Wie viele von euch schon wissen, liegt es mir fern, Recherchen anzustellen und Fakten zu liefern. Diesen Job halte ich für notwendig und respektiere ihn sehr. Darin bin ich aber nicht besonders gut.
Hinzu kommt, dass in Zeiten von Wikipedia jede/r schnell recherchieren kann, was für derzeit das Wichtigste zu einem Thema gehalten wird. Noch nicht einmal zum Lexikon müssen wir greifen, um uns zu bilden oder zu informieren.
Vielleicht ist es Faulheit und eine schwache Entschuldigung dafür, dass ich lieber aus meiner Lebenserfahrung heraus schreibe. Da ich seit fast vierzig Jahren meditiere, spreche ich auch aus ebenso vielen Jahren Meditationserfahrung und Umgang mit Menschen, die sich von asiatischen und Urtraditionen, von buddhistischen Lehren angezogen fühlen.
Wie viele andere höre ich also seit fast vierzig Jahren Vorträge, lese Bücher oder kursierende Artikel, die man kopieren kann. Filme wurden gezeigt. Manche reisten nach Poona oder saßen in Europa zu Füßen von Gurus. Oder sahen sich Videokassetten an, in den schweren Rekordern. Nach den Wellen türkischen, portugiesischen, griechischen Essens, die die Arbeitsemigranten in unsere großen Städte brachten, und damit Köfte, Bacalhau und Stifado, wurde es auch modern, sich einer vegetarischen Lebensweise zuzuwenden: Man hörte von den Segnungen einer ausgeklügelten Ernährung, die aus dem indischen Raum stammte, und viele lasen die ersten Bücher über Yoga, Mantren oder ayurvedische Ernährung.
Ich erwähne hier die Bücher immer wieder, die Vorträge mit allen Übersetzungen, um auch die Schreibenden wie mich selbst zu ermutigen: Dass sich hier noch Felder auftun, über den eigenen oder tradierten Heilungsweg, dem man folgt, Zeugnis abzulegen. Wir haben dieses Bedürfnis weiterzugeben, was uns selbst geholfen hat, körperlich gesünder, geistig balancierter, insgesamt stabiler, freundlicher, vielleicht sogar: glücklicher werden ließ. Trotz aller Schicksalsschläge. Daraufhin den eigenen Lebensweg abzuklopfen und die verschiedenen Edelsteine zu sammeln und zu einem Ganzen zu fügen, halte ich für eine gute Idee.
Als meine Tochter geboren wurde, oder schon vorher, in der Schwangerschaft, fand ich es nicht nur leicht, das Rauchen aufzugeben, sondern mich und damit uns für Jahre fast nur organisch-vollwertig-vegetarisch zu ernähren. Damals hatte ich meine strengste Phase ernährungstechnisch und bedauere das nicht. Es tat gut. Da ich zeitgleich bei den GRÜNEN IM BUNDESTAG arbeitete, passte alles zusammen. Denn diese Partei und ihre Mitarbeiter*innen schockten nicht nur durch Turnschuhe in der Fraktionssitzung, Fahrradfahren zwischen den Bundestagsgebäuden und Rotationsprinzip an der Parteispitze, sondern auch durch ihre vegetarischen Buffets in der Halle zwischen den Fahrstühlen. Als ich dann mit anderen den Grünen Kindergarten gründete in der Fritz-Schäfer-Straße, fünf Minuten vom Abgeordnetenhaus entfernt, passte noch mehr: Auch die Kinder fanden in etwa das Ambiente, das wir Erwachsenen für sie herstellen wollten.
Wie geschockt war ich zu lernen – ich war in den Dreißigern –, dass Tibeter Fleisch aßen! Lange kam ich nicht damit zurecht. Wir sollten doch nicht töten, und es gab eine Menge Geschichten von Meditierenden, die sogar Kleinstlebewesen retteten. Mit der Zeit wurde ich lockerer, weil ich Fisch nach wie vor liebte und, selten!, italienischen Schinken oder echte Salami auf dem Brötchen schätzte. Circa eine Currywurst pro Jahr habe ich mir erst viel später und mit großem Genuss erlaubt, und der Duft von Hühnchen konnte mich betören, trotz Massentierhaltung.
