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Das Herz ist schwer in diesen Tagen. Allein die Möglichkeit, dass ein Krieg so nah ist und noch viel näher kommen könnte, ist für mich vollkommen unbegreiflich.

Ich bin aufgewachsen mit Eltern, die als Kinder die Schrecken des Zweiten Weltkrieges erlebt haben, die Mutter musste mit elf Jahren allein nach Schweden fliehen, der Vater wurde in den letzten Zügen des Zweiten Weltkrieges, direkt nach seinem 18. Geburtstag, aus der Klosterschule, in der er Priesteranwärter war, als Versorgungsfahrer eingezogen, wurde gefangen genommen und kam in Marokko fünf Jahre lang in ein Gefangenenlager.

In der Schule und im Familien- und Freundeskreis gab es für die Zukunft nur eine klare Ansage: Nie wieder Krieg! Als Jugendliche war es für mich selbstverständlich, dass ich gegen den Kriegs- und Wehrdienst demonstriert habe. Der Kalte Krieg war immer als eine Bedrohung gegenwärtig.
Der Kalte Krieg ist lang vorbei. Umso erschreckender ist es, dass er nicht durch Frieden abgelöst wurde, sondern durch tatsächliche Kriegshandlungen. Die Idee eines einzelnen Menschen, der denkt, er sei im Recht, kann dazu führen, dass die Welt auseinanderfliegt.
Jeder Krieg ist schlimm, ein Unrecht an Wesen. Kein Krieg ist akzeptabel oder durch irgendetwas zu rechtfertigen. Dabei ist es ganz egal, wer gegen wen Kriegt führt. Es gibt keinen legitimen, wie auch immer gearteten Grund, einen Krieg zu beginnen. Trotzdem werden Kriege begonnen und gerechtfertigt. Wenn früher die Bedrohung durch einen Krieg einzelne Länder oder Reiche betraf, so betrifft die Gefahr heute die ganze Welt. Dass nur ein, zwei Männer den Befehl geben müssten, auf einen Knopf zu drücken und die Erde wäre zerstört, das ist eine neue Dimension der Bedrohung – und die geht uns alle an. Alle Menschen weltweit.
Natürlich sehe und höre ich, was geschieht, und versuche, ohne Amok zu laufen zu akzeptieren, dass es in diesem Samsara nun einmal Menschen gibt, die für ihr eigenes Interesse viele andere Wesen töten und leiden lassen. Es stellt sich kein Verstehen ein. Umso wichtiger erscheint es mir, Frieden im eigenen Herzen zu üben.
Snp 4.15
Gewalt zeugt Schrecken:
seht die Menge hier im Kampf!
Von der Erschütterung will sprechen ich,
wie sie empfunden ward von mir.

Erzittern sah ich dieses Volk,
den Fischen gleich, wenn seicht ist das Gewässer.
Einander sich bedrängen sah ich sie,—
da hat mich Schrecken heimgesucht.

