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Mich beschäftigt derzeit sehr, dass Diktatoren ihre Bürger knechten und offensichtlich immer größere wirtschaftliche und politische Macht erlangen, Kriege führen und demokratische Kräfte dabei ins Hintertreffen geraten. Jedenfalls hat es für mich den Anschein. Das „Böse“ überwiegt, so hat man den Eindruck.

Dass Diktatoren sich anmaßen, Menschen zu unterdrücken – wer gibt ihnen das Recht dazu, und warum kann dieses System immer wieder durchdringen bzw. Bestand haben? Warum können diese Kräfte so übermächtig werden, und warum kann das „Gute“ nicht durchdringen? Wann folgt die „Erlösung“?

Antwort MoonHee:

Gutes wird durch Gutes erreicht, und Finsternis wird durch Licht vertrieben. 

Dunkle und schwere Zeiten hat es immer gegeben und wird es auch weiterhin geben, solange wir uns statt dem Licht dem Dunklen zuwenden und glauben, dass wir das Schlechte mit Schlechtem bekämpfen könnten. Doch wie kann es Licht werden, wenn wir uns immer weiter auf das Dunkle fokussieren und es immerzu vermehren?

Irgendwie vermag der erwachsene Mensch diese einfache Tatsache nicht zu sehen oder zu verstehen. Selbst Kinder sehen ein, dass Frieden und Glück nicht durch Gewalt und Hass erreicht werden können. Tragischerweise scheint auf dem Weg des Erwachsenwerdens das intuitive und universelle Wissen von der Einen Menschheit verloren zu gehen oder schlimmer noch – das Interesse an ihr schwindet. Aus kindlicher Leichtigkeit und Freude werden Profitdenken und Genusssucht, Freundschaften wandeln sich in Nutzbekanntschaften, und aus einem Wir wird ein Ich. In der Welt der Erwachsenen regiert der Kopf, und aus Leben wird Mühe und Arbeit. Herzensangelegenheiten und Gefühle sind nur noch Privatsache und ganz bestimmten Menschen vorbehalten. Selbst der grausamste Mensch, der anderen Gewalt antut, liebt scheinbar seine engsten Familienmitglieder. Ebenso wird Sensibilität mit Empfindlichkeit verwechselt.

Der Mensch ist ein in sich zerrissenes und widersprüchliches Wesen. Er sehnt sich nach Freiheit, Liebe und Einheit, und dennoch kann oder will er den Käfig seiner Ich-Sucht nicht verlassen. Weil er sich als Gefangener der Welt, der Gesellschaft oder des Systems empfindet, erkennt er nicht, dass er Gefangener seiner eigenen Triebe, Ängste und Ich-Zentriertheit ist. In seiner Ich-Verblendung ist er der Gute und die anderen sind die Bösen. Somit hat er das Recht, zu wollen und zu nehmen. Rechte sind aber nur insofern legitim, als sie für alle gleich gelten. In einer friedvollen und gleichwertigen Gesellschaft gilt: „Gleiches Recht für alle.“ Hier liegt das Problem. Denn gleiches Recht für alle bedeutet in letzter Konsequenz: vollkommene Toleranz und Akzeptanz von anderen Meinungen, von anderen Lebensstilen und anderen Sitten. Gleichheit setzt absolute Offenheit und Einheit voraus. Ist beides jedoch vorhanden, dann erübrigt sich die Frage nach Recht und Rechtsprechung. Denn dort, wo Einheit herrscht, gibt es keine Zweiheit, im Sinne von Spaltung und Trennung.

Der Mensch des Einklangs weiß: Ich bin der andere, und der andere bin ich. Der friedvolle und spirituelle Mensch identifiziert sich mit ALLEN Wesen. Wahre Einheit schließt das Gute wie das Schlechte gleichermaßen mit ein. Im Buddhismus hat alles Buddha-Natur. Der Heilige sowie auch der größte Sünder sind wesentlich eins. Die Erhöhung des einen und die Erniedrigung des anderen stört den Frieden bzw. die universelle Einheit in uns.

