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Kriege. Unsere Geschichte ist geprägt von Kriegen. Gibt es eine spirituelle Erklärung für das Entstehen von Kriegen?

MoonHee beantwortet hier Fragen des alltäglichen Lebens oder Fragen, die ihr schon immer einmal stellen wolltet. In ihrem ersten Beitrag „Wie geht es dir heute? Danke, gut!“ findet ihr mehr Informationen dazu.

Antwort MoonHee:

Wie innen so außen. Der Mensch ist zerrissen. Er lebt in einer materiellen Welt und ist doch auch Geist. Er fühlt sich als Subjekt und behandelt sich zugleich als ein Objekt. Der Mensch ist das einzige Wesen, das sich selbst als ein Ding betrachten kann und betrachtet. Ersteres bezieht sich auf die positive Fähigkeit der Selbsterkenntnis und Letzteres auf die negative der Selbstentfremdung. In einer materiell ausgerichteten Gesellschaft überwiegt die Strategie der Selbstvermeidung. Das Einzige, was zählt, ist die Befriedigung materieller Bedürfnisse und Ansprüche. Hierzu gehören Statussymbole, Leistungsorientierung, Effizienz- und Konkurrenzdenken. Der Zwang nach materiellem Wachstum hat eine nihilistische und gleichgültige Haltung in der Welt gefördert. Der moderne Mensch ist innerlich leer. Tragischerweise wird diese innere Leere wiederum mit äußerlichem Wachstum bekämpft. Dies kommt dem Versuch gleich, Feuer mit Benzin zu löschen.

Kriege

Die Welt ist in Unfrieden, weil der Einzelne krankt. Er krankt am Mangel an sich SELBST und somit am Mangel an Liebe und Mitgefühl für andere. Das Resultat der Selbstentfremdung ist Unmenschlichkeit. Der Psychoanalytiker Erich Fromm erklärt: „Wenn es einem Menschen nicht geglückt ist, seine Energie auf sein höheres Selbst hin zu entfalten, lenkt er sie auf niedrigere Ziele.“1 Das hat die Trennung von Heiligem und Weltlichem zur Folge, und so handelt der Mensch in seinem weltlichen Tun ohne Liebe.2 Das Fehlen von Liebe, der Mangel an Einheit und Ganzheit zerstört die Integrität in uns. Der nicht integere oder selbstentfremdete Mensch zeichnet sich dadurch aus, dass er sich für Zwecke benutzen lässt und er selbst auch alle anderen für seine Zwecke funktionalisiert. Fromm spricht von der modernen Gesellschaft als einer Warengesellschaft, in der die vorherrschende Orientierung die Marketingorientierung ist. In dieser hat alles und jeder einen Tausch- und Gebrauchswert. Der Marketingmensch ist Verkäufer und Ware zugleich. Da die Nachfrage Angebot und Preis bestimmt, gilt das Motto: „Ich bin so, wie ihr mich wünscht.“3 Indem er unbedingt gefallen will und muss, wird er vollkommen austausch- und auswechselbar, schlimmer noch – er wird emotional erpressbar. Denn werthaft ist das, was erfolgreich ist. Konkurrenzkampf und ständige Versagensängste führen zu Unausgeglichenheit und mehren innere Spannungen und Unfrieden. Die Auswirkungen davon sind der Verlust von Vertrauen in das Gute und in die Gerechtigkeit, die sich in einer gelebten Gleichgültigkeit sich selbst und anderen gegenüber äußern. Ausgang der Marketingorientierung ist die oben genannte innere Leere, denn der Marketingcharakter liebt und hasst nicht.4 Liebe ist für ihn nur ein Objekt, ein Mittel zum Zweck.

Doch ohne Liebe keinen Frieden und ohne Frieden keine Liebe. Frieden und Liebe sind identisch. Frieden ist keine äußerliche Sache – wir müssen ihn in unseren eigenen Herzen finden. Frieden im Herzen bedeutet, dass wir unser tiefstes Sein – welches Einheit ist – erkennen. Das kann nur geschehen, wenn wir aufhören, zu be- und zu verurteilen. Nur indem wir jegliche mentale Trennung und Ablehnung loslassen, kann das Herz seine Bestimmung erfüllen. Dann öffnet und weitet es sich, sodass alles und jeder darin Platz hat. Selbsterkenntnis, aufrichtige Selbstannahme und zugleich liebende Annahme des anderen – das ist wahrer und dauerhafter Frieden.

 

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Bilder Teaser und Text© Unsplash
Bild Header © Sigurd Döppel 


1 Erich Fromm Psychoanalyse und Religion 2008, S. 32.
2 Vgl. ebd., S. 50.
3 Erich Fromm Den Menschen verstehen. Psychoanalyse und Ethik 2014, S. 64.
4 Vgl. Erich Fromm Haben oder Sein 2001, S. 143. 

Dr. phil. MoonHee Fischer

Dr. phil. MoonHee Fischer

„Was eines ist, ist eines. Was nicht eines ist, ist ebenfalls eines.“ (Zhuangzi) Jenseits eines dualistischen Denkens, im Nichtgeist, gibt es weder das Eine noch ein Anderes. Wo das Eine sich von einem Zweiten abgrenzt, ist keine Einheit, sondern Zweiheit. Die Erfah-rung des Einen – ich bin al...
Kommentare  
# Susanne Prieß 2023-07-27 13:22
Danke für den Artikel! Der Inhalt spricht mir aus der Seele. Mit 21 Jahren hab ich "Sein und Haben" gelesen. Jetzt bin ich 71. Da schließt sich ein Kreis.
Mit herzlichen Grüßen Susanne Prieß
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