Alles kann man richtig und falsch machen, aber nicht im Sinne einer absoluten Wahrheit, denn die gibt es nicht. Ich kann versuchen, einen Nagel mit einem Hammer oder einer Kerze einzuschlagen.
Dann ist das eine in Bezug auf das zu erzielende Ergebnis, der Nagel soll ins Holz eindringen, richtig und das andere falsch. Wenn ich das Nageln aber als Spiel betrachte, etwa mit einem dreijährigen Kind, ist es genauso richtig, auf den Nagel mit einer Kerze zu klopfen, wie mit einem Hammer.
Das Gleiche gilt für Achtsamkeit. Was ist die Methode, und was ist ihr Ziel? Nur wenn ich beides definiere, gilt die Aussage, dass man richtig und falsch achtsam sein kann.
Die Methode stammt von Buddha Shakyamuni. Von ihm kennen wir die Aussage, dass es nur einen Weg aus dem Leiden gibt, und das ist die Übung der Achtsamkeit.
Die österreichische Achtsamkeitslehrerein und Philosophin Ursula Baatz beschreibt im österreichischen Radio eine Methode, um Achtsamkeit zu vermitteln, die sogenannte „Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion“, die von Jon Kabat Zinn erfunden wurde. Ist das nun die gleiche Achtsamkeit wie jene des Buddha und haben beide dasselbe Ziel? Entsprechend Baatz ist: „Achtsamkeit nichts Besonderes. Kinder sind das einfach, sie sind versunken in das, was sie machen, nehmen alles wahr, sind offen und liebevoll mit dem, was jetzt ist, das ist ungefähr die Haltung der Achtsamkeit.“
Der bekannte deutsche Buddhist Franz Johannes Litsch sagt: „Achtsamkeit ist immer ethisch. Das weist darauf hin, dass nicht alles, was achtsam genannt wird oder als Achtsamkeitsmeditation verbreitet wird, im ursprünglichen buddhistischen Sinn wirklich achtsam oder Achtsamkeitspraxis ist.“
Beide Zitate verweisen darauf, dass Achtsamsein bedeutet, heilsam, also liebevoll und behutsam zu sein. Immer achtsam wäre somit ein Buddha, der jegliche egoistische Handlung überwunden hat. Doch ist so eine Art der Achtsamkeit für normal sterbliche Menschen, die nicht wie ein Buddha sind, möglich? Der indische Philosoph Krishnamurti fragt in diesem Sinn seine Zuhörer und Zuhörerinnen: „Haben Sie schon jemals im Leben etwas ohne jegliches Eigeninteresse gemacht?“
Ist ein nicht liebevoller, etwa ein im Herzen grober Mensch, wenn er liebevoll handelt, wirklich liebevoll? Hat er seine Grobheit überwunden oder nimmt er, bewusst oder unbewusst, die liebevolle Haltung nur ein? Etwa, weil er dadurch etwas erreichen möchte oder weil er meint, achtsam zu sein. In diesem Fall hätte er nur einen Heiligenschein aufgesetzt. Diese Haltung ist bei Priestern, Nonnen und Menschen in helfenden Berufen gelegentlich anzutreffen.
In der Arte-Bibliothek ist bis zum 05/07/2020 eine hochinteressante Serie zu sehen „Afghanistan. Das verwundete Land“
Seit vierzig Jahren herrscht dort Krieg. Alle Kriegsparteien, die Islamisten, Kommunisten, Russen, Amerikaner und Taliban, sind jeweils angetreten, um den Menschen zu dienen, zu helfen und Gerechtigkeit zu bringen – und alle haben dann gemordet. Sie alle sind mit dem Heiligenschein gekommen, und ganz viele haben auch wirklich geglaubt, Gutes tun zu wollen. Es war ihnen, zumindest jenen, die in dieser Serie zu sehen sind, nicht bewusst, dass sie etwas anderes wollten, Macht, Einfluss und Geld.
Das Ziel der Achtsamkeit ist eine Haltung, wie von Baatz und Litsch beschrieben. Aber auf dem Weg dorthin ist man auch dann achtsam, wenn man Unheilsames tut und das erkennt. Das ist selten. Die meisten Menschen wollen das Gute und glauben, gut zu sein. Warum schaut die Welt dann aber aus, wie sie aussieht? Achtsamkeit ist eine Methode, mit der das Dunkle im eigenen Inneren an die Oberfläche kommt, ähnlich einem Seziermesser, mit dem ein eitriges Furunkel herausgeschnitten wurde. Man kann sie dazu verwenden, Unheilsames, Ärger, Eifersucht in sich zu erkennen und loszulassen, dann ist das richtige Achtsamkeit, oder dazu genau dort nicht hinzuschauen, dann ist sie die falsche.
Achtsamkeit ist bewusste Innenschau. Sie dient dazu, unheilsame emotionale und geistige Zustände – Gier und Ablehnung – in sich zu erkennen, um ein heilsames Leben, ein von Gier und Ablehnung freies, zu kultivieren.
Die Praxis der Achtsamkeit ist schwierig, sie benötigt einen hohen Grad an Bewusstheit. Das kann Jahre dauern. Übt man sie, muss man nicht von Anfang an achtsam, im Sinn von heilsam sein, man würde sich nur verstellen. Ein stufenweiser Weg führt in ein liebevolles, mitfühlendes, freudiges und gleichmütiges Leben. Diese Emotionen um zehn Prozent häufiger als früher zu haben, ist auch schon gut.
Die Zeit der Corona-Krise können wir zur Läuterung des Geistes und der Gefühle verwenden, dazu, mit dem Denken und Fühlen immer weiser umzugehen.
Eine Achtsamkeitsübung ist auch die wertfreie Untersuchung eigener Persönlichkeitsstrukturen. Dafür können Fragen dienen, was Sie belastet? Was Sie behindert? Und was Sie im Leben freut? Unheilsame Eigenschaften können Sie mit einem kleinen Ritual, das zum Karfreitag passt, loslassen.
Sie werden damit nicht alle negativen Eigenschaften gleich auf Dauer überwinden. Die Übung kann eine bewusste Auseinandersetzung eigener dunkler Anteile sein. Mit ihnen kann man sich weiter auseinandersetzen. Die Serie wird bis Ostersamstag und Ostersonntag, der in unserer Kultur als Tag der Auferstehung gilt, fortgesetzt.
Achtsamkeit beim Abwaschen bringt uns Achtsamkeit beim Abwaschen. Mehr nicht !