Wer von uns Buddhistinnen und Buddhisten hat nicht einmal oder mehrmals darüber nachgedacht, was das Hochwasser mit einer Unmenge an Schlamm auf einer sinnbildlichen Ebene eventuell für uns bedeuten könnte.
Mit „uns“ meine ich hier die Verschonten, zurzeit noch Verschonten, denn was wissen wir schon, welche Dammbrüche und welches Unvorhersehbare noch auf uns zukommen können.
Wir mussten nach dem starken Regen in unserer Region in Bonn und drum herum mit Hochwasser rechnen, in diesem oder im nächsten Jahr. Und wir nahmen an, dass wir damit fertig werden würden. Auspumpen, Sperrmüll beseitigen, Versicherungen engagieren, Schlamm in Kellern, Untergeschossen, in Garagen und auf Straßen beseitigen. Das ist unangenehm, ein wenig beängstigend, weil man auch im vergangenen Jahr nicht wusste, wann der Regen aufhören und ob er eventuell ein zweites Mal zuschlagen würde. Statistisch gesehen, ist das nicht sehr wahrscheinlich gewesen.
Doch es ist ganz, ganz anders gekommen und hat unsere Sorgen bei Weitem übertroffen. Dass Flussschlamm meterhoch liegen könnte und zusammen mit reißender, rasender Wasserflut alles einhüllen würde, was auf dem Weg liegen würde, fast so, als würde sich der Fluss ein neues Bett suchen – das hatte man irgendwo schon gesehen, bei Regenzeiten in Asien vielleicht oder in Indien. Aber niemals in unseren Breiten.
Die Welt rückte in der Pandemie zusammen. Eine schlimme Nachricht aus einem Land bedrohte all die anderen Länder, während eine gute Nachricht alle mit Hoffnung ansteckte. Im Moment lösen die Fotos von Westdeutschland Schrecken, Bestürzung, Angst aus, neben Anteilnahme, Solidarität und praktischer Fürsorge.
Was ist geschehen? Haben wir schon Worte dafür? Es ist noch weitaus schlimmer, als wir anfangs dachten oder hofften. Wie genau, wissen wir nicht. Aber wenn geschrieben wird, dass es sich um einen Marathon handelt, diese Schäden wieder zu reparieren, dann fühlt sich das für mich jedenfalls stimmig an. Was ist mit den Bodenversiegelungen durch Beton und damit dem Häuserbau in Gegenden, die lieber brach liegen würden, um dem Fluss „Auslauf“ bieten zu können? Werden die Beteiligten kurzfristiges Denken einräumen und alles daransetzen, Fehler wieder gutzumachen? Oder werden Deichprojekte gebaut werden, die das Problem einfach nur verlagern?
Auf jeden Fall sind die Einwohner dieser Orte und die der in Süd- und Ostdeutschland und in Nachbarländern auch vom Hochwasser und Schlamm kalt überrascht worden. Weder Flüsse noch das Meer, weder Luft noch das Wetter haben sich je um künstliche Landesgrenzen gekümmert. Ich konnte gestern nicht einschlafen, weil der Schlamm unter meinen Türritzen durchkam und in meine Seele eindrang. Dieses Ereignis wird ins kollektive Unbewusste der Deutschen eingehen. Beides so lebensbedrohlich: reißendes Hochwasser und Schlamm, der nach unten zieht, einen beim Laufen behindert, auf dem sogar Autos ausrutschen. Erstickender Schlamm, ekliger Schlamm, schwer zu beseitigender Schlamm, Steigerung von Dreck.
Ist dies derselbe Schlamm, der die Wurzeln der Lotusblüten und Seerosen hält und nährt, ihnen das gibt, zusammen mit Wasser und Sonnenlicht, damit er wachsen und blühen kann? Wir können, wir müssen uns diese Frage stellen, auch wenn sie bei jedem anders ausfällt. Was kann Neues, Gutes, Schönes aus dieser entsetzlichen Lage entstehen? Der Schlamm sind wir selber, ist unser schlampiger, schlammiger Geist, den wir beim Aufräumen und Putzen und Verabschieden freundlich anschauen und ebenfalls reinigen könnten.
Eine gute Zeit für Metta-Meditation und Tonglen. Machen wir es langsam und stetig und mit Bedacht: das Aufräumen.
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