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Im Grunde möchte ich dauernd über den gesellschaftlichen Diskurs bezüglich „der Impfung“ schreiben, doch Selbstdisziplin bedeutet auch: Es gibt noch anderes, Erfreuliches.

Wie Sie letzte Woche bemerkt haben: Ich mag Gedenktage. Sie lenken die Aufmerksamkeit in eine Richtung, in die wir normalerweise vielleicht nicht blicken würden. Wegen des täglichen Kleinkleins, wegen der beruflichen und familiären Anforderungen, wegen des Kopfkinos, das ja ohnehin am liebsten nach hinten oder vorne denkt und selten im Jetzt ist. Gedenktage – jetzt nicht unbedingt der japanische Tag des Berges oder der amerikanische Tag der Schokoladentropfen-Kekse – können uns dazu bringen, Bilanz zu ziehen und unsere Entwicklung zu resümieren.

Einen meiner ganz persönlichen Gedenktage hatte ich diese Woche. Meine ursprüngliche Aufgabe in einer dieser Gegenden, wo der Hase laaange wartet, bis ihm der Fuchs eine gute Nacht wünscht, war, einen Schreibworkshop abzuhalten. Professionell gesehen, freute ich mich sehr darauf, denn ich mag diesen Teil meiner beruflichen Säulenhalle. Privat war ich gespannt, wie diese Landschaft, in der vor sieben Jahren vermutlich der größte Umbruch meines Lebens stattgefunden hat, auf mich wirken würde.

Normalerweise bin ich ja alles andere als ein Angsthase. Wenn ich spüre, dass ich mich vor etwas fürchte, gehe ich schnurstracks darauf zu. Mit zunehmendem Alter allerdings habe ich bemerkt, dass mir diese Strecken oft zu mühsam geworden sind und dass ich versuche, das ganz intellektuell zu lösen. Was gelingen kann, aber nicht muss. Und selbst wenn das Mindset gut reagiert, kann die direkte Konfrontation den Prozess doch noch einmal fruchtbar unterstützen. So also auch in den vergangenen Tagen.

Schon die Fahrt dorthin könnte man als reine Triggerfahrt bezeichnen. In Gegenden, in denen sich nicht viel tut, bleibt natürlich auch vieles so, wie man es in Erinnerung hat. Klar: Hier war eine Straße breiter, dort ein Geschäft geschlossen – doch am Ende der Strecke war mir bewusst, dass ich mich die ganze Zeit in der Hall of Memories aufhalten würde. Untertags habe ich mich daraus entfernt, weil ich ja mit den Schreibenden zusammen war und sie mit entsprechenden Impulsen versorgt habe. Das gemeinsame Abendessen und anschließende Leserunden waren ebenfalls hilfreich im Verschieben der Gedanken auf die Zeit alleine in meinem Juchhe unter dem Dach eines idyllischen Bauernhofs.

Diskurs

Am ersten Abend schaute ich dem Himmel stundenlang zu, wie er immer dunkler wurde. Hörte dem Regen zu, der auf die glatte Oberfläche des Trampolins trommelte. Und stellte fest, dass doch viele Emotionen, die hinter den Erinnerungen steckten, weggespült worden waren. Natürlich durch Tränen, aber auch durch die unterschiedlichen Wetterlagen der vergangenen Jahre. Und die viele Sonne, die ich in mein Gemüt eingeladen habe, hat nicht nur die Tränen getrocknet, sondern auch mein Denken ausgerichtet. Dorthin, wo das Strahlen noch hilft. Dorthin, wo Wärme nicht nur ein meteorologisches Phänomen ist, sondern auch ein Persönlichkeitsmerkmal.

Am zweiten Abend krachte es dann ordentlich. Vergeblich versuchte ich, mit meinem Handy die Blitze einzufangen, die über den Bergen und den Sonnenhüten im Garten tanzten. Alles, was die Foto-App anzeigte, waren schwarze Bilder. Ich konnte das Licht, das die Gegend in eine dramatische Kulisse verwandelte, einfach nicht festhalten. Also legte ich das Telefon weg und genoss das Schauspiel, beobachtete. Zwischen Blitz und Donner fiel mir auf: Genauso mache ich es inzwischen mit Erinnerungen, speziell jenen aus dieser Gegend. Ich weiß, was stattgefunden hat, auch wenn es mir sieben Jahre später surreal erscheint. Ich weiß, wie ich mich damals gefühlt habe, auch wenn ich sieben Jahre später den Zugang zu diesen Emotionen verloren habe. Ich weiß, wo ich sieben Jahre später stehe.

Nur wenig habe ich mit der Frau zu tun, die damals derart durch den Wind war, dass er sie leicht forttragen konnte. Als ich auf die sich im Sturm biegenden Bäume schaute, wurde mir klar, dass ich mich selbst ins Trockene gebracht habe. In ruhigere Gefilde, in denen ich den Wind immer noch liebe, doch weiß, wann ich mich davor zu schützen habe. Und vor allem: wie ich das anstelle. Hätte ich früher einen Humpen auf diese Erkenntnis getrunken (siehe Blogbeitrag von letzter Woche), so fand ich mich angesichts des reinigenden Gewitters in einer Situation, die mich seelenruhig ins Bett gehen ließ – gefeiert habe ich im Schlaf.

Weitere Beiträge von Claudia Dabringer finden Sie hier.  
Bilder  ©  Pixabay 

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
Kommentare  
# Micha 2021-08-18 07:43
Es ist immer interessant zu reflektieren, wer man früher war und wer man heute ist.
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