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Blog

Dieser Text ist besonders für alle die geschrieben, die sich von der Betrachtung, die der Titel suggeriert, angesprochen fühlen. Ich glaube, ich habe vor Jahren schon einmal einen Blogtext dazu geschrieben, möchte es aber erneut tun. Warum?

Weil aus meiner Sicht die Verwirrung darüber noch immer groß ist. Man könnte auch fragen, unter welchen Umständen ist Schweigen heilsam, angemessen, ja sogar „edel“, wie es in den Übersetzungen buddhistischer Texte heißt. Unter welchen Umständen sollte man sich hingegen befreien aus den Zwängen unheilsamen, giftigen Schweigens, welches die jeweiligen Atmosphären innen und außen so ungünstig beeinflussen kann, dass Störungen, Krankheiten entstehen. Solche Sachverhalte sind Gegenstand der Forschung in allen möglichen Schulen von Psychotherapie, Kunst- und Körpertherapie, Gruppendynamik, Erforschung „heilender Felder“, Traumaforschung und Psychosomatik.

Schweigen ist eben nicht gleich Schweigen. Also kann auch die wohlmeinende Einladung zum „Schweige-Retreat“, zumindest am Anfang, eine große und vielleicht zu große Herausforderung für einige von uns darstellen. An mir selber habe ich über die Jahrzehnte eine bedeutsame Veränderung in meiner Bereitschaft, mich auf Stille und Schweigen einzulassen, festgestellt. Wie unerwartet entscheidend ist der Faktor „Vertrauen“, den ich in drei Bereiche – Selbstvertrauen, Vertrauen ins Leben (Gott) und Vertrauen zu einem bestimmten Menschen, in Menschen überhaupt – teilen würde. Natürlich hängen alle miteinander zusammen, ja, sie sind wechselseitig abhängig voneinander. Jedoch mag es zu unterschiedlichen Gewichtungen und Sprüngen in der Entwicklung unserer Persönlichkeit gekommen sein.

Ich möchte daran erinnern, dass es Redeverbote und Tabus in der Nachkriegsgeneration gegeben hat, man könnte auch sagen: Schweigegebote. Die Einhaltung derselben konnte mit flankierenden Maßnahmen, wie Liebesentzug, Schlägen, auf jeden Fall Gewalt, unterstützt worden sein. Man verpetzte die anderen „Peers“ nicht, das galt noch zu meiner Kinderzeit, Lehrerinnen und Lehrer, Polizisten, Ärzte usw. hatten immer recht, auch wenn sie nicht recht hatten, auch wenn sie grob gewalttätig waren, logen, eine grobe Sprache verwandten. Das galt natürlich insbesondere auch für Eltern, für kriegstraumatisierte und damit hoch belastete Eltern. Dazu kamen intime familiäre Geheimnisse und Tabus, kollektive Geheimnisse und Tabus, die einen, falls man diese Tabus brach, sofort mindestens zum Außenseiter machten. Sie denken vielleicht, dass ich übertreibe. Ich glaube es nicht. Ich spreche aus mehr als dreißig Jahren Leitungserfahrung von Gruppen, die außergewöhnlich offen nach innen und zueinander sprechen. Das mit der Offenheit: Das geht so lange nicht, wie die Selbstzensur von früher noch wirksam ist, d. h. solange die Eltern noch das Sagen haben und die Definitionsmacht innehaben.
Ich erinnere auch an Redegebote, Redezwang: Man musste etwas preisgeben, ob man wollte oder nicht. Unter Androhung von Strafen. Auch das eine deutliche Grenzüberschreitung.

Drei Weisen des Schweigens

Dies alles, und sicherlich habe ich etwas vergessen, schwingt mit, wenn ich zum Schweigen auffordere. Es ist eben eine Art Fasten, und Fasten ist nicht immer angenehm und auch nicht immer angezeigt. Machen wir uns keine Illusionen: Manche kommen nicht in den Genuss und gar nicht erst in Versuchung, es mit Meditation zu versuchen, weil sie nicht nur die körperliche Unbewegtheit, sondern auch das Schweigenmüssen fürchten. Gerade nach der einschneidenden Erfahrung mit COVID, als uns Derartiges, wie oben beschrieben, abverlangt wurde ohne die geschickte Leitung und Anleitung eines Lehrers, einer Lehrerin freuen wir uns auf Gelöstheit, beschwingten Umgang mit Mitmenschen, Bewegung und gelöste Zungen.

Was ist nun mit der dritten Art des Schweigens? Diese schwingt immer mit, sie ist eine Lebenskunst, eine Kultur der Kommunikation, die schon kleine Kinder lernen: Lass mich doch mal ausreden!, schreit das eine Kind verzweifelt, wenn es einfach nicht „zu Wort kommt“. Beinahe täglich üben wir doch, dem Gegenüber möglichst Raum zu geben, aber auch uns selber hörbar zu machen. Oder andere wollen berücksichtigt werden, vielleicht spielt die Uhrzeit noch eine Rolle, oder der Inhalt der Rede. Es ist ein wahres Wunder, wie hier Schweigen verteilt wird, es schwingt immer mit zwischen uns und auch zwischen unseren eigenen Worten. Atemraum entsteht und wird irgendwie in einer gemeinsamen Bemühung erhalten.

Gibt es eine Möglichkeit, Schweigezeiten, Redezeiten wirklich zu genießen, neugierig auf die Erfahrung zu sein und zu bleiben und dabei zu wissen, welcher Wert in beidem liegt? Und dass beides geübt werden kann? Die Menschen möchten dort abgeholt und ernst genommen werden, wo sie sind. Wenn es uns gelänge, die vielen Ängste, die mit Schweigen, Stille und Sprechen verbunden sind, ernst zu nehmen, dann wäre schon viel gewonnen. Dann trauen sich vielleicht auch Menschen an die Segnungen von Meditation heran, die in der Stille von Themen heimgesucht werden, die sie ins Laufen bringen. Adios, Sitzkissen!

Weitere Beiträge von Monika Winkelmann finden Sie hier.

Bilder © unsplash 

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
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