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Wenn Gefühle immer wieder unterdrückt werden, meistens, weil sie als unerwünscht angesehen werden, dann geht auch die dazugehörige Sprache in den Untergrund.

Es ist eigentlich unerheblich, um welche Gefühle es sich handelt, ob es um Wut, Angst, Niedergeschlagenheit, Eifersucht, Neid, Zurückweisung geht ... wir lernen nicht, mit diesen Emotionen umzugehen, in den jeweiligen Beziehungen, in der Beziehung zu uns selbst. Alles im Leben sind Trainingswege, auch wenn wir sie gar nicht als solche wahrnehmen. Ich lerne am anderen, zuerst an Mama und Papa oder Oma und Opa, dann an der erweiterten Familie, an Freunden, wo und womit ich „ankomme“ und wo nicht. Wann habe ich Freude an mir, wann haben andere Freude an mir?

Die westliche Psychologie lehrt uns, dass wir alles, was wir an uns nicht kennen (lernen wollen), ablehnen, ja sogar verleugnen, auf andere projizieren. Wir bekämpfen dann etwas in ihnen, was wir in uns selbst nicht wahrhaben wollen.
Die östliche Psychologie lehrt, unsere Wahrnehmung fein zu justieren, sodass wir all die gröberen und Mikrogedanken und die sich ständig ändernden Gefühle wahrzunehmen lernen in der Stille und vielleicht auch im Alltag. Und sie lehrt ja noch viel mehr, wie sich alles nämlich ständig verändert, wenn wir es zulassen, wir also darauf verzichten lernen, Impulsen zu folgen, die wir als unheilsam erkennen und manchmal den Dingen einfach ihren Lauf lassen.

Jedoch könnten sich beide Wege noch mehr befruchten, finde ich, und das geschieht zum Beispiel auf künstlerischen Wegen, und hier: beim Schreiben. Ich meine ein freies, expressives Schreiben in einer vertrauensvollen Atmosphäre, ein absichtsloses Tun, ein Spielen mit dem Wort. Und jetzt komme ich zum springenden Punkt – was für eine schöne, leichte, vitalisierende Metapher! Was meiner Ansicht nach zu wenig gesehen wird, ist die Tatsache, dass der pure Akt solchen Schreibens schon ein Loslassen IST, ein großes Ausatmen, und dass darin sich Veränderung, Transformation, vollzieht. Es braucht gar nicht MEHR zu geschehen, ist ganz leicht, aber nur unter der Bedingung, dass ich völlig authentisch bin, nichts anderes will, als mich auszudrücken. Wenn ich das tue, im Grunde so, wie ich jetzt gerade, dann rücken sich die Dinge zurecht. Dann beantworte ich gerade eine Frage, die mir nicht bewusst war. Oder stelle eine neue Frage, die mich weiterträgt.

Wenn ich oft unterdrückt wurde, was in unserem Land und in meiner Alterskohorte die Regel war, dann sind verschiedene Blumen in mir nie zur Blüte gekommen, Töne und Lieder wurden nie gesungen, teilweise Isolierung und Entfremdung, eine gewisse Lebensangst waren die Folge. Zu große Unsicherheit, mangelnde Fähigkeit in der Anpassung an Umstände (denn das will geübt werden), zu wenig und gleichzeitig zu viel Frustrationstoleranz waren die Folge.

Sprache

Wenn ich nun Raum bekomme, diesen früheren Stimmen Ausdruck zu verleihen, wie immer es „gewünscht“ wird, ob in einer wahren Geschichte, einer Anklageschrift, einem großen Abschiedsbrief, einer szenischen Miniatur oder einem Gedicht, einem Gebet, einem Song – dann wird eine neue Spur gelegt. Diese heißt Neugier, Selbstakzeptanz, Ermutigung, Beziehung. Ferner heißt sie Selbstwirksamkeit, Freude an der eigenen Kreativität, an dem, wie ich andere zu berühren vermag. Die kindlichen Freuden des Fragens, Wünschens, Wiederholens, Spielens werden manchmal zum ersten Mal (wieder) erfahren. Die Freude der Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die ich als funktional erlebe. Die Freude am Oralen, das sich nicht in Trinken und Essen erschöpft, sondern im wesentlichen Gespräch, im Schreiben, im Mitteilen, im Vortragen, im Lesen und Zuhören. Ich kann nicht gut zuhören, wenn es in mir schreit. Wenn ich zu hungrig bin, kann ich nicht gut teilen. Wenn das alles unbewusst ist, höre ich die anderen überhaupt nicht, ihre Schreie nicht, ihre Not. Und ihre Schönheit kann ich auch oft nicht sehen oder annehmen.

Deshalb, damit ich Freude an mir selbst habe, am freien Spiel und Selbstausdruck, im Vertrauen, dass ich im Prinzip gemocht werde, im wachsenden Vertrauen darauf, dass ich etwas zu sagen habe. Im Vertrauen darauf, dass Beziehungen gestaltbar sind, Menschen lernfähig, bis sie sterben, ja, dass sogar Heilung möglich ist, von der ich nie zu träumen wagte. Die Wahrheit muss und darf sein. Wir können lernen, sie mit Liebe, Mitgefühl, Geduld zu verbinden, aber nicht gleich zu viel erwarten, bitte.
Wenn wir jahrelang Wut und Ärger sowie zärtliche Gefühle unterdrückt haben, dann kann das die Medizin für eine festgefahrene Beziehung sein. Der erste Brief wird vielleicht ziemlich heftig, feurig sein, der zweite oder dritte jedoch – und ich rate manchmal zu noch mehr Briefen – wird eleganter, verbundener sein, wir wissen nicht, wie. Aber wir wissen, dass. Denn Schreiben aus dem Herzen, auch das feurige, gerade das feurige, verändert. Du lernst deine Kraft kennen, die Energie deiner Worte. Du erfährst, wie du berührst. Du wirst ganzer. Und hast gar nicht gemerkt, WIE VIEL du dabei losgelassen hast. Schreiben ist Ausatmen.

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Bilder © Sven Brandsma Unsplash 

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
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