Der Titel ist geliehen vom Autor des auch ins Deutsche übersetzten Buches „Unseren Platz einnehmen – Der buddhistische Weg zum wirklichen Erwachsen-Sein“ von Norman Fischer*. Aber wie soll ich meine tiefe Resonanz dazu in Worte fassen?
Ich kann es eigentlich nur versuchen, was der Grund dafür ist, dass ich diesen Buchtitel auch als Jahresmotto für alle meine Angebote gewählt habe. Sollte sich herausstellen, dass es mein Lebensmotto wird, bin ich nicht überrascht. Denn, ist es nicht das – heimliche – Lebensmotto von uns allen, als Menschen? Sind wir nicht Suchende, Zeit unseres Lebens, bis wir Findende geworden sind? Vielleicht, so denke ich gerade, fallen die Suchenden und Findenden im Künstler, in der Künstlerin zusammen, so habe ich es zumindest erlebt. So wie Künstler*innen ihren eigenen Weg suchen, ihre Lehrer*innen und Meister*innen, ihre Schulen, die sie irgendwo finden, vielleicht in Übersee, vielleicht in verruchten Vierteln ihrer Heimatstadt oder in der Resonanz, die ein bestimmter Aspekt dieser Welt in ihrem Inneren auslöste – so sind sie auch immer Findende. Von Picasso ist der Ausspruch überliefert: Ich suche nicht, ich finde. Ja, das stimmt wohl, wer eine Inspiration hat, findet, und die findet auch ihr Thema, das umgesetzt werden will.
Die Menschen, die ihre religiöse oder spirituelle Seite entdecken und ausdrücken und leben möchten, wurden immer bzw. oft als Sucher*innen bezeichnet. Gott-Suchende. Ich sage „oft“, weil ich nicht sicher bin, dass das in indigenen Kulturen auch so ist. Was mich beschäftigt und auch eher interessiert, sind das Finden und Sich-finden-Lassen. Dies, so will mir scheinen, ist die Frucht spiritueller Reife und vielleicht nicht nur die Frucht, sondern Same, Trieb, Pflanze, Blüte und Frucht in einem.
Der Buchtitel und Titel meiner kleinen Niederschrift suggeriert, dass es diesen Platz gibt, er muss nur gefunden werden. Ich habe mir erlaubt, wegen des Aspekts des Findens, im Frühling den Titel „Nach Hause kommen“ für eines meiner Angebote zu wählen. Ich finde in der Tat, dass die Freude, zur Sitzmeditation Platz zu nehmen, dies sagen würde, wenn sie sprechen könnte: Endlich bin ich wieder zu Hause. Zu Hause auf der Matte, falls Sie auf einem Sitzkissen oder -bänkchen sitzen, zu Hause auf dem Stuhl, oder, warum nicht, in der Pandemie zu Hause auf dem Sofa: nicht angelehnt, mit in bestimmter Weise gehaltenen Beinen, Sie wissen das, in würdiger Haltung und mit einer Entscheidung. Sie laden Bodhicitta ein, den Erleuchtungsgeist. Der kommt am ehesten, wenn wir auf Empfang gestellt sind, wie eine Antenne. Das kann frau und man theoretisch überall praktizieren, jedoch will es geübt werden, mitten im Trubel, im Schmerz und im Jubel diese Ruhe zu verkörpern. Nicht nur äußerlich wollen wir unbewegt sein, sondern auch innerlich, und wenn es in der Atempause ist oder zwischen zwei Gedanken.
Sind wir so zu Hause? Ja, ich glaube das, mal mehr, mal weniger, es ist der Weg und das Ziel zugleich. Die Frage ist doch: Wie kann ich mich immer mehr zu Hause fühlen, wenn ich mich nicht zu Hause fühle? Damit meine ich keinesfalls, dass ich mich belügen soll über die wenig zufriedenstellenden Lebensumstände, die ich vielleicht ändern sollte, möglicherweise sogar energisch. Nein, ich meine das, was ich nicht ändern kann oder noch nicht, oder nicht auf die gewünschte Art. Sich mitten in diesem Unabänderlichen, dem Leben mit dem Tod am Ende, dem großen Rätsel und Mysterium, niederlassen können, als wäre es das Paradies selber, während draußen die Kinder lärmen und die To-do-Listen ein erbärmliches Dasein fristen. DAS ist es doch, was wir an anderen bewundern, woraus wir Kraft schöpfen, was unseren Glauben erneuert. Bitte füllen Sie den Begriff „Glauben“ mit etwas Persönlichem, das Ihnen heilig ist, im tiefsten und echten Wortsinn.
Es ist auch ein bisschen wie Aufgeben. Aufgeben finde ich irgendwie schöner als das eingedeutschte Loslassen, welches nicht eigentlich unser Wort ist. Aufgeben und im Sitzen aufgehen, bis uns ein Licht aufgeht: Dass dies schon immer unser Platz war, unser Geburtsrecht, unser höchstes Ziel und Gut. Ein Ort, an dem wir uns zugehörig fühlen, zu allen mit dieser Praxis, aber auch irgendwie zu allem, was lebt. Sensibel, offen, beruhigt und getröstet werden wir, während wir ins Kissen einsinken, und egal, ob wir dann noch „Lobe den Herren“ singen oder das Herz-Sutra oder uns schweigend verbeugen vor dem, was größer ist als wir und uns trägt: Das ist schon Platz einnehmen.
Immer wieder, am besten täglich neu. Das kann mühsam sein, manchmal jedenfalls. Und doch werden wir dabei langsam und unmerklich „wirklich erwachsen“.
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