Die Zeiten, in denen Schönschreiben eine Tugend war und man dafür benotet wurde, sind vorbei.
Schade eigentlich, denke ich heute, es ist ein ästhetischer Genuss, schöne Handschriften zu sehen, und wir müssen nicht die Kunst der Kalligrafie erlernen – auch wenn diese zweifellos ihren Reiz hat –, um in die Welt des Genießens von Handschriften einzutauchen. Zwar wurden Unterschriften immer wieder gefälscht, aber wenn man die Fälschungen aufwendig untersuchen würde, vermute ich, dass zumindest Zweifel an der Echtheit der Signatur aufkämen. So sehr drücken wir uns selber aus im handgeschriebenen Wort. Wie schade, ganz außerordentlich schade ist es doch, dass diese Kunst im Verschwinden begriffen ist.
Was jedoch nie vergehen wird, ist das Empfinden für die innere Schönheit eines beliebigen Textes. Wir erleben einen Text als schön, nicht weil die verwendeten Metaphern leicht eingängig sind und unser Gemüt erfreuen, sondern deswegen, weil er stimmig ist. Natürlich gehören Dissonanzen dazu, unerhörte Vergleiche, ein Sprachduktus, wie ihn nur dieser oder jener Mitmensch einsetzen kann. Wobei ich nicht sicher bin, dass man einen Sprach- oder Schreibduktus einsetzen kann, muss man sich nicht ihm eher überlassen? Man überlässt sich, folgt seiner oder ihrer inneren Stimme, der Eingebung, und man öffnet sich für das, was ist. Die Offenheit wird geübt durch die Etablierung heilsamer Gruppenregeln, durch die ein Gefühl des Vertrauens, der Zugehörigkeit und der Wertschätzung aufgebaut werden kann.
Das Interessante ist, je mehr wir uns dem Schreibfluss überlassen, desto stimmiger werden unsere Texte. Sie erzeugen Wohlklang. Unsere Wahrheit über eine innere oder äußere Situation drückt sich aus. Ein schöner Text, sagen wir. Das hast du aber schön gesagt. Seelenberührungen haben stattgefunden.
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