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Ich sehe mich noch mit wehenden Haaren und aufkeimendem Sonnenbrand am Kap der Guten Hoffnung, wo ich meine Hoffnungen und Wünsche für 2020 in Meer geworfen habe. Gekommen ist es irgendwie anders.

Es waren hauptsächlich private Wünsche gewesen, die ich in den Wind am Kap geschossen habe. Und anfangs schien es so, als hätte sie dieser Wind so weit getragen, dass ihre Bedeutung verloren gegangen ist. Irgendwo im Spalt zwischen Indischem und Atlantischem Ozean verschluckt. Doch im Laufe der kommenden Monate wurde mir klar, dass ich nicht einfach die Augen verschließen und warten konnte, bis irgendwer meine Wünsche umsetzt. Ich selbst war gefragt, für sie einzustehen und sie auch umzusetzen.

Ja, ich war gefragt in diesem Jahr. Nicht in dem Sinne, dass andere meine Gefühle, Gedanken oder Anwesenheit nachgefragt hätten – meine eigenen Werte, Überzeugungen und Herangehensweisen waren gefragt, um mit etwas umzugehen, was einigermaßen unerwartet um die Ecke kam. Mein Abschied von Kapstadt war schon höchst melancholisch, nicht nur weil ich meine Reiseweste dort verloren hatte und ein Paar meiner Lieblingsschuhe einfach davongeweht worden waren – auch hatte ich das Gefühl, dass ich meine Freunde vielleicht so schnell nicht mehr wiedersehen würde. Dieses Gefühl war übrigens beidseitig, es flossen Tränen, ohne dass wir dafür konkrete Argumente gehabt hätten. Und dann war sehr schnell klar, was wir energetisch aufgeschnappt hatten und was weitere Begegnungen erschweren würde.

Es ist komplizierter geworden. Das habe ich gemerkt, als ich zum ersten Mal in meinem Leben vor lauter Ärger nicht schlafen konnte. Weil es mich einfach – verzeihen Sie meine Sprache – ankotzte, woran man alles denken musste, wenn man einfach nur seiner Wege gehen möchte. Und auch, dass mir und uns allen so viel Tapferkeit abverlangt wurde in diesem Jahr. Dieses Wort kommt ja im öffentlichen Diskurs kaum mehr vor, weil da vor allem Solidarität gefragt ist. Und daran ist nichts falsch. Doch man sollte auch einmal anmerken, wie sehr unsere Leidensfähigkeit strapaziert wurde in diesem Jahr. Auf allen Ebenen. Wirklich allen. Und dabei hilft es wirklich nichts, uns immer wieder zu versichern, dass das alles notwendig und wichtig ist. Es tut nun einmal weh. Punkt.

Mich persönlich schmerzt am meisten, dass die Leichtigkeit zur Schwere wurde. Dass der Wille fast vollkommen verschwunden ist, Möglichkeiten zu erarbeiten. Weil wir uns offenbar daran gewöhnt haben, uns an die gesteckten Grenzen zu halten. Kaum entwickelt sich ein Hauch von Humor, kommt die nächste Verordnung, und er verschwindet hinter der Maske. Und kaum haben wir uns wieder aufgerappelt und neu sortiert, ist wieder alles anders. Gut, im Sommer war sogar ein bisschen Sommer. Im Herzen. Doch sooo besonders lang war der heurige Sommer auch wieder nicht. Und doch müssen wir davon zehren. Auch vom wunderbaren Frühling, der damals vieles einfacher gemacht hat. Da keimte Hoffnung im Glashaus des Lebens, dass alles wieder so würde wie sonst.

Freitag

Und weil uns das jeder gesagt hat, haben wir es geglaubt. Meiner Meinung nach steckt genau darin der Fehler, der uns allen so zu schaffen macht. Ich bin überzeugt, dass nichts mehr so wird wie früher, weil wir nämlich lernen müssen, damit zu leben. Mit Viren, mit Umwälzungen, mit dem Wandel. Und nein, begeistert bin ich nicht davon, weil ich mein bisheriges Leben geliebt habe. Es ermüdet mich, ständig neue Verordnungen durchackern zu müssen. Es zieht mir den letzten Nerv, mich von meinen Mitmenschen distanzieren zu müssen und ständig das Gefühl zu haben, dass ich für sie und sie für mich gefährlich sind. Es drückt mir aufs Gemüt, Rücksicht auf Menschen nehmen zu müssen, die auf sich selbst keine Rücksicht nehmen. Doch es ist, wie es ist.

Ich habe in diesem Jahr bei Gott nach Wegen gesucht, mit dieser Situation konstruktiv umzugehen, die Vorteile herauszustreichen, das Gute im Schlechten zu finden. Doch nach 48 Arbeitswochen muss ich neue Zugänge finden und Ilse Aichinger folgen: „Um zu lieben, ist es nötig, nicht zuerst einen großen Schritt vor, sondern einen kleinen zurück zu tun, weil man dann leichter springen kann.“ Ich danke Ihnen für Ihre Begleitung in diesem Jahr, das Mitlesen und Ihr Interesse. Wie Sie sich vorstellen können, will ich im neuen Jahr springen, weshalb der kleine Schritt zurück jetzt notwendig ist. Wir treffen uns im Januar wieder. Passen Sie auf sich auf und folgen Sie Ihrem Herzen.

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Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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