Neulich schrieb ich über dasselbe Thema, nur setzte ich davor den Begriff, man kann sagen, das moralische Urteil: Ausbeutung. Ich hörte jemanden sagen, ohne Ausbeutung könnten wir nicht leben. Mir ist das zu undifferenziert, zu selbst entschuldigend, ohne sich wirklich zu entschuldigen.
Ob Pflanzen leiden, wenn wir sie gentechnisch verändern, sie achtlos ernten, sie ebenso achtlos verarbeiten und uns einverleiben, werden wir nie erfahren. Aber dass es ihnen, der Erde, den Tieren und uns selber nicht guttut, wenn wir achtlos mit ihnen umgehen, ebenso mit Insekten, Tieren, den Elementen, scheint mir leicht(er) verständlich zu sein. Mir geht es eher darum, uns bewusst zu machen, ob wir Leben ehren, zum Beispiel in Pflanzen, es als gleichwertig schön anerkennen wie uns Menschen, das heißt, dass wir uns für ihre Lebensbedingungen interessieren. Oder ob wir unbewusst der Auffassung sind, Salat und Kamille, Hummer und Biene, Kartoffel und Baum seien für uns und unsere jeweiligen Bedürfnislagen geschaffen. Ich glaube das nicht, halte diese Einstellung für ungesund und pervers, auch wenn ich ihr selbst oft erliege, und bin überzeugt, dass vieles von dem, was wir gerade bezeugen, vom Artensterben bis zum Klimawandel bis zum Hunger in manchen Ländern dieser Erde und den weggeworfenen Lebensmitteln in Industriestaaten mit dieser Konsumeinstellung zu tun hat.
Genauso werden indigene Völker und deren Weisheit herabgesetzt, missachtet oder sogar vernichtet. Vielleicht schämen wir uns, unsere Menschlichkeit im Spiegel von nackten oder halbnackten Menschen mit seltsamen Gebräuchen und noch seltsamerem Aussehen sehen zu müssen. Das sollen Menschen sein? Vielleicht sind es eher Vormenschen, nicht zu uns wirklich gehörig. Komische Augen oder Nasen oder Hautfarben, Sprachen, die wir nicht verstehen und uns auch nicht die Mühe machen, zu verstehen. Merkwürdige, „eklige“ Essgewohnheiten, Gewohnheiten zu feiern, zu lieben, zu bestatten ... es stört, stellt infrage, verunsichert, muss weg, aus dem Blickfeld. Oder wir entmenschlichen das Fremde und machen es uns gefügig.
Machen das andere Nationen oder Stämme auch so miteinander? Romantisiere ich das frühere Zusammenleben in Afrika beispielsweise? Mag sein, ich weiß es nicht. Ich sehe nur, wie wir uns aufspielen, weil wir mehr Macht und Geld haben, die weiße Hautfarbe als die feinere und reinere ansehen, und die 500 Jahre christlicher Inquisition scheinen uns noch in den Knochen zu stecken, vielleicht auch in der DNA.
Um Verzeihung bitten für diese Untaten, nicht nur einmal, auf Kirchentagen, sondern diesen Ungeist der Überheblichkeit zutiefst verstehen, bereuen und ablegen. Überall und immer jeden Absolutheitsanspruch zurückweisen, auch in sich selbst. Ich schließe mich in all diese moralischen Appelle vollständig ein, habe sie ebenso bitter nötig. Geben ist seliger denn nehmen – was nicht ganz stimmt, man muss es differenzieren –, aber es ist etwas dran, finde ich. Vertrauen und Schutz geben. Falls man mehr von etwas hat, meinetwegen auch Wissen und Weisheit, dann mit Großzügigkeit und Edelmut damit umgehen. Essen und Trinken wieder teilen lernen und danken, danken, danken.
Versuchen, sich mit Menschen anderen Bildungsstands, mit Reicheren oder Ärmeren anzufreunden, auch und besonders mit denen, die anders aussehen und sprechen. Gastfreundschaft lernen. Auch den Pflanzen und Tieren gegenüber. Sie werden wahrscheinlich eher überleben als wir. Ich versuche, jetzt damit anzufangen. Wer macht mit?
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