Dies sind die Anfangsverse eines Sutta aus dem Suttanipata, in dem Buddha berichtet, wie er die Welt erlebt hat, bevor er sich dazu entschloss, ein Leben als Asket zu führen. Auch zur Zeit von Buddha gab es Kriege um Hoheitsgebiete, Ansprüche von Herrschern auf Länder, Hunger nach Macht, Herrschsucht, alte Regenten, die eher ihre jungen Menschen in Tod, Verzweiflung, Krieg und Hunger aussetzen, als von ihrem Wahn Abstand zu nehmen, dass sie die Macht und das Recht haben. Vor der Zeit von Buddha wird es so gewesen sein, jetzt ist es so, und wenn wir nicht lernen, dann wird es auch weiterhin so sein.
Im Sutta MN 13 (Die längere Lehrrede über die Masse von Leidhaftigkeit) nennt Buddha sehr klar den Auslöser für Streit und Krieg: Sinnesvergnügen. Diese sind insbesondere deshalb Auslöser, weil man nicht ihre billige Befriedigung, ihre Gefahr und kein Entkommen aus ihnen erkennt. Warum erkennen wir dies nicht? Weil wir von Gier, Hass und Verblendung getrieben sind und deshalb die Dinge nicht sehen, wie sie wirklich sind, mit Weisheit, der Wirklichkeit gemäß.
Gibt es denn ein Entkommen? Gibt es einen Ausweg aus Unfrieden, Krieg und Streit? Wie können wir – im Großen oder im Kleinen – vermeiden, dass wir Unfrieden schaffen, für andere Wesen oder für uns selbst? Gibt es einen Weg, Frieden zu schaffen für uns selbst und für andere? Wie findet man Frieden in Kriegszeiten?
Buddha hat in seinen Lehrreden ein Entkommen gelehrt, er hat den Weg gezeigt, wir können die Anweisungen und Anregungen in den Sutten finden. Doch Buddha zeigt uns nur den Weg. Wir sind die, die den Weg zum Frieden gehen – oder auch nicht.
Die Zeit und der Ort, an dem wir mit Sicherheit etwas für den Frieden tun können, ist hier, wo immer wir jetzt sind. In jedem Moment und mit jedem Atemzug, egal, wo wir sind – ob auf unserem Meditationskissen, in der Küche, auf der Arbeit oder auf einer Friedensdemo –, wir können uns daran erinnern, dass Frieden in unseren Herzen beginnt. Wenn nicht bei uns, wenn nicht jetzt, wann sonst könnte Frieden beginnen? Auf Frieden von außen können wir uns nicht verlassen, denn der ist wie alles andere, anicca, dukkha und anattā, vergänglich, leidhaft und unkontrollierbar. Wenn wir erwarten, dass Frieden woanders oder zu einer anderen Zeit beginnt, werden uns die Charakteristiken der Unkontrollierbarkeit und der Leidhaftigkeit nur noch klarer und härter klargemacht werden, wenn die Realität mit voller Wucht auf uns trifft.
Wo können wir beginnen?
Einen ersten Hinweis zu Antworten auf diese Fragen erhalten wir in den einfachen, aber einleuchtenden Versen des Dhammapada:
Dhp. 129 -130
Ach, alle zittern vor dem Stock,
ach, alle fürchten sich vorm Tod,—
fühlt man das Gleiche in sich selbst,
nicht töten möge man, nicht schlachten.
Ach, alle zittern vor dem Stock,
ach, allen ist das Leben lieb,—
fühlt man das Gleiche in sich selbst,
nicht töten möge man, nicht schlachten.
Das heißt, wir können damit beginnen, unsere Einstellung zu verändern. Unsere fatale Fehleinschätzung „Ich habe recht“, die sich oft schnell und unbemerkt in unseren Denkprozess einschleicht, ist eine Stelle, an der wir mit der Arbeit für den Frieden beginnen können.
