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Gar nicht so einfach, in die Tasten zu hauen, wenn der Laptop auf den Oberschenkeln wackelt. Entweder bekommt man einen Buckel, oder der Bauch klappt nach vorne. Doch im Freien schreiben muss heute einfach sein – ganz besonders an einem Sonntag.

Das Schöne am Sommer ist, dass so vieles unter freiem Himmel stattfindet. Weshalb es mich ja im Winter immer nach Süden zieht, weil ich diesen Frischluftzustand einfach gerne verlängere. Daraus wird heuer vermutlich nichts, es sei denn, es geschieht ein Wunder. Und auch wenn ich in den vergangenen Jahren gelernt habe, in Wundern zu denken und sie daher auch erleben zu dürfen, bin ich doch schwer skeptisch, ob die Umstände so lange stabil bleiben werden, dass ich ohne Test und Quarantäne wie gewohnt von einem Kontinent zum anderen schweben kann. Das bereitet mir und meiner Haltung ziemliche Probleme, aber da ich eh nix ändern kann, lasse ich die Zeit (und die Labore) für mich arbeiten.

Umso mehr fokussiere ich mich auf das Fleckchen rund um mich herum. Bei Temperaturen über dreißig Grad ist die Versuchung groß, an einen See zu fahren. Doch heute ist Sonntag, und das wissen auch alle anderen, die schwitzen. Und deshalb widme ich mich heute dem Selfcaring zu Hause. Das hatte ich jetzt eine Zeit lang nicht; warum, habe ich vergessen. Und fast habe ich auch vergessen, was für ein Segen es ist, einen ganzen Tag selbst darüber zu entscheiden, was man tun und lassen möchte.

Ich habe heute das Anziehen gelassen. Den Tag im Badeanzug zu verbringen, hat mehrere Vorteile, für die man kein größeres Gewässer braucht. Man schwitzt weniger. Man kann spontaner unter die Gartendusche hüpfen. Man fühlt sich wie im Urlaub. Ich habe heute meine Verköstigung insofern unterlassen, dass ich – abgesehen vom Kochen eines Eis – einfach das gegessen habe, was essfertig zur Verfügung stand. Ab morgen koche ich mich ohnehin um Kopf und Kragen, weil ich mehrmals Gäste haben werde. Insofern genieße ich gerade das eine oder andere zähe Colafläschchen, das mir ein Gefühl von Kindheit schenkt. Alles, was irgendwie gummiartig schmeckt, ruft dieses Gefühl in mir hervor. Und hallo! Im Radio läuft gerade „The way we were“. Ich liebe die Serendipitäten meines Lebens. Und nein, ich werde jetzt nicht zum Folgelied „It started with a kiss“ in der Erinnerungskiste kramen.

Obwohl Musik natürlich auch zum Selfcaring gehört. Ich habe einen neuen Soulmusik-Sender entdeckt, der den perfekten Soundtrack für diesen Sonntag liefert. Warum bei mir zu Hause immer Musik laufe, wurde ich kürzlich gefragt. Und zugegebenermaßen konnte ich nur sagen, dass ich das gewohnt bin. Aus Colafläschchen-Zeiten. Ohne Musik war irgendwie alles nichts. Selbst heute merke ich, dass ich nur eine begrenzte Zeit ohne Lieder aushalte. Das hat mit Leichtigkeit zu tun, die Musik in mir weckt; viele Erinnerungen sind mit bestimmten Stücken untrennbar verbunden. Früher konnte das eine oder andere einen Melancholie-Flash auslösen. Inzwischen tanze ich auch zu jenen, die mich früher zu Tränen gerührt haben. Und das meine ich nicht ausnahmslos positiv. Doch wenn es ein Zeichen gibt, dass ich mich entwickelt habe, dann ist es genau das. Sich von unangenehmen Erinnerungen nicht mehr triggern zu lassen, sondern jedes Lied als Bestärkung zu feiern, dass man überlebt hat.

Sonntag

Dass Weisheit nicht automatisch mit dem Alter kommt, habe ich heute gelesen. Auf meiner hölzernen Liege, mit der schlafenden Katze nur einen Armlänge entfernt, erfahre ich, dass Weisheit nur jenen zuteilwird, die auch wirklich Jahr um Jahr bereit sind, sich selbst, die eigenen Erfahrungen und Einsichten immer und immer wieder zu hinterfragen, sie neu zu bewerten und daran zu wachsen. Da habe ich ja gar keine so schlechten Karten, eine alte weise Frau zu werden. Doch die Autorinnen des Artikels beruhigen auch jene, die das nicht auf sich nehmen wollen – ihnen helfe der reiche Erfahrungsschatz, der zu hoher sozialer Kompetenz und erfolgreicher Anpassung an soziale Gegebenheiten beiträgt. Das sei genug, um Vorbild zu sein. Ich könnte es mir leichter machen? Vielleicht im nächsten Leben.

Mein abschweifender Blick fällt auf eine ziemlich wilde Rabatte, in der Fetthenne, Essigbaum und Goldruten um den Platz kämpfen. Und weil ich mir heute vorgenommen haben, im Wechsel vertikal und horizontal zu agieren, hole ich Schaufel und Schere. Bald ist ein Haufen beieinander, der in die Biotonne wandert. Der gekaufte Lavendel bekommt einen größeren Topf, die den Weg überwuchernden Bergenien werden geteilt und an anderen Orten des Gartens eingesetzt. Ja, in Momenten wie diesen habe ich das Gefühl, dass ich in meinem eigenen Gartencenter lebe – alles ist schon da. Das ist übrigens eines dieser Wunder, von denen ich vorher gesprochen habe. Lässt man die Natur machen und bringt ausreichend Geduld mit, vermehrt sich vieles von selbst oder siedelt sich freiwillig an. Man braucht offene Augen und ein bisschen Gefühl für das, was man sich unter Ordnung vorstellt. Der Rest ist reiner Genuss, besonders an Tagen wie dem heutigen, an dem ich das endlich mit großer Muse wahrnehmen kann.

Jetzt im Radio „We are family“, und da passt es ja ganz wunderbar, dass ich heute einen Mittagsschlaf in meiner neuen Liegehütte gemacht habe. Ursprünglich als Aufenthaltshütte mit Tisch von den Kindern und ihrem Vater errichtet, hat sie sich in dieser Funktion nie durchgesetzt. Der Tisch war zu niedrig, die Sitzfläche zu hoch. Also beschloss ich, die U-förmige Bank zu schließen und als Liegefläche zu nutzen. Das Dach ist durchsichtig, was mich den nächsten Regenguss herbeisehnen lässt, damit ich ihn in der Hütte erleben und den Tropfen beim Trommeln zuschauen kann.

Wie der Springbrunnen im Teich bin ich heute durch den Tag geplätschert, und diese Entspannung hätte ich als Badesardine am See vermutlich nicht erreichen können. Es wäre vermutlich der Aktivitätenplan für die anstehende Woche entstanden, ein äußerer Kampf mit den Mücken und ein innerer mit den Gesprächsthemen der Menschen um mich herum losgebrochen. Das alles habe ich mir erspart. Indem ich ganz antizyklisch daheim geblieben und dem Herdentrieb widerstanden habe. Ab morgen treibt mich mein Leben eh wieder vor sich her. Ich freue mich darauf.

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Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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