Alle Unterschiede sind Ich-gemacht. Sie sind nichts anderes als mentale Konstrukte eines trennenden Ichs. Wir halten sie deshalb für Wirklichkeit, weil das Ich uns vorgaukelt, dass Verschiedenheit Unterschiedenheit sei, da das Ich nur aufgrund von Trennung und Absonderung existieren kann. Da es in der Natur des Ichs liegt, sein zu wollen und nicht nicht zu sein, bedeutet Ich immer ein Kampf auf Leben und Tod. Je stärker das Ich, desto größer die Furcht, zu wenig zu sein und zu wenig zu haben. Konkurrenten und Widersacher werden durch Unterdrückung und Gewalt kleingehalten oder sogar eliminiert. Diese Tatsache macht uns wütend und hilflos zugleich. Das, was sich jedoch weltpolitisch im Großen abspielt und erschreckenderweise in der Menschheitsgeschichte immer wiederholt, sind das Spiegelbild und die Summe des Kleinen und des Einzelnen. Jedes einzelne Dasein und Bewusstsein formen das kollektive. Alles Große hat nicht nur seinen Anfang im Kleinen, es besteht auch aus dem Kleinen. Ob uns das gefällt oder nicht, wir alle sind Teilnehmer am und Verursacher des Weltgeschehens. Dinge geschehen nicht von ungefähr.

Wie kann die Welt gut sein, wenn wir es nicht einmal schaffen, zu uns selbst gut zu sein? Wie kann es Frieden in der Welt geben, wenn wir im Kleinen Krieg führen? Wie können wir das Böse überwinden, wenn wir am Falschen und am Kämpfen festhalten? Hier greift das kluge Sprichwort: „Selbsterkenntnis ist der beste Weg zur Besserung.“ Oder wie der persische Mystiker und Dichter Maulana Rumi sagt: „Gestern war ich klug und wollte die Welt verändern. Heute bin ich weise und möchte mich verändern.“

Ein Ausweg ist immer gegeben. Die Tür unseres Käfigs ist offen. Die Wahl, sie zu durchschreiten oder nicht, liegt nicht bei den anderen, sondern ganz bei uns selbst. Das Böse hat keine Substanz an sich; es ist der Mangel am Selbst, das Ego, welches sich irrtümlicherweise als etwas von seiner Umwelt Getrenntes wahrnimmt. Die Erlösung von Bösem und Schlechtem geschieht einzig und alleine durch Verbundenheit und Einheit. Denn ohne Unterscheidung und Trennung kein Ich und ohne Ich keine Probleme, wie man im Zen sagt. Der Ich-lose Weg beginnt immer bei uns selbst und mündet in einem universellen Wir. Im Innehalten und Aufgeben jeglichen Kämpfens werden wir uns unserer ursprünglichen All-Einheit wieder bewusst. Indem wir unsere eigene Knechtschaft erkennen und uns aus unserem Ich-Gefängnis befreien, das heißt jegliche Trennung überwinden, retten wir die Welt – vor uns selbst, vor falschen Führern und Ansichten. Denn Einsseins ist Allessein. Dies wird aber erst dann möglich sein, wenn wir nicht mehr dem nachgehen und uns auf das fokussieren, was in unserer Gesellschaft falsch und schiefläuft, sondern indem wir unser Augenmerk darauf richten, was wir Gutes bewirken können. Alles andere ist ein Schrecken ohne Ende.

Weitere Fragen & Antworten von MoonHee Fischer finden Sie hier.

Sie haben eine Frage? Schreiben Sie an m.fischer@ursachewirkung.com

Bilder Teaser und Text© Unsplash

Bild Header © Sigurd Döppel

Dr. phil. MoonHee Fischer

Dr. phil. MoonHee Fischer

„Was eines ist, ist eines. Was nicht eines ist, ist ebenfalls eines.“ (Zhuangzi) Jenseits eines dualistischen Denkens, im Nichtgeist, gibt es weder das Eine noch ein Anderes. Wo das Eine sich von einem Zweiten abgrenzt, ist keine Einheit, sondern Zweiheit. Die Erfah-rung des Einen – ich bin al...
Kommentare  
# Sigrid H. 2022-04-26 11:32
Vielen Dank für Ihre Erläuterungen!
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