Auch ich, eine Nonne und überzeugte harmlose Pazifistin, habe mich schon bei dem Gedanken ertappt, dass ich einem Politiker oder Herrscher gern mal sagen möchte, was er tun soll: Frieden halten, die Menschen fördern, Gemeinsamkeiten suchen, gute Lebensbedingungenschaffen, inklusive Umweltschutz und so weiter. Hinter diesem Gedanken steckt die Idee, dass ich natürlich recht habe, und daraus folgt, dass es genauso gemacht werden muss, wie ich es denke, nur dann wäre es gut. Und schon bin ich mittendrin, im Tumult, schon verhalte ich mich, wenn auch im Kleinen, wie Diktatoren sich verhalten, wenn sie ihrem und anderen Völkern ihren Willen aufzwingen wollen. Das Problem dabei ist ja nicht, dass ich denke, Politik sollte für Frieden und das Wohl der Wesen gemacht werden. Einzig die Einstellung „Ich habe recht“, die damit verbundene Trennung von „Ich bin die Gute, die, die weiß wo’s langgeht“, die ist Ursache für Unfrieden und Konflikt.
Also, Einstellung ändern. Das Kämpfen und das Unterdrücken, das Zwingen und Herrschen schon bei uns selbst aus dem Gemüt, aus dem Denken, Sprechen und Handeln verbannen.
Das lässt etwas in uns entstehen, das auf Pali „ahiṃsa“ heißt, auf Deutsch etwa „Harmlosigkeit“. Harmlosigkeit. So ein unscheinbares Wort macht einen großen Unterschied.
Angulimāla war ein Serienmörder – er wollte nach 999 bereits getöteten Menschen auch noch den Buddha töten. Als er den Buddha sah und der Buddha sagte: „Ich habe angehalten, Angulimala, jetzt ist es an dir anzuhalten.“, in dem Moment verstand Angulimāla, dass nicht schnelles oder langsames Gehen oder stehenbleiben gemeint war, sondern das Anhalten von allem, was zur Gewalt und zum Unfrieden führt. Er warf seine Waffen fort und wurde Ahiṃsaka, der Harmlose, der Gewaltfreie, und nicht lange danach einer der Arahants. Nachzulesen in MN 86.
Auch wenn man nicht nach Arahantschaft strebt, also nach der völligen Befreiung von Leid, der Heiligkeit, selbst wenn man nichts weiter als Ruhe, Wohlsein und ein besseres Leben anstrebt, ist das Umdenken, die Veränderung der Einstellung, eine der ersten und grundlegendsten Übungen für den Frieden. Das Verändern der Einstellung kann oft und überall geübt werden, bei jedem Atemzug und bei jedem Schritt. Für die Praxis im Alltag können wir mit Affirmationen oder Mantras üben. Beim Einatmen denken wir: „Ich atme sanft ein.“ Beim Ausatmen denken wir: „Ich atme friedvoll aus.“ Dies kann in der Meditation im Sitzen so praktiziert werden, genauso wie in einer Situation, in der wir Druck, Stress oder etwas Unheilsamen ausgesetzt sind.
Beim Gehen kann der Fokus auf den Fuß gebracht werden, der sich vom Boden hebt und wieder auf den Boden aufsetzt. In der Gehmeditation – wenn wir langsam gehen, können wir bei jedem Aufsetzen des Fußes denken: „Voller Frieden berühre ich die Erde.“ Dabei können wir sogar noch weitergehen und uns vorstellen, wie wir zwischen den Schritten, wenn beide Füße den Boden berühren, die Kraft und den Segen des Friedens mit den Wesen, die diese Erde bevölkern, teilen, und wie wir Kraft und Segen für den nächsten Schritt von dieser Erde erhalten. Wenn wir schneller gehen – im Alltag schaffen wir wahrscheinlich nicht mehr, als uns bei jedem Schritt zu erinnern: „friedvoll“, „harmlos“ oder „sanft, sanft, sanft“. Dies ist einerseits eine Übung der Konzentration, zur selben Zeit aber, wenn wir schaffen diese Worte wirklich zu denken, legen wir uns eine Herzensneigung damit an und der Geist wird sich nach einer Weile gewohnheitsmäßig dem Friedvollen, Harmlosen oder Sanften zuwenden.
Es gibt noch einige weitere Sutten, die inspirieren und Frieden als eindeutige Richtung haben. Im MN 21, dem Gleichnis von der Säge, sagt Buddha, dass wir ein Gemüt voller Liebender Güte entwickeln sollen, sogar auch dann, wenn andere uns Schaden zufügen. Das geht sogar so weit, dass wir seine Lehre nicht ausüben, wenn wir ärgerlich werden, anstatt Liebende Güte, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut zu entwickeln.
