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Von meiner Freundin, die gerade noch schwanger ist, während ich diese Zeilen schreibe, habe ich gelernt: Manchmal sollte man schweigen. Doch nach einer angemessenen Frist kann man der Freude freien Lauf lassen.

Vor Kurzem habe ich einen Artikel von einer jungen Frau gelesen, die sehr darunter gelitten hat, dass sie in den ersten drei Monaten ihrer Schwangerschaft nicht darüber sprechen durfte. Na ja, gedurft hätte sie, aber sie ist diesem mehr oder weniger ungeschriebenen Gesetz gefolgt, dass man besser schweigen sollte, wenn man ein Baby erwartet. Weil ja immer noch etwas passieren kann und man dann ... ja was eigentlich? Mitgefühl erleben darf? Traurigkeit öffentlich wird? Ein Gefühl des Scheiterns hat? Diese junge Frau hat sich durch diese Schweigeprägung in so viele unangenehme Situationen gebracht, weil sie verschiedene, völlig normale Bedürfnisse einfach verschleiern musste. Und auch wenn ich selbst diese Erfahrung nie gemacht habe, dachte ich mir: Das ist nicht gesund.

Meine Freundin hatte auch diesen Antrieb, doch glücklicherweise konnte sie mir gegenüber diesen Vorsatz nicht umsetzen. Mir wäre auch ohne Hinweis aufgefallen, dass sie mich bei der Begrüßung nicht in die Höhe gehoben oder sich plötzlich ein alkoholfreies Bier bestellt hätte. Das wäre ein absolutes No-Go gewesen, und natürlich wäre mir eine Schwangerschaft als Erstes eingefallen. Trotz aller Abneigungen, die im Vorfeld sehr gut argumentiert waren. Wenn man heiratet, gehört das bis zu einem gewissen Alter zum Erwartungsgepäck, zu dem man „Ja“ sagt.

Ich persönlich habe das bislang ja sehr gut vermeiden können, weil ich in der glücklichen Lage war, drei Kinder quasi geschenkt zu bekommen und sie begleiten zu dürfen. Zu ihnen habe ich „Ja“ gesagt, ohne irgendwelche externen Erwartungen erfüllen zu müssen. Etwa dass sie meiner biologischen Ausstattung zu entsprechen oder meine Träume zu erfüllen hätten. Die einzige Erwartung, die ich für mich selbst erfüllen wollte, war, ihnen Lust aufs Leben zu machen, ihre Talente anzuerkennen und die Hoffnung zu nähren, dass immer etwas Aufregendes passieren kann, das man als Geschenk betrachten darf.

Inzwischen sind sie erwachsen und leben ihre eigenen Varianten von Lebenslust, Talentemanagement und Zukunftshoffnung. Darin sind wir nach wie vor verbunden, haben einander viel zu erzählen und zu teilen. Und wie sich herausgestellt hat, gibt es auch jede Menge Menschen in fortgeschrittenem Alter, die genau das hegen und pflegen oder es zumindest wollen. Weil es dafür nämlich nie zu spät ist. Für gar nichts. Man kann jeden Tag durchs Wohnzimmer tanzen, sich in Kalligrafie stürzen und Müll einsammeln, den andere achtlos weggeworfen haben. Und man kann sich verlieben.

Und gerade die Liebe eröffnet im fortgeschrittenen Alter völlig neue Perspektiven. Denn wenn sie auftaucht, wird es zuerst einmal unangenehm. Da gibt es nichts zu beschönigen. Da kommen die alten Dämonen aus den noch älteren Kisten gekrochen und halten uns uralte Bilder vor Augen, auf denen die Beteiligten in einer Art und Weise agierten, wie sie es nicht besser wussten. Und auch wenn unser Gehirn darauf ausgerichtet ist, dass es am Ende doch mehr positive als negative Erfahrungen speichert, interessiert das die Dämonen im Angesicht der Liebe relativ wenig. Da wird herumgestochert in alten Wunden und Prägungen, und es ist meist nicht verwunderlich, dass es manche und mancher dann einfach lieber sein lässt mit der Liebe. Oder sich mit etwas zufriedengibt, was die Oberfläche bedient, aber nie zu den sensorischen Rezeptoren durchdringt, geschweige denn zu den Blutbahnen, die uns mit Leben versorgen. Das kann funktionieren, wenn man seine Erwartungen limitiert. Doch die Frage ist: Bedeutet das Lebenslust?

schweigen

Die Lebenslust hat sehr viel mit Liebe zu tun, vor allem mit der Liebe für das Leben und alles, was es mit sich bringen kann. Sie hat auch viel damit zu tun, dass man sich genau diesem Leben öffnet und neugierig auf die Wege ist, die es nehmen kann. Denn neue Wege zu beschreiten, geht nur mit Liebe. Angst ist ein schlechter Begleiter und führt nie weiter als bis zur Kreuzung. Steht dort auch noch eine Bank, auf der man es sich gemütlich machen kann, wird das Leben zäh. Und in meiner Welt ist Leben nie zäh – und schon gar nicht die Liebe.

Natürlich muss am Anfang die Liebe zu sich selbst stehen, das, was uns ausmacht und zu dem wir stehen können. Denn nur wenn wir einen soliden Stand haben, trotzen wir auch Stürmen. Und wir lernen dabei den Unterschied zwischen einem warmen und einem kalten Sturm. Wer lange oder immer wieder dem Nordwind ausgesetzt war, lernt, einen warmen Wind zu schätzen. Vor allem im fortgeschrittenen Alter. Da weiß man im Idealfall, dass man jahrzehntelang einem falschen Konzept gefolgt ist. Dass man aus Neugier den falschen Menschen nachgelaufen ist. Sich ihnen vielleicht sogar angepasst und sich selbst dabei ein Stück weit verloren hat.

Und dann begegnet man einem Menschen, bei dem plötzlich wieder alles da ist. Bei dem alles, was man ist, richtig ist, weil er nicht mehr will oder braucht. Weil es wichtiger ist, was und wer man ist, als das, was man tut. Weil eben alles schon da ist, was die Liebe braucht. Und die Liebe braucht nicht mehr als sich selbst. Und Lebenslust. Und Hoffnung. Keine Kämpfe, keine Spiele, keine Diskussionen. Ein Blick genügt, um die Welt als einen besseren Ort zu erleben. Doch gerade wenn man älter ist, gibt es immer wieder diese Momente, wo man bezweifelt, dass es so etwas geben kann. Und da braucht es Vertrauen, dass man Liebe immer verdient – ob mit fünfzehn, 42 oder 56. Sich drei Monate Zeit zu geben und dieses Vertrauen atmen zu lassen, gerade wenn man von Anfang an wusste, dass man einem atemberaubenden Menschen begegnet ist, habe ich gebraucht. Mich einzufinden in die Tatsache, dass ich etwas geschenkt bekommen habe, was nicht auf meinem Zettel stand. Wofür ich noch nicht einmal einen Zettel hatte. Und das vereint mich mit meiner Freundin. Wir sind beschenkt mit etwas Größerem, als es unsere Fantasie gebären hätte können. Es wird eine wunderbare Reise.

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Bilder © Pixabay

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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