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Wenn das einzelne Leben nur dem Überleben der Art dient (siehe Ameisenstaat), welchen Wert hat es dann, dass die Art überlebt? Einfach nur zu überleben, kann doch kein Selbstzweck sein, oder?

Mögliche Antwort: Weil diese Art einer anderen als Nahrung dient. Wenn das so ist, dann verschiebt man das „Problem“ nur in einem endlosen Regress nach hinten. Der Grund meiner Frage: Es gibt auch Länder/Gesellschaften, in denen der Einzelne nicht zählt. Das Wohlergehen des Einzelnen ist unerheblich (China), solange das Kollektiv damit am Leben erhalten bleibt. Ein Kollektiv, in dem der Einzelne nicht zählt, ist meines Erachtens aber nicht wert, erhalten zu werden.

Antwort von MoonHee:

Lebewesen weisen, außer dass sie sich eine Weile selbst erhalten können, einen Stoffwechsel besitzen, sich fortpflanzen und entwicklungsfähig sind, zwei besondere Merkmale auf. Auf der einen Seite sind sie als ein Individuum ein in sich geschlossenes System und grenzen sich von anderen Individuen ab, und auf der anderen Seite sind sie offene Systeme, die mit ihrer Umwelt agieren und eine größere Einheit bilden. Lebewesen haben ein Innen- und Außenleben, die zueinander in Beziehung stehen. Im Innenleben laufen alle lebenserhaltenden Prozesse ab. Auf dieser Ebene kreist das Individuum um sich selbst und lebt selbstzentriert ein in sich geschlossenes Leben. Das Leben wird hier hauptsächlich mechanisch reguliert. Im Außenleben wird die Blackbox des Selbstzentrismus aufgebrochen, und das Individuum erfährt eine Öffnung zu einem größeren Ganzen.

Je nach Bewusstseinsstufe ist diese Öffnung nach außen kleiner oder größer. Aber auch umgekehrt gilt: Je größer die Offenheit, umso höher das Bewusstsein. Leben bedeutet Wechselwirkung: Je bewusster Leben ist, das heißt um seine Bewusstheit weiß, desto mehr Wechselwirkung gibt es. Das höchste Bewusstsein ist dort, wo die größte Wechselwirkung stattfindet. Abgesehen von dem eventuellen Glauben an eine transzendente Größe (Gott, Shiva, Allah etc.), scheint deshalb auch der Mensch das Lebewesen mit dem höchsten Bewusstsein in unserem Universum zu sein. Denn die größte Wechselwirkung ist dort, wo Ich und Du in ein gegenseitiges Wirken eingehen. Gegenseitigkeit impliziert Freiwilligkeit und Wirken Aktivität. Beides zusammen erheben das Ich und das Du in ein gemeinschaftliches Drittes. Ein Drittes, wie auch wahre Gemeinschaft, entstehen dann, wenn weder das eine noch das andere erhöht oder erniedrigt wird, sondern in seinem Eigenwert – gleichwertig – geschätzt werden. Ein Drittes kommt durch die Addition von eins (Ich) und zwei (Ich und Du) zustande. Zählt hingegen nur die Gemeinschaft als Kollektiv und nicht auch der Einzelne, dann ist das Ergebnis null. Denn eine Eins, die nichts wert ist, ist nicht.

Wenn das einzelne Leben nur dem Überleben der Art dient

Leben ist kein Selbstzweck. Alles Leben geht in einem größeren Verbund auf. Kein Lebewesen existiert für sich vollkommen isoliert. Das eine will zwei. Lebewesen nehmen Schmerzen in Kauf, um Leben zu geben und Leben zu erhalten. Andere ordnen sich um der Gemeinschaft willen unter, und manche opfern sogar ihr Leben für ein größeres Wohl. Leben ist nicht auf Leben fixiert. Zwar möchte sich Leben bestmöglich erfüllen, aber das Bestmögliche scheint einer höheren bzw. universellen Ordnung zu folgen. Da wir selbst ein Teil dieser Ordnung sind, können wir nicht wissen, wie das bestmögliche Leben für die jeweiligen anderen Daseinsstufen aussieht. Dass es aber eine solche umfassende Ordnung gibt, erkennen wir daran, dass es Gesetzmäßigkeiten und so etwas wie Schönheit und Harmonie in unserem Universum gibt. Des Weiteren streben wir Menschen nach dem Guten, wir suchen die Wahrheit und möchten unserem Leben Sinn verleihen. Die negativen Auswirkungen von Unordnung oder Disharmonie sind Entartung, Gewalt, Unmenschlichkeit und Unfrieden.

Alles Leben, ob klein oder groß, ob kurz oder lang, ordnet sich einem höheren Gut unter. Dieses höhere Gut ist das universelle Eine, aus dem alles Leben hervorgeht und zu dem alles Leben wieder zurückkehrt. Die Ordnung fungiert als ihre natürliche Mitte, die alles miteinander verbindet. In der Mitte und durch die Verbundenheit – alles mit allem – befindet sich alles an seinem Platz. Ist alles an seinem natürlichen Platz, ist alles in Ordnung. Ist alles in Ordnung bzw. in seiner Natürlichkeit, dann erfüllt sich Leben in seiner bestmöglichsten Weise. Im bestmöglichen Leben kommt jedem Lebewesen sein ganz eigener Wert zu. Ist das nicht so?

 

Gasshō
MoonHee Fischer

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Dr. phil. MoonHee Fischer

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„Was eines ist, ist eines. Was nicht eines ist, ist ebenfalls eines.“ (Zhuangzi) Jenseits eines dualistischen Denkens, im Nichtgeist, gibt es weder das Eine noch ein Anderes. Wo das Eine sich von einem Zweiten abgrenzt, ist keine Einheit, sondern Zweiheit. Die Erfah-rung des Einen – ich bin al...
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