Im Sutta heißt es: „Unser Herz wird unbeeinträchtigt bleiben, und wir werden keine bösen Worte äußern; wir werden in Mitgefühl für ihr Wohlergehen verweilen, mit einem Herzen voll Liebender Güte, ohne inneren Hass. Wir werden verweilen, indem wir jene Person mit einem raumgleichen Gemüt durchdringen, das von Liebender Güte durchtränkt ist; und mit ihr als Objekt werden wir verweilen, indem wir die allumfassende Welt mit einem raumgleichen Gemüt durchdringen, das von Liebender Güte durchtränkt ist, unerschöpflich, erhaben, unermesslich, ohne Feindseligkeit und ohne Übelwollen.‘ Auf solche Weise solltet ihr euch üben.“
MN 28, gibt weitere Anleitung: „Nun kommt einmal die Zeit, in der das äußere Erdelement in Unordnung gerät, und dann verschwindet das äußere Erdelement. Wenn sogar dieses äußere Erdelement, groß wie es auch ist, als vergänglich gesehen wird, als der Vernichtung, dem Verschwinden und der Veränderung unterworfen, um wieviel mehr dann dieser Körper, an dem durch Begehren angehaftet wird und der nur kurze Zeit überdauert? Jenes kann nicht als ,Ich‘ oder ,Mein‘ oder ,Ich bin‘ betrachtet werden.“
„Wenn nun also andere einen Bhikkhu, der das so der Wirklichkeit entsprechend sieht, beleidigen, verunglimpfen, schelten und belästigen, versteht er folgendermaßen: ,Dieses schmerzhafte Gefühl, das aus Hörkontakt geboren ist, ist in mir entstanden. Jenes ist bedingt, nicht unbedingt. Wodurch bedingt? Bedingt durch Kontakt.‘ Dann sieht er, daß Kontakt vergänglich ist, daß Gefühl vergänglich ist, daß Wahrnehmung vergänglich ist, daß Gestaltungen vergänglich sind und daß Bewußtsein vergänglich ist. Und sein Herz, das in diesem Element eine Stütze findet, dringt vorwärts und erwirbt Zuversicht, Beständigkeit und Entschlossenheit.“
„Wenn nun andere jenen Bhikkhu auf eine Weise angreifen, die unerwünscht, nicht begehrt und unangenehm ist, wobei er mit Fäusten, Erdklumpen, Stöcken oder Messern in Kontakt kommt, versteht er folgendermaßen: ,Dieser Körper ist von solcher Natur, daß Kontakt mit Fäusten, Erdklumpen, Stöcken oder Messern auf ihn zukommt. Aber dies wurde vom Erhabenen in seinem Ratschlag vom Gleichnis von der Säge gesagt: ›Ihr Bhikkhus, sogar wenn Banditen euch barbarisch Glied für Glied mit einer Doppelgriffsäge in Stücke teilen würden, würde derjenige, der einen verdorbenen Geist ihnen gegenüber entstehen ließe, meine Lehre nicht befolgen.‹ Also soll unerschöpfliche Energie in mir hervorgebracht werden, und ununterbrochene Achtsamkeit soll gegenwärtig sein, mein Körper soll still und unbeschwert sein, mein Herz soll konzentriert und einspitzig sein. Und nun mag Kontakt mit Fäusten, Erdklumpen, Stöcken oder Messern auf diesen Körper zukommen; denn dies ist einfach nur das Befolgen der Lehre des Buddha.‘“
Wir dürfen weder von uns selbst noch von anderen erwarten, dass dies gleich so umgesetzt werden kann. Damit würde man sich überfordern, überschätzen und schaden. Aber unsere Gedanken in diese Richtung zu lenken, unsere Einstellung auf solche Harmlosigkeit und Gewaltfreiheit auszurichten, das kann jeder. Jeder soweit wie möglich. Je mehr Menschen ihr Herz unerschütterlich auf Frieden ausrichten, desto mehr Frieden wird in dieser Welt sein. „Maybe I a dreamer, but I’m not the only one.“
Ich möchte euch herzlich einladen, Friedensnachrichten in Form von Videos, Audios, oder Texten auf der Seite Friedenstifter.jetzt zu veröffentlichen und für den Frieden in euren Herzen und für den Frieden in der Welt einzustehen.

KriegAyya Phalañāṇī

Dieser Beitrag ist Teil einer Sammlung an Statements buddhistischer Lehrerenden für den Frieden in der Ukraine.

Bild Ayya Phalañāṇī © Privat
Bild Header und Teaser © Unsplash

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