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Diese Titelzeile war in den vergangenen Tagen wörtlich in mehreren Zeitungen zu lesen.

Ich lese und verstehe diese Worte auf drei Ebenen: einmal so, wie unsere Politiker Laschet, Merkel, Spahn sie sicherlich meinen: „Liebe Landsleute, nehmt die Krise bitte, bitte ernst. Schon so viele Menschen sind infiziert, viele sind gestorben, schaut nach Italien, weitere liegen im Sterben und demnächst werden noch viel mehr sterben.“ Eine Stimme auf der zweiten Ebene meldet sich und sagt: „Freunde! Das ist es genau, was uns die letzten Monate auf die Straßen trieb, uns und viele junge und Junggebliebene auf der ganzen Welt! Viele Arten sind schon gestorben, andere sind bedroht, was ist mit dem Wasser, unserer Luft und überhaupt? Mit unserer ERDE?“ Da meldet sich die dritte Stimme: „Liebe Mitwesen, wisst ihr denn nicht, es geht immer um Leben und Tod! Schaut euch doch mal um, im Mikrokosmos und Makrokosmos. Die Osterglocke vor euch, im Garten oder auf dem Fensterbrett verwelkt schon, gestern sah sie noch so strotzend aus, vor Licht und Kraft. Wie viele von euren Verwandten sind schon gestorben? Und du, du weißt doch, tief drinnen, dass jeder Moment, in dem du lebst, ein Wunder ist!“

Es geht also immer um Leben und Tod, ob uns das nun schmeckt oder nicht. Das ist an sich schon schwer zu realisieren, daher gibt es spirituelle, religiöse Wege, um den Gegebenheiten und dem zuweilen großen Leiden so zu begegnen, dass es nicht noch vergrößert wird. Denn meistens vergrößern wir Schmerz und Leiden noch, ohne es zu bemerken. Wir vergrößern das Leiden, wenn wir unser eigenes ignorieren und durch allerlei Aktivitäten überdecken. Wir vergrößern es aber auch, wenn es andere trifft. Ich erlebte mich für einige Minuten richtig sarkastisch, als ich diese Überschrift las. Verbittert dachte ich an die geflohenen Syrer aus einem Land, das einfach nicht in Ruhe gelassen wird, und viele andere Geflüchtete, darunter schwangere Frauen, Babys, kleine und größere Kinder. Hättet ihr Politiker, du, Jens Spahn, oder du, Angela Merkel, sie nicht wenigstens in euren Reden mit bedenken können? Kurz vor Ausbruch der Pandemie waren die Fotos an den Außengrenzen Europas vorherrschend. Von einem Tag auf den anderen waren sie verschwunden. Aber nicht die Not. Was war geschehen? Geschehen war, dass das nationale Eigeninteresse im Vordergrund stand: das europäische, das deutsche, das der eigenen Stadt, der eigenen Familie, des eigenen Körpers. Also das uns Menschen Typische. Gibt es Druck, Not, Entbehrung, Angst, schützen wir uns und unseren Stamm. Der Stamm ist dann auf einmal ganz schnell weltmaßstabsgroß geworden: Er umfasst China und Italien. Das ist ungewöhnlich, außer es geht um Waren und Geld. Was ist geschehen? Denen ging und geht es noch schlimmer als uns. Wir versuchen daher alles, damit es bei uns nicht so wird wie in China, in Italien.

Es geht um Leben und Tod

Der Sarkasmus ging, wie er gekommen war, nach kurzer Zeit. Geblieben sind eine Traurigkeit und tiefes Nachdenken. Ja, so sind wir Menschen. Hier können wir es studieren, was Buddha meint, wenn er uns erstens sagt: Das Haus brennt. Und zweitens: Das Haus brennt überall. Drittens: Was ist zu tun, wie löschen wir das Feuer?

Der Punkt ist doch – und es wird auch immer gesagt und behauptet –, wir sitzen alle im selben Boot, im selben Haus. Wenn wir es doch so wahrnehmen könnten. Ein paar leben im Keller, auf dem Dachboden, im Gartenhäuschen, in der Kanalisation. Das ist der Punkt. Nehmen wir auch die Unsichtbaren wahr? Nehmen wir wahr, dass es größere und kleinere Wohnungen in