicht auf das Unheilvolle, zum Feiern der geheimnisvollen Übergänge dieses oft so schweren, so schönen Lebens. Zum Innehalten, Staunen, Gesundwerden, an Leib und Seele. Regelmäßig am besten, immer wieder. Alleine und miteinander eintauchen in das zeitlose, selbstlose vibrierende Sein.
Weitere Beiträge von Monika Winkelmann finden Sie hier.
Bilder © unsplash