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In all dieser Unruhe, die die Umstände der Seuche mit sich bringen, gibt es noch Ruhepunkte der Beständigkeit, auf die wir uns verlassen können oder zumindest verlassen möchten.

Wenn schon Veränderungen, dann sollen sie nicht allzu abrupt erfolgen, man will ja seelisch schließlich noch mitkommen. Ich muss mir (noch) keine Umzugsgedanken machen, muss nicht wählen, was ich auf eine Insel mitnehmen würde oder möchte, muss nicht um meine Gesundheit bangen, jedenfalls nicht so, wie das einige von uns beinahe täglich machen. Jeden Tag danke ich meiner Wohnung, die mir so teuer wie manchmal langweilig geworden war, dass sie da, warm und nett eingerichtet ist. Nicht auszudenken, während der Pandemie würde die Heizung ausfallen, wie ich es schon einmal im Winter erlebt habe, oder der kleine, aber funktionierende Herd wäre kaputt, wie letztes Jahr vor Weihnachten, und ich müsste überwiegend kalt essen. Das war eine interessante Erfahrung, aber mir ist sehr bewusst, dass wir in Cafés oder Restaurants ausweichen konnten, um es gemütlich und warm zu haben und so der Einsamkeit entflohen, falls wir alleine lebten. Jetzt leben diejenigen von uns, die wie ich alleine sind, dankbar mit ihrem Telefon, ihrem Computer, Heizung, Badewanne und warmem Bett. Immerhin, wenn ich an Micha, meinen wohnungslosen Freund, denke, dem ich eigentlich den zweiten Schlafsack bringen wollte und ein Regencape. Jetzt genau wollte ich das machen, aber es regnet ziemlich stark, und ich möchte selber nicht nach draußen, habe kein Auto und wollte mir den Schlafsack in den Fahrradkorb packen und den halben Kilometer zu Micha fahren, wo er immer sitzt, mit seinem sehr schweren, großen Rucksack, in dem alle seine Habseligkeiten sind. Er hat große Angst, dass die ihm auch noch genommen werden, obwohl er den Schlüssel zu einer Gartenhütte besitzt, in der er unterkommt. Nein, er hat schon alles erlebt, er wird seine Sachen keinesfalls dort lassen. Jetzt regnet es, und ich grübele, ob ein Schlafsack, dessen Hülle ich nicht gefunden habe, das Richtige ist, an einem Regentag als Extragepäck, das nass werden kann, getragen werden bzw. irgendwohin gelegt werden muss. Also nein, heute kein Schlafsack. Aber das Cape. Ich habe nämlich zwei. Wenn dieser Artikel fertig ist, werde ich das eine Cape anziehen und das andere in eine Plastiktüte stecken. Sollte Micha nicht da sein, weil es regnet, ist das nicht tragisch, weil mein Extragepäck mich an einem kleinen Einkauf, den ich machen muss, nicht hindern wird. Kurz dachte ich, ob er vielleicht in der Hütte bleibt bei diesem Wetter. Doch dann fiel mir ein, dass man das eigentlich nur macht, wenn man es gemütlich hat, sich Tee kochen kann, wie ich gerade, die Heizung aufdreht und weiß, dass man noch etwas zu essen findet, irgendwo im Schrank. Micha aber hat es weder gemütlich noch kann er sich etwas zu essen machen oder zu trinken. Oder es fällt ihm die Decke auf den Kopf, wie er mir sagte, denn er hört manchmal Stimmen. Und die werden lauter in geschlossenen Räumen. 

Oje, ich fühle mich schlecht bei diesen Gedanken, Luxusgedanken, traurigen Gedanken, da möchte man bei jemandem ein wenig die Not lindern, und dann ist man irgendwie zu träge, das Notwendige zu tun. Der Punkt ist, es kommt mir so vor, als wäre es zu wenig, was ich gebe, als müsste ich eigentlich Micha einen Platz bei mir anbieten. Ich weiß, dass ich das nicht machen werde, aber warum eigentlich nicht?
Vielleicht darf man sich schon einiges abverlangen, aber nicht zu viel. Ich frage mich, ob es viel verlangt ist, pro Gemeinde eine Einrichtung mit kleinen warmen Wohnungseinheiten zu bauen, mit einer kleinen Kochecke und einem Bad. Mit einem Gemeinschaftsraum und Sozialarbeitern, die nach den Menschen schauen würden, und alle würden üben, sich aufeinander einzulassen. Ganz langsam. Jede*r erhielte ein Mindesteinkommen, das für das Notwendige ausgegeben würde. Striktes Alkoholverbot? Wahrscheinlich. Fernseher? Ich würde in so einer Einrichtung helfen wollen. Eine Gemeinschaftsküche müsste es auch geben mit großem Küchentisch, an dem viele sitzen können. Man würde gemeinsam kochen üben.
Träume. Ich bin traurig. Das Glück der Beständigkeit ist eine lieb gewordene Illusion. Täglich rücke ich meinem eigenen Tod näher. Meine Mutter rückt ihm auch näher, ich möchte sie besuchen, darf ich das? Mache ich es trotzdem, wenn ich eigentlich nicht ins Hotel darf? Ein leises Gefühl der Vergänglichkeit ist immer dabei, auch wenn Dinge und Gewohnheiten noch beständig wirken. Den Tod verstehe ich nicht.
Dabei lehrt uns die Pandemie, wie sehr alles vergänglich ist, wie dankbar wir sein können für alles Gegebene. Für alles?
Ja, für alles.

Beständigkeit 

Ich beginne heute mit einer Spendenaktion und möchte nicht nur für Micha sammeln, denn er hat mir genau gesagt, was er braucht, sondern auch für andere auf der Straße. Außerdem wollen wir dem Verein „Troisdorf hilft“, der eine Suppenküche aufgebaut hat, in der täglich eine warme Mahlzeit zubereitet wird und man Dinge für das tägliche Leben einkauft und an Notleidende weitergibt, helfen. Beim Einsammeln von Lebensmitteln und Kochen arbeiten auch Geflüchtete, das ist das Besondere.
Morgen bekommen wir eine Liste mit Lebensmitteln und Bedarfsartikeln, die am Donnerstag abgeholt und nach Troisdorf gebracht werden. Bitte überweist auf mein PayPal-Konto kleine und größere Spenden für unsere wohnungslosen Geschwister.
m.winkelmann-schreiben@web.de. Tausend Dank. „Troisdorf hilft“ findet man auf Facebook.
Noch ein paar Tipps von Micha: Neben Schlafsack, gutem Regencape, unter das auch ein großer Rucksack passt, werden folgende Sachen immer gebraucht (seine Aussage): Taschenmesser, kleiner Campinggaskocher. Hut wie ein Regenschirm, damit man die Hände frei hat. Kleine Geschenke, die man anderen machen kann, wenn man selber etwas bekommen hat. Unterwäsche habe man immer zu wenig. Socken sind sehr wichtig, am besten Rosshaarsocken. Hatte ich vorher noch nicht gehört. Gut passende Schuhe, Stiefel, weil man als Wohnungsloser viel laufen muss. Falls man Geld übrig hat, vielleicht mal mit jemandem zusammen Schuhe kaufen gehen! Ihr könnt sicher sein, Spenden für Micha und seine Freunde gehen auch dahin, wo sie hingehören. Schaut mal auf meine Website, ich bin es gewöhnt, mit Geldgeschenken verantwortlich umzugehen. Danke. Schecks an: Monika Winkelmann, Eduard-Otto-Str. 4, 53129 Bonn, Germany. www.winkelmann-seminare.de.

 

 

 

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
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