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Unsere Aktionen bzw. die Haltung dahinter nannten und nennen wir „Menschsein in unserer Stadt/Region/in unserem Land“.

Ich spreche als Zen-Peacemakerin vom „Kleinen Tempel, Bonn“. Es gibt eine andere Gruppe von Zen-Peacemakern in Bonn, unter der Leitung von Kathleen Battke, die wunderbare Aktionen machen, zum Beispiel mit dem Projekt „Stille Treppe“.

Ich finde, pro Stadt/Region darf es gerne mehr Friedenskreise geben, auch mehr als zwei. Ich bin seit 2011 in den Zen-Peacemaker-Orden ordiniert, das heißt, ich habe eine sogenannte Laienordination erfahren, die mich glücklich und stolz gemacht hat (2014 übrigens eine zweite, in die Rinzai-Zen-Linie, im Tempel Choboji, Seattle). Ja, ich wollte, seit ich von der Existenz der Zen-Peacemaker und deren Grundsätzen gehört bzw. gelesen hatte, dazugehören. Sich um die Schattenthemen einer Gesellschaft, der Welt kümmern, das war mir schon längst ein Anliegen gewesen. Herumgekommen war ich zumindest in Europa, habe als Jugendliche in Madrid gelebt und dort mein Abitur gemacht, war länger mit einem Italiener liiert und lernte so die Sprache, auch an der Uni Hamburg. Flüchtlingsarbeit in der evangelischen Kirchengemeinde Beuel sollte für einige Jahre eines meiner Herzensanliegen sein. Man muss wissen, dass der Süden der von mir erwähnten Lieblingsurlaubsländer der Deutschen zu der Zeit, von der ich spreche, also 1970 und später, noch zu den sehr armen Gegenden Europas gehörte. (Kürzlich war ich in Kalabrien und fragte mich, ob sich eigentlich etwas geändert hatte.) Auf einer Klassenfahrt nach Andalusien sprangen beim Aussteigen aus dem Reisebus bettelnde Kinder um uns herum, die barfuß auf staubigen Wegen und zwischen winzigen weißen Häusern herumrannten: Solche Bilder hatte ich mit Indien und Nordafrika assoziiert. Ich hatte in meiner Klasse der Deutschen Schule Madrid erfahren, wie es sich anfühlt, wenn um einen herum eine Sprache gesprochen wird, von der man höchstens mal hier und dort ein Wort versteht. Die anderen unterhalten sich prima, es wird gelacht, manchmal auch auf deine Kosten, und natürlich fand alles auf Spanisch statt, in den Pausen, eigentlich immer außerhalb des Unterrichts. „Es geht so viel schneller“, sagten mir die Kameraden, als ich fragte, warum man sich nicht auf Deutsch unterhielte.
Zu erwähnen ist ferner, dass meine Mutter Flüchtling war, sie war mit siebzehn Jahren aus dem heutigen Polen (Posen) geflohen und hatte, wie ich erst vor einigen Jahren erfuhr, einen entsprechenden Stempel im Pass! Man weiß aus der Psychologieforschung, dass gerade verschwiegene Themen aufgefangen und weitergegeben werden an die nächste oder übernächste Generation, und mir kommt es so vor, als hätte ich Bilder und Gefühlsbotschaften als Erstgeborene zu Hauf empfangen – wie viele meiner Nachkriegskindgeneration – und auch der nächsten, der Kriegsenkel und -enkelinnen. Wie naheliegend war und ist es für mich, mich Geflüchteten nahe zu fühlen! Dabei waren die sprachlichen und kulturellen Barrieren nicht so groß wie die zwischen den unterschiedlichsten weißen Deutschen und den Afrikanern und Afrikanerinnen, denen wir seit Jahren begegnen, im Fernsehen, Flüchtlingsheim, in Kitas und Straßenbahnen, bei Ärzten und auf Ämtern.

In den langen Jahren von Psychotherapie und kunsttherapeutischen Fortbildungen, künstlerischen, gruppenpädagogischen, schamanischen Potenzialentwicklungstrainings, Kommunikations- und Achtsamkeitstrainings und bald auch eigenen heilsamen Angeboten wie dem Langzeitprojekt „Frauenschreibschule KALLIOPE“ lernte ich die „Verwundete Heilerin“ in mir und in anderen immer tiefer kennen. Innere Schattenarbeit. Auch in 12-Schritte-Gruppen war ich regelmäßig gewesen. Und sie, Kanzeon, stellte ihre Weisheit immer bereitwilliger zur Verfügung.

Menschsein

Zen-Peacemaking war und ist für mich, für uns, immer auch das, wie Bernie Glassman Roshi es nannte: sich in Liebe dem zuwenden, das unterversorgt ist. Das im Schatten liegt, voller Scham und Not, und das ganz tief mitschwingt mit Wohnungslosen, Gestrauchelten, Ehr- und Wehrlosen. Braucht jede Gesellschaft ihre Unberührbaren? Um sich darüber stellen zu können, erhaben, selbst in der Not?
Für den Schutz und die Würdigung von jüdischen Menschen, jüdischer Kultur eintreten. Für Sinti und Roma, die bislang am untersten Ende der Skala offiziellen Ansehens gestanden haben, noch nicht einmal wert, betrauert zu werden in Diffamierung, Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung. Sogenannte behinderte Menschen, die Hitler mit seiner Gefolgschaft auf besonders perfide und hinterlistige Weise ihren Familien entfremdete und mit Gas und bei sadistischen Versuchen töten ließ.

Menschsein bedeutet für uns, sich im Antlitz des anderen wiederzuerkennen. Das Spiel der „zivilisierten“ Nationen nicht mitzuspielen, zu lügen, zu betrügen und sich – ausschließlich – mit denen zu identifizieren, die an der Macht sind. Außerdem umgekehrt zu gucken, von unten nach oben, mit den Gräsern auf Augenhöhe. Dabei gar nichts Besonderes sein wollen oder müssen. Nein, nur unsere Zugehörigkeit mit tendenziell eher materiell (gilt aber längst nicht immer!) ärmeren Wesen deutlich bekunden.

In den Lagern in Griechenland. Aus den Mündern der stockend erzählenden bosnischen jungen (!) Kriegskinder. Auf dem Meer mit Fischern vor Lampedusa, auf dem Friedhof, auf dem Campingplatz und an der Kirche. In Süditalien und Sizilien von den Bestattern und Besitzern kleiner Läden und Bars. In Auschwitz-Birkenau von den Museumsführern, den nicht enden wollenden Listen Ermordeter, aus Erzählungen und Tränen trauernder jüdischer Teilnehmer und Teilnehmerinnen. In den Containerunterkünften in Bonn. Den Wohnungslosen auf den Straßen-Retreats in Bonn und Paris. In den Schlangen, wo man für Essen, Trinken und Toiletten anstand. Öffneten sich die Poren unserer Seelen und unserer Körper, die mit Angst, Scham, Lügen, Trauer und nie eingestandener Liebe verstopft waren. Es waren unsere eigenen Geschichten, nie waren wir froher als zuzuhören, damit die Taubheit, die moralische und seelische Gefühllosigkeit endlich aufweichen konnte. Immer hatten sie dazugehört und wir zu ihnen. Wie hatte das nur passieren können, dass einer den anderen abschlachtete – mit der Waffe, der Drohne, durch Gas oder durch Missachtung und Überheblichkeit.

Menschsein ist immer Menschwerden: hier, dort, überall.

 

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Bilder © Unsplash 

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
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