Wenn dies ein Appell an unsere Ausdauer sein soll, dann bin ich einverstanden. Die Ausdauer, den guten oder heilsamen aufgenommenen Faden immer wieder neu aufzunehmen, um ihn weiter zu verweben und ein tragfähiges Netz herzustellen.
Das können und sollten wir üben und einander dazu ermutigen. Doch selbst unter den besten denkbaren Umständen kann es sein, dass wir einen Irrtum erkennen müssen, der Faden dünn und brüchig geworden ist oder dass gewichtigere Umstände uns eine andere Farbe, ein neues Muster nahelegen.
Die Metapher vom einmal eingeschlagenen Weg ist mir manchmal zu starr. Oft gibt es kaum noch Pfade, winzige Abzweigungen oder versteckte Treppen, die zu Umwegen einladen. Dabei sagt doch ein Sprichwort so treffsicher: „Umwege erhöhen die Ortskenntnis.“ Genau. Manchmal müssen wir die gerade Richtung aufgeben, sogar ein paar Schritte rückwärts oder zurück gehen, um uns die Sache aus einer anderen Perspektive anzuschauen oder um Luft zu holen, etwas zu überprüfen. Das Labyrinth als Symbol für den Lebensweg kommt mir in den Sinn – wie lebensecht, tänzerisch, organisch mutet es mich an! Wer einmal „A“ gesagt hat, muss noch lange nicht „B“ sagen, und nur ich stecke in meiner Haut und kann darüber Auskunft geben, wie ich mich fühle.
Ich glaube, das Leben besteht aus getroffenen Entscheidungen, aus einer Menge an unbewussten und bewussten Entscheidungen. Der spirituelle Weg, der viel damit zu tun hat, sich zu überlassen, einer „Höheren Macht“ oder den Geboten und Gelöbnissen, ist ein Weg völligen Aufgebens – oder anders gesagt des freiwilligen Fastens. Deshalb wundert es mich, wenn ich von Dharma-Studentinnen oder -studenten höre, man solle nicht aufgeben. Ja, was denn?
In Zeiten von Krieg – und wären die je vorüber gewesen – ist es geradezu geboten, über das so schwere „Aufgeben“ zu kontemplieren. Hätten wir vielleicht früher mit unserer Selbstgerechtigkeit aufhören sollen? Mit der festen Überzeugung, im Besitz der einzig festen Wahrheit zu sein, was ein Land braucht und tun soll? Es ist eigentlich eine Unverschämtheit, im wahrsten Wortsinn. Fahren wir doch erst einmal dorthin, lernen die Sprache, wenigstens ein bisschen, schließen wir Freundschaften. Um dann, nach Jahren vielleicht, eine Meinung zu haben.
Wir wissen dann eher, wie es sich VON INNEN anfühlt, mit so einer Geschichte, in solch einem Kulturraum, zu leben. Daran zu arbeiten, an Empathiefähigkeit und Freundschaft, und dieses edle Vorhaben niemals aufzugeben, wenn die Enttäuschungen auftreten – und sie werden auftreten: Dies halte ich für ein Rezept der Friedenspflege.
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