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Für viele Menschen ist es außerordentlich beängstigend, dass nach dem Tod nichts von ihnen übrig bleiben könnte, ja, dass wir uns psychotisch auflösen könnten in einen Zustand jenseits unserer Bewusstseinskontrolle und auch jenseits des gewohnten Aufwachens am Morgen.

Würden wir an einem Morgen wirklich nicht mehr aufwachen, dann würde unser Leichnam früher oder später gefunden werden, die Post auf der Treppe würde sich stapeln, vielleicht wundert sich meine Schwester, wenn sie ein paar Tage hintereinander nichts von mir hören würde, oder nicht abgesagte Termine würden irgendwann zu einem Fragezeichen führen. Ich glaube, ich muss mich mal darum kümmern, DASS es jemanden gibt, dem das Fehlen meiner Energie auffällt. Da ich alleine lebe und weder Tochter noch Freunde noch Meditierende dauernd auf der Matte stehen, könnte es schon ein bisschen dauern, bis meine Tochter die Tür aufschließen würde. Die Arme! Nein, ich muss mich darum kümmern.

Also, da gäbe es nicht nichts, sondern eine Leiche und noch eine Menge Zeug, um das sich meine Angehörigen kümmern müssten. Man nennt es Haushaltsauflösung. Und gleichzeitig schreitet die Körperauflösung voran. Was bleibt von uns? Dass wir in den Erinnerungen unserer Kinder, Verwandten und allen, die wir zu berühren vermochten, weiterleben, ist mir klar. Diese Gewissheit ist einfach da, glaube ich. Wo es verloren gegangen ist, müssten wir es wiederherstellen. Ich wundere mich immer, dass ich Menschen sagen oder schreiben höre, sie wären bald vergessen nach ihrem Tod. Also erst einmal hängt es zum großen Teil von uns selbst ab, ob wir vergessen werden. Wenn wir Samen des Schönen und Guten in andere gepflanzt bzw. deren eigene Samen der Liebe begossen haben, dann werden sie sich gerne an uns erinnern. Und selbst, wenn sie sich nicht – mehr – bewusst erinnern, werden sie unsere Essenz doch in ihrem Blühen und Vergehen in sich tragen. Davon bin ich überzeugt. Der eine oder andere Ausspruch von uns wird überliefert werden, genauso, wie ich es mit meiner Schwester mache, wenn wir über unsere schon verstorbenen Verwandten sprechen. Wie lange? Auch das hängt von uns ab, nicht NUR von uns, aber auch. Wenn wir unsere Verstorbenen ehren, wird das bemerkt werden, und es wird die eine oder den anderen geben, der das nachahmen wird. Eines Tages suchte ich sehnsüchtig nach einer Ahnin, die eine Künstlerinnenseele hatte wie ich. Ich fühlte mich so alleine in meiner Familie, mit dieser immer stärker werdenden Seite einer erwachenden Künstlerin in mir. Ich wurde fündig. Urgroßmutter Fabian, ich erinnere mich nicht mehr an ihren Vornamen, war Künstlerin. Mit dem Unterschied zu mir, dass sie nicht für Geld arbeiten musste. Ich war in ihrer ehemaligen Villa, im heutigen Witnica (früher: Vietz), in Westpolen, an der Ostbahn, und ging die Stufen des Heimatmuseums hoch, das in ebenjener Villa eingerichtet worden war. Meine Urgroßmutter konnte Teppiche knüpfen, Häuser ausmalen und mehr. Ich glaube, sie freut sich, dass ich mich ihrer erinnere. Meiner Tochter muss ich unbedingt von ihr erzählen.

Thich Nhat Hanh

Thich Nhat Hanh, dieser wunderbare Lehrer, ging nun noch einen Schritt weiter.

Er lehrte uns in seiner unnachahmlichen Weise, wie unser Körper erstens aus allen fünf Elementen (das fünfte ist Raum) besteht, und zweitens, wie er in genau diese Bestandteile wieder zerfällt. So wie wir aufgrund dessen in den Bäumen und Blättern, in den Blumen, dem Wind, in Wolke und Teich vorhanden sein werden. Und da alles mit allem verbunden ist in einem Prozess des Inter-Seins, gibt es nichts, wird es nichts geben, in dem wir nicht auch vorhanden sein würden, genauso wie alle anderen Wesen auch. Was für eine entzückende Botschaft für die materialistischen Kinder dieser Erde! Zu denen ich uns selbst hinzuzählen möchte, uns scheinbar Erwachsene, mit einer unstillbaren Sehnsucht nach Sinn, Nähe, Trost, Geborgenheit und Zugehörigkeit.

„Leave no traces“ – Hinterlasse keine Spuren: Das mag die weiseste und bescheidenste Unterweisung sein, wie wir nach Auffassung der Zen-Lehre leben und sterben sollen. Die oben beschriebene Unterweisung des vietnamesischen Mönchs und Dichters Thich Nhat Hanh ist jedoch sicherlich die mitfühlendste, sagt mein inneres Kind.

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Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
Kommentare  
# Isolde Reisan 2022-02-10 17:35
Aus naturwissenschaftlicher Sicht ist die Botschaft von TNH nachvollziehbar und ja ich glaube daran, nein es ist für mich eine Gewißheit.
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