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Mein Ex meinte, dass ich momentan gerade sehr im Kopf bin. Dabei habe ich ein völlig entgegengesetztes Gefühl. Impulse ja, aber die führen gerade nirgendwo hin.

Einer dieser Sommertage, auf die ich schon lange gewartet habe. Von den Morgenstunden an strahlend blau, mit einem prickelnden Wind und ausreichend Wärme. Im Grunde ein idealer Badetag, wenn man sich nicht selbst sabotieren würde. Das passiert manchmal, und gerade dann schätze ich mich glücklich, dass es mir überhaupt auffällt. Täte es das nämlich nicht, befände ich mich in einem Status der Stagnation und würde mir den Kopf darüber zerbrechen, was das nun wieder soll.

Ich stelle also diese Lähmung in mir fest. Die Ursachen sind mannigfaltig und deshalb ein kompliziertes Geflecht von Gedanken. Erstens spüre ich, dass sich in meinem Körper sehr viele Informationen gesammelt haben, die irgendwie feststecken. Ich kriege sie auf die Schnelle nicht los, so etwas braucht Zeit. Jetzt könnte man meinen, dass Wasser ja den absolut richtigen Effekt hätte, nämlich das alles auszuspülen. Grundsätzlich richtig, doch wenn man das Gefühl hat, dass man wie eine Boje AUF dem Wasser liegt, statt sich IM Wasser treiben zu lassen, sind das mangelhafte Zustände. Abgesehen davon hat die Erfahrung gezeigt, dass ich immer wieder die Geschichte der Umliegenden aufschnappe, und insofern ist die Gefahr einer weiteren Zunahme meines Overkills an Informationen groß. Punkt 2: Das Zeitmanagement, das für heute Tanzen und Texten und Treffen vorsieht. Tauchen brächte dieses Konstrukt schon wieder ins Wanken, weil auch mein Tag nur 24 Stunden hat – da kannste machen gar nix. Dass ich nicht weiß, wie warm der See ist, befördert die Gemengelage auch nicht gerade.

Sie verstehen nun vielleicht meine Stagnation. Extremhitze hat diese Auswirkung auf mich, schon die Aussicht darauf lähmt mich. So wie es aussieht, weiß ich aktuell vor allem, was ich NICHT will. Und das macht mich hellhörig. Denn grundsätzlich weiß ich zwar, dass ich nichts muss, doch diese Vermeidungsstrategie ist normalerweise keine konstruktive – zumindest in meiner Welt. Ich bin dafür, nicht dagegen. Wie drehe ich das also?

Ich darf

Ich darf alles! Ich darf zuhause bleiben, meinen Fuß pflegen, der immer noch Achtsamkeit erfordert. Ich darf mich unter die Gartendusche stellen, wenn sich die Körpertemperatur in Sturzbächen an Schweiß äußert. Und ja, ich darf auch eine Bauchtanzstunde ausfallen lassen, wenn ich befürchte, dass mich die Hitze samt körperlicher Betätigung in die Knie zwingen wird. Dort zu verweilen, hat sich angesichts meines Fuß als wenig zielführend erwiesen. Auch wenn diese Stellung gut gegen den Zehenkrampf ist, den ich hin und wieder ausfasse, wenn mich der Bellydance-Perfektionismus befällt.

Ich darf im Schatten sitzen, so lange ich will, egal, ob das Schönheitsideal einen braunen Teint vorsieht oder nicht. Coco Chanel mag in den 1920ern die sonnengegerbte Haut zum Statussymbol gemacht haben, doch wenn die Lebensart und die Unabhängigkeit an einem äußeren Merkmal hängen bleibt, läuft es auf eine. Und die kann man ändern. Oder sich zumindest davon lösen. Nicht dass ich mir mit leicht gebräunten Wangen nicht auch besser gefallen – kommen allerdings verkniffene Gesichtszüge ob der Hitze davon, die in Grimmigkeitsfalten münden, verliert das Sonnenbad deutlich an Attraktivität.

