Der Lockdown als Folge der Corona-Pandemie wurde gelockert, und nun tauchen Nachrichten auf, die erschüttern.
Wie stark die Gewalt gegen Kinder zugenommen hat, wird allmählich ablesbar an dem Andrang bei Krisentelefonen und den Verletzungen von Kindern, auf die Mediziner aufmerksam geworden sind. Haben Suizide auch zugenommen? Genaueres ist bisher nicht bekannt, eine meiner Freundinnen, die mit einem Psychiater verheiratet ist, äußerte diese Vermutung. Über beides wird nicht gern gesprochen, was sich auch in Zukunft kaum ändern wird.
Aber wir sollten es zum Thema machen – in der tiefsten und mitfühlendsten Weise, die uns zur Verfügung steht. Was ist mit den Kindern in uns selber geschehen, als die Pandemie ausbrach und wir uns nur noch mit den Nachrichten befassten und unseren Weg durch den Dschungel verstörender Maßnahmen bahnen mussten, ob wir wollten oder nicht? Mit unseren „inneren Kindern“ meine ich diejenigen Anteile von uns, die bei Angst, Unsicherheit, Überforderung und Hilflosigkeit angesprochen und aktiviert werden: Stellen wir uns taub und sind wie gelähmt? Geraten wir in Aktivismus, telefonieren mit allen Bekannten und Freunden, backen Brot, kochen, spielen mit den Kindern und Verwandten, putzen andauernd und sind abends und manchmal den ganzen Tag über erschöpft? Oder ziehen wir uns zurück, von allem, ins Bett, anfangs noch lesend und Musik hörend, später erschöpft, verlieren uns in Filmen und anderen wohlbekannten Ablenkungen? Die Impulse dazu sind angemessen, normal, denn wenn Unsicherheit und Veränderung der Lebensumstände ein bestimmtes Maß überschreiten, dann fallen wir in gewohnte Lebens- und Überlebensmuster zurück.
Ich hätte mir gewünscht, wir wären auch darüber, über diese psychologische Gesetzmäßigkeit, in einer allgemein verständlichen Sprache, aber nicht infantilisierend im Fernsehen oder im Radio aufgeklärt worden. Ich hätte mir gewünscht, nicht andauernd nur vom Händewaschen zu hören, sondern auch, wie wir unsere spielerische Neugier entwickeln können, mit unseren Kindern aus allem ein Spiel machen könnten, wie wir ihnen – und damit unseren „inneren Kindern“, den unreifen Anteilen in uns – die neue, herausfordernde Situation darstellen können!
Wenn wir Erwachsenen selber schon so viel Angst hatten und haben, vor unserer Zeit zu sterben oder Oma und Opa in sehr traurigen Umständen sterben sehen zu müssen: Wie sollen diese Szenarien, die UNS veranlasst haben, dauernd darüber nachzudenken, an unseren Kindern vorübergehen, ohne dass diese Schaden nehmen? Wie sollen Familienbeziehungen, zu denen Oma und Opa und die anderen Verwandten, die Nachbarn und Freunde, die Lehrer und Eltern der Freunde zählen, NICHT Schaden nehmen, wenn jeder Kontakt verboten ist (denn so sieht das für Kinder aus), jede freie Bewegung mit Berührungen, Ausgelassensein und Toben unterbunden, ja vielleicht sogar bestraft wurde und wird? Wir Erwachsenen werden auch bestraft für Spontanität und normale menschliche Bedürfnisse nach Zärtlichkeit, Kuscheln, körperlichem Trost.
Ich hätte mir tägliche Radiosendungen, Fernsehtalks gewünscht, für uns alle und auch für unsere Kinder und Jugendlichen, in denen so liebevoll aufgeklärt worden wäre oder in Zukunft wird, was wir alles zusammen versuchen, aber auch, dass Küssen, Umarmen, Kuscheln und Toben ein so gesunder und notwendiger Ausgleich sind für die uns abverlangte Starre und Selbstbeherrschung.
Auch wird der Tod, werden die Sterbenden und Toten wieder einfach weggesperrt, noch schlimmer als vorher schon. Wer hat schon Tote gesehen, ich kenne viele Erwachsene, die sich das als furchtbar vorstellen, wie soll denn das erst für unsere Kinder sein?
Beerdigungen darf es fast nur heimlich geben, DIE Gelegenheit, mit dem oder der Verstorbenen Zwiesprache zu halten und sich daran zu gewöhnen, dass diese Seiten unseres Lebens, Vergänglichkeit (auch durch Not, Gewalt, schwere Krankheit), immer zum Leben dazugehört haben und es auch weiterhin so sein wird. Ich wünsche mir und uns allen, dass wir endlich die zentrale Botschaft des historischen Buddha als so revolutionär erkennen, wie sie tatsächlich ist: Dass nämlich alles Leben in ständiger Wandlung ist und teilweise in unserer Hand liegt. Leiden, Altern, Krankheit, Tod liegen nicht in unserer Hand. Aber das WIE, wie wir diese Widerfahrnisse erleben, gestalten, uns ggf. sogar vorbereiten, ist sicherlich zu üben. Wie wir andere unterstützen, allen lebenden Wesen in ihren Schmerzen, Angst, Hunger und Durst zu begegnen, diese Leiden zu lindern, ihnen beizustehen, das können wir in der Tat beeinflussen. Wie wir ebenfalls beeinflussen können, dass wir das Schwere nicht noch schwerer machen, sondern manches sogar mit Leichtigkeit, mit Anmut und Tapferkeit tragen und damit Vorbild und liebende Mitwesen sind auf diesem Planeten.
Was das mit der Pandemie zu tun hat? Alles. Empathie ist nichts anderes als liebevolle Güte – ein Zauberwort. Wenden wir es an.
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