Man sollte ja immer mal wieder etwas Neues ausprobieren – gerade wenn der Frühling vor der Tür steht. Eine neue Gymnastikübung zum Beispiel. Vorher sollte man aber die Kniescheibensehne fragen, ob sie das mag.
„Unterarmstütz mit Hip Twist“, und das alles auf den Knien – klingt komplizierter, als es ist, kann aber Folgen haben. Idealerweise wird der Bauchtanzbauch fester, im schlechtesten Fall beleidigt man die Kniescheibensehne. Die gute Nachricht: Man stirbt nicht daran. Die weniger gute: Man muss etwas tun. Oder besser lassen, vor allem den „Unterarmstütz mit Hip Twist“ auf Knien. Vor allem dann, wenn man irgendwann einmal wieder bauchtanzen und den Shimmy mit zwei stabilen Gelenken ausführen möchte.
Dass eine neue Gymnastikübung vielleicht der falsche Ansatz ist, um etwas Neues in das Leben zu integrieren, habe ich begriffen. Doch es gibt ja ganz viele Alternativen dazu. Zum Physiotherapeuten zu gehen und die beleidigte Kniescheibensehne kalmieren zu lassen, beispielsweise. Wir kennen uns seit Jahren, und immer komme ich mit etwas, was zwar nicht schlimm, aber auch nicht ganz richtig ist. Der Zusatznutzen für mich sind die Gespräche, die mich derart erheitern, dass die Festigung meiner Bauchmuskulatur durch Lachen viel angenehmer passiert als durch das Unterarmstütz-Ding.
Ich höre, dass mein Physiotherapeut inzwischen sehr glücklich ist, während seiner Arbeit Maske tragen zu können. Denn aus irgendeinem Grund beschäftigt sich seine Kundschaft mit den diversesten Theorien über die C-Scheißerchen und die als hilfreich propagierte Impfung. Und wenn ihm dann ein Lächeln auskommt, sieht das eben keiner hinter der Maske. Er erzählt mir von einer Theorie, die ich wahrscheinlich nie mehr aus meinem Kopf bekomme, sollte ich wieder einmal vegetarische Köttbullar oder einen neuen Bezug für mein Klippan-Sofa suchen. Ihm, also dem Therapeuten, wurde zugetragen, dass wir nur deshalb in den Genuss des Virus gekommen sind, weil Außerirdische uns ausrotten möchten, um unsere Infrastruktur nutzen zu können. „Das schau ich mir an, wie die mit drei Fingern eine IKEA-Küche zusammenbauen“, meinte der Physiotherapeut dazu und konnte seine Arbeit ob meines Lachflashs kaum mehr fortsetzen. Ich denke, es gibt genügend Menschen mit linken Händen, wenn es um das Zusammenbauen von Möbeln geht; vielleicht macht der Wille die fehlenden zwei Finger wett? Vielleicht sind die Herrschaften sogar schneller, wenn sie einander helfen? Wenn vier mit jeweils drei Fingern kollaborieren, ist das jedenfalls konstruktiver, als wenn sich jemand mit zwei linken Händen abplagt. Rein rechnerisch. Er hat dann auch noch von Nanotubes berichtet, die er wie ich googeln musste, um auch nur annähernd ein Basiswissen darüber zu bekommen. Doch da ich naturwissenschaftlich wenig interessiert bin, reicht mir schon die Information, dass das mikroskopisch kleine röhrenförmige Gebilde aus Kohlenstoff sind, wobei die Kohlenstoffatome eine wabenartige Struktur mit Sechsecken und jeweils drei Bindungspartnern einnehmen, vorgegeben durch die sp2-Hybridisierung. Sie können sich aussuchen, bei welchem Wort dieser Wikipedia-Beschreibung ich ausgestiegen bin. Mir das alles auch noch im Verschwörungskontext vorstellen zu müssen, sprengt mein ohnehin schon überlastetes Gehirn.
Irgendwann war mein Lachflash abgeklungen, und der Physiotherapeut konnte seine Arbeit fortsetzen. Und mir mitteilen, dass ich irgendwann einmal wieder Frieden mit meiner Kniescheibensehne schließen kann. Demut auf hartem Untergrund sollte ich in den nächsten Wochen vermeiden, weshalb ich wieder einmal dankbar für die Erfindung von Yoga-Matten bin. Dort ist man selbst beim Sonnengruß auf der weichen Seite. Den darf ich weiter machen und dankbar sein für jeden Tag, an dem sich in meinem Knie wieder alles auf seinem Platz dehnt.
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