Es ist ja so ein weites Feld, und ich könnte seitenlang erzählen, was ich erlebte und zu welchen Erkenntnissen ich gelangte. Manche von ihnen hielten sich, manche nicht. Durch meinen Arbeitsplatz bei den Grünen und durch die Beschäftigung mit Rudolf Steiner und organischer Landwirtschaft, ohne dass ich je auf einem Acker mehr als vier Stunden gearbeitet hätte, wurde mir immer klarer, worauf es entscheidend ankommt – ob mit oder ohne Tiere bei der Ernährung: Die Achtsamkeit, mit der Boden, Pflanzen, Tiere, unsere Nahrung und die der Tiere behandelt werden, und die Dankbarkeit.
Zur Dankbarkeit möchte ich noch anführen, dass ich hierzu das meiste durch die Überlieferungen amerikanischer Ureinwohner gelernt habe. In den Jahren, in denen ich Schwitzhütten und andere Zeremonien besuchte und Fortbildungen im Schamanismus erlebte. Das Ausmaß des Respekts von Ureinwohnern vor jedem Wesen, jeder Begegnung, jeder Handlung finde ich umwerfend und überzeugend groß und nachahmenswert. Wenn wir unsere Verwandten essen und ihre Körperteile für uns nutzen (Felle, Hörner, Leder usw.), dann tun wir das, indem wir ihnen erstens so wenig Leid wie nur möglich zufügen und zweitens, indem wir Ehrfurcht, Dankbarkeit und Demut zum Ausdruck bringen. Damit und mit Ritualen sorgen wir für Ausgleich. Wenn wir etwas nehmen, geben wir etwas zurück. So einfach ist das. Sollte man meinen.
Dieses scheint mir, nach allem, was heute auf dem Spiel steht, nämlich möglicherweise für ein gutes Leben unserer Nachfahren das Wesentlichste zu sein. Nie werden alle Menschen auf Fleischessen verzichten wollen oder können. Es geht ja noch weiter: Heute wird, wahrscheinlich zu Recht, die vegane Ernährung als die für uns und den Planeten heilsamste gepriesen. Ich glaube das und richte mich (vielleicht noch) nicht danach. Ich finde aber, dass menschliche Reife sich dadurch auszeichnet, dass wir etwas für richtig erachten und danach streben, dieses Richtige oder Gute zu leben, zu unterstützen, zu ermöglichen. Auch wenn wir nur einen Bruchteil davon schaffen, heißt es nicht, dass das Ziel falsch ist oder wir selber. Nein, wir üben einfach weiter und essen weniger Fleisch und Fisch. Wir kaufen es nur noch dort ein, wo wir eine gesunde Landwirtschaft unterstützen und die Bauern sich deswegen abrackern. Wir essen weniger und dankbarer, geben ab, laden einen ärmeren Mitmenschen dazu ein oder eine Familie.
Wir unterschreiben Petitionen gegen die Massentierhaltung von Tieren oder gehen mit den Familien auf die Straße; unsere – vor allem kleinen – Kinder werden glücklich darüber sein.
Wir bilden uns weiter, in vegetarischer und manchmal veganer Küche, legen Fastenwochen ein, in denen wir auf Butter, Eier, Käse verzichten, und gucken, wie uns das bekommt. Den Tieren und unseren Kindern und Enkeln wird es damit ausgezeichnet gehen, die lernen nämlich von uns. Wir verschönern unsere Tischrituale, erfinden eigene Gebete und/oder kleine Altäre, die uns das Herz aufgehen lassen.
Für ein seelenvolles Leben und Essen – es sollte mich wirklich wundern, wenn wir mit dieser offenen und doch entschiedenen Haltung nicht uns selber und andere erfreuen und anstecken würden. Auch der Verzehr einer Currywurst kann enorm aufgewertet werden durch einen Vers des Dankes, und dann geben wir dem Buddha auf dem Altar sogar ein kleines Stückchen davon ab, damit er es und unseren Weg segnet.
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Vor allem in einer Zeit, in der es nicht nötig ist auf tierische Produkte zurück zu greifen.
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