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Manchmal muss man für sich einstehen, gegen die allgemeine Meinung ankämpfen, zumindest sich nicht von ihr infizieren lassen. Dann eröffnet sich die Freiheit.

Treue Leserinnen und Leser wissen es längst: Südafrika ist mein Sehnsuchtsland. Und wie 2020 wollte ich natürlich auch 2021 dorthin reisen. 2020 kam mir zwei Tage vor der Buchung des Flugs Delta dazwischen, 2021 drei Tage danach Omikron. Da der Mensch aber ein lernendes Wesen ist, das durchaus 2 und 2 zusammenzählen kann, wenn er will, war diese Nachricht für mich jetzt vorerst nicht das Mega-Desaster. Was auch damit zusammenhängt, dass ich eine Fachkraft an meiner Seite hatte, die mit über achtzig Jahren immer noch Buchungen hin und her schiebt und das für ihr Leben gerne tut. „Wir warten ab, Frau Dabringer“, hieß es in unzähligen Mails, und es war tröstlich für mich, quasi einen Geduldscoach zu haben, der mit mir in dieselbe Richtung blickte. Und für den Fall der Fälle einen Plan B hatte. Um diese lange, manchmal zähe Geschichte kurz zu machen: Am 2. Januar saß ich im Flieger, am 19. wieder – Plan B konnte in die Tonne. Und ich fand mich mit Blumen beim Reisebüro-Urgestein ein, weil das das Mindeste war, was ich nach sechzehn wunderschönen Tagen zu geben hatte.

Seit meinem ersten Touchdown in Südafrika vor sieben Jahren hatte ich den Eindruck, dass schon der erste Atemzug auf diesem Kontinent meine zellularen Gegebenheiten verändert. Meine Augen, die von der vielen Bildschirmarbeit manchem zu geschwollen sind, gehen auf, auch wenn ich es wie dieses Mal nicht geschafft habe, mich in meinem Economy-Sitz so zu falten, dass auch nur ein Minimum an Schlaf möglich gewesen wäre. Mein Herz folgt, wenn ich die Freude der Menschen sehe, die aufgrund von Medienberichten in der nördlichen Hemisphäre sich fast vergessen fühlen und umso dankbarer sind, wenn jemand diesen Informationswall ignoriert.

Dabei habe ich ihn gar nicht ignoriert, vielmehr intensiv bestiegen. Und zwar an der Quelle. Ich hatte das Glück, eine Informationsadresse zu finden, die überaus objektiv und unaufgeregt die Erkenntnisse untersucht und bewertet hat. Und je länger ich diesem YouTube-Arzt zuhörte, umso sicherer wurde ich, dass es mir in Kapstadt gut gehen würde. Kurz vor meinem Abflug war es sogar so, dass ich mir dachte: „Eher werde ich daheim angesteckt als dort“, denn die Zahlen bei uns lagen um ein Vierfaches höher als am Kap. Natürlich gab es dort auch eine Maskenpflicht in geschlossenen Räumen, was bei Temperaturen über dreißig Grad schon eine Challenge ist. Und auch auf der Straße musste man eigentlich eine Maske tragen. Doch dort, wo das Beach House steht, konnte ich frei atmen. Und runterkommen von der Panikmache, der ich und wir alle seit über zwei Jahren ausgesetzt sind. Es war gar nicht so einfach, diese Prägung hinter sich zu lassen, denn schließlich haben die C-Scheißerchen in sämtlichen Lebensbereichen ihre Spuren hinterlassen. Gespräche ohne einschlägige Verweise waren praktisch nicht mehr möglich. Daran gewöhnt man sich, leider.

Entscheidung

Inzwischen habe ich es mir wieder abgewöhnt, weil es nämlich andere Dinge gibt, die überlegenswert sind. Und weil es überhaupt keinen Sinn ergibt, diesen Zustand seit 2020 zu bejammern. Es ist, wie es ist. Und wenn ich gestern einem deutschen Virologen zuhöre, der dafür plädiert, die ganze Misere als weitere Atemwegserkrankung zu klassifizieren und damit den Wind ein bisschen rauszunehmen aus dem Trubel, dann trifft das meine Stimmung, die ich mitgebracht habe. Kaum ein Restaurant oder Geschäft, das ich vor zwei Jahren das letzte Mal besucht hatte, war verschwunden. Sogar dieselben Menschen arbeiteten dort noch. Und was ich am meisten bewundere, seit ich vor sieben Jahren ein Township besucht habe: Es kann gar nicht so übel hergehen, dass man nicht singt, lacht, tanzt. Und genau das habe ich gebraucht.

Das Gefühl, mit etwas leben zu können, etwas akzeptieren zu können und trotzdem weitermachen und leben zu können. Ich war zwar ziemlich gut in den vergangenen Monaten, das meiste aus dem Zustand zu machen, doch gegen Ende des Jahres war ich – auch in Anbetracht des Todes meiner beiden Onkel innerhalb einer Woche – mit meiner Widerstandskraft am Ende. Entsprechend lange habe ich gebraucht, bis ich am grünen Strand, bei den Wellen, dem Wind und den Menschen angekommen war. Doch sie haben mir eine gute Schiene gelegt, mich zum Lachen gebracht, zu meiner Entspannung aktiv beigetragen. Ich wurde überschwemmt mit unbeschwerter Zuneigung, die sich zwar der Grenzen bewusst war, aber immer achtsam einen Schritt darüber hinaus ging. Freiheit war kein Konzept mehr, sondern wurde gelebt. Vielleicht nicht zu hundert Prozent, aber wer kann das schon von sich behaupten?

Mich frei zu fühlen, bei durchgelüftetem Kopf und prallem Herzen – das ist mir gelungen. Und dafür bin ich unglaublich dankbar. Ich bin auch sehr froh darüber, dass ich mich nicht habe kirre machen lassen durch Hinweise auf den Irrsinn einer Reise „ins Herz von Omikron“ oder ähnlichem Getöns. Manchmal muss man das tun, sich hinwegsetzen über den Mainstream, seine eigenen Regeln machen. Ich bin kein Adrenalinjunkie, bei weitem nicht. Doch ich bin sehr für das kalkulierte Risiko. Und wurde dafür überreichlich beschenkt.

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Bilder © Pixabay

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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