Ich darf für mich selbst kochen, was von Vorteil ist, weil ich dann weiß, was ich esse. Im aktuellen Zustand: Detox! Ja, es gibt Lebensmittel, die einen Abfluss von Information befördert, aber natürlich sollte man dann auch darauf achten, dass der Zufluss einigermaßen kontrolliert bleibt. Deshalb habe ich im Telefonat mit meinem Ex auch darauf hingewiesen, dass ich nur so viel erzähle, weil er mich gefragt hatte und eigentlich viel lieber geschwiegen hätte. Und bei allem Wohlwollen, weniger gehört hätte. Aber was soll ich sagen? Der Mann ist trotz seiner höchst positiven Entwicklung halt immer noch lösungsorientiert und bemüht, mein Leben zu verbessern. Mitunter haben wir beide davon unterschiedliche Auffassungen. Und meine ist heute: Ich darf alles, muss nix. Auch keine Lösungshinweise annehmen. Deshalb darf ich auch die Lösungen in mir selbst finden. Kann dauern, doch ich hoffe, dass sie in einen entleerten Kopf weicher fallen. Dass ich mich jetzt als Ganzes weich in die Hängematte fallen lassen, dürfte helfen.

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Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
Kommentare  
# Bambus 2020-07-10 08:51
"Dürfen" erinnert mich auch immer wieder daran wie Privilegiert ich bin. Eine gute dankbarkeitsübung!
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# magclaudiadabringer 2020-07-10 09:53
eine stete uebung, sich das in erinnerung zu rufen, was uns im und am alltag naehrt - danke fuer ihren beitrag!
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# Michael M. Staub 2020-07-24 10:49
Alles zu dürfen heißt nicht, auch alles machen zu müssen. Ich darf und will auch Vieles. Aber ist es heilsam? Ist es nur für mich Selbst oder profitieren auch andere davon? Ist das, was ich darf und will, im Sinne der Lehre des Buddha (wenn man sich denn danach orientiert)? Ist der Ursprung des Wunsches bedingt durch Begierde (nach sinnlichem Erleben, Sein oder Nicht-Sein; kurz Wollen), Abneigung (Ablehnung, Hass, negative Gefühle; kurz Nicht-Haben-Wollen) oder Verblendung (Ignoranz, Nicht-Wissen, falsche Ansicht über mich und die Welt)? Ein weiser Mann hat einmal gesagt (leider ohne Quellenangabe), sinngemäß: "Es geht auf dem spirituellen Weg nicht darum, seinem Herzen zu folgen, sondern vielmehr darum, sein Herz zu schulen." Besser könnte man es nicht auf den Punkt bringen. - Dass die Impulse im Moment gerade nirgendwo hin führen, ist daher nicht verwunderlich, denn sie führen in der Tiefe nie irgendwo hin. Höchstens dorthin, wo in abgewandelter Form wieder genau die gleichen Probleme vorherrschen, wie vor dem Impuls. Und dann folgt man halt dem neuen, nächsten Impuls, getrieben vom frommen Wunsch, dass es nun endlich besser würde und man sich einredet (und vielleicht sogar glaubt): "wenn ich es nur noch geschickter anpacke, dann wird es dieses Mal schon klappen mit dem Glück und der Befriedigung meiner Wünsche." Leider wird es das nicht; nicht ohne eigene innere Änderung und nicht ohne Schulung des eigenen Herzens, nicht ohne Verminderung der eigenen unheilsamen Herzensqualitäten (namentlich: Gier, Hass und Verblendung) und gleichzeitiger Entwicklung und Entfaltung der heilsamen Herzensqualitäten (namentlich: bedingungslose und unpersönliche Liebe, Mitgefühl und Weisheit). Wünsche zu haben - und seien sie noch so erhaben - ist ein Teufelskreis; eine never ending story. Wie W. Busch es einmal treffend formuliert hat:" Sobald ein Wunsch befriedigt ist, kriegt er sofort Junge!". Darüber sollte man (oder besser: DARF man), einmal genau nachdenken (kontemplieren). Es wird unser Schaden nicht sein.
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# magclaudiadabringer 2020-08-03 18:55
sehr geehrter herr staub, ich stimme absolut zu, dass es die wurzel von wuenschen sehr genau unter die lupe zu nehmen gilt. und ich denke auch nicht, dass selbstoptimierung dabei hilft, wuensche zu befriedigen. ich wuerde sogar so weit gehen, dass man seine wuensche loslassen muss, damit sich (eventuell) etwas tun kann. mein kleiner nachbar ist ja auch nicht folgsamer oder liebenswuerdiger geworden, nur weil er sich dieses auto wuenscht. er hat seinen wunsch einfach deponiert und dann weitergespielt. danke fuer ihre gedanken!
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