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Teil I zu meiner ersten Pilgerfahrt schrieb ich in der vergangenen Woche. Mir ging es darum, andere zu inspirieren und zu ermutigen, auch dorthin oder in einen der anderen Orte zu fahren.

Ferner wollte ich darüber informieren, dass man weder eigene passende Kleidung noch Masken noch Arbeitsgeräte mitbringen muss, dass für genügend Wasser gesorgt ist und dass man wahrscheinlich sogar etwas zu essen bekommen kann. Ich glaube nicht, dass sich die Situation maßgeblich verändert haben wird, sodass davon auszugehen ist, dass immer noch vom Parkplatz HARIBO aus Shuttlebusse fahren, dass jemand für die Koordination der Arbeitsmaßnahmen und Helfer*innen verantwortlich ist und dass man auch ohne Plan nach Bad Neuenahr fahren kann, sofern man kreativ, flexibel und offen ist und man sich keine Illusionen macht. So oder so werden wir großem Leid begegnen, auf verschiedenen Ebenen, und man wird lange sowohl Zuhörer*innen als auch beherzte Menschen zum Anpacken und vielleicht auch Mitdenken und Sortieren gebrauchen. Wie aber begegnen wir großem Leid in uns selbst, bei unseren Mitmenschen, unseren Mitwesen? Wir öffnen unser Herz für all die Ausdrucksformen, all die Erscheinungen, akzeptieren, was wir wahrnehmen. Mit dem Akzeptieren ist gemeint, wir legen keinen Abstand ein, atmen es ein und atmen Liebe aus. Wir hören allen, die mit uns ihr Leiden teilen, das Glück ihres Überlebens, unvoreingenommen zu. Wir werten nicht, machen keine Unterschiede, sind für alle und alles gleichermaßen offen und verfügbar. Ich traf Augenzeugen, Helfer*innen und Menschen, die kaum aus ihren Häusern gingen – wozu auch? Im Grunde leben die Städte vom Verkaufen und Einkaufen, von der Verwaltung und all denen, die in diesem Apparat dienen oder Dienstleistungen brauchen, vom Gesundheitswesen wie Arztpraxen, Apotheken, Krankenhäusern, Kindergärten, Schulen, Bibliotheken, Banken, Sparkassen, Reparaturbetrieben, Handwerk, Polizei. Und alles, alles ist zerstört worden einschließlich der Vergnügungsanlagen, die gerade in Bad Neuenahr-Ahrweiler Anziehungspunkte waren: die Parks und Straßen mit all ihren Bänken. Das Casino und die Therme. Die zahlreichen Cafés und Restaurants, sicherlich auch Clubs und Diskotheken, Fitnessstudios, Kinos und Theater, Kirchen und Friedhöfe. Man kann sich nicht vorstellen, wie eine Stadt wirkt, in der Straßenzüge noch erkennbar sind, Fassaden noch stehen, nicht alles von Unrat, Schutt, Schlamm oder Staub bedeckt war bzw. ist.

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Apotheken wurden notdürftig dazu erklärt. Ebenso Arztpraxen improvisiert, ein medizinischer Bus fuhr durch die Gegend. Gulaschkanonen mit warmem und kaltem Essen standen an mehreren Hotspots bereit. Notdürftig hatte man Stühle und Bänke auf den Hauptplatz gestellt oder dicht an Häuserfronten, in den Schatten. Die beiden von den Johannitern, die entlang der Ahr liefen, patrouillierend, waren für Menschen zuständig, denen sie begegneten. Claudia, so hieß die Frau, sagte, sie sei froh, dass sie mit ihrem Kollegen Karl zusammen sei. Gerade Paare kamen auf sie zu und fühlten sich offenbar aufgehoben. Sie erzählten mir vom Friedhof am Ahrtor und Claudia zeigte mir ein Foto, von dem ich später in einem Anruf erfuhr, dass ihre Freundin, selbst stark betroffen vom Unglück, es kurz nach der Überflutung aufgenommen habe. Ich war stark betroffen von diesem Anblick und von dem, was beide mir erzählten. Einwohner*innen der Kleinstadt gingen zu diesem Friedhof, von dessen einst starker Mauer fast nichts übrig geblieben war wie von den Grabmälern und erkennbaren Strukturen. Auch das stolze, altehrwürdige Ahrtor war der Gewalt des Wassers zum Opfer gefallen. Eine Frau war völlig verzweifelt, weil sie das Grab ihrer Tochter nicht mehr fand. Die beiden Johanniter hörten ihr zu und, wie durch ein Wunder, wurde in all dem Zerstörten anscheinend der Grabstein bzw. dessen Reste sichtbar. Andere Menschen, Trauernde, erschienen und wurden angesprochen, konnten sich aussprechen. Mir erschien gerade dieser Dienst so ausgesprochen wertvoll. Erschüttert nahm ich zur Kenntnis, wie viel mir selbst der Friedhof bedeutete, was das Wort in mir auslöste, was es wohl auslösen sollte: ein Ort letzten Friedens zu sein. Wenn ich das nächste Mal und hoffentlich wieder in Bad Neuenahr eingesetzt werde oder später, wenn die Bahnlinie funktioniert, dorthin fahren kann, möchte ich mich des Friedhofs und seiner Besucher annehmen. Wie viele Tote sind geborgen worden, im Schlamm? Ich hörte von einigen entsetzlichen Szenen, gescheiterten Rettungsversuchen, noch Vermissten. Und möchte aber auch teilen, dass ich mehr und mehr von Freizeitangeboten, Ferienlagern für Kinder las, von Plänen, wo die Schulen behelfsmäßig eingerichtet werden könnten oder schon begonnen wurde, Strukturen bereitzustellen. In diesen Orten an den kleinen Flüssen, die ihr Bett gewaltsam verließen, können wir lernen, wie nah Zerstörung, Tod und Wiederaufbau liegen. Jäher, unvorhersehbarer Wandel bricht ein, kann einbrechen, und nichts ist mehr, wie es war. Vielleicht nehmen wir mit, in unserer Erschütterbarkeit und Solidarität, dass es tatsächlich keine Sicherheit gibt, aber doch Liebe, Akte der Fürsorge, tätiges Mitgefühl. Wie alle sagten, die vieles oder alles verloren hatten, waren es diese Akte, die sie mit Hoffnung, Staunen und Trost erfüllten. Wir können dazu etwas beitragen.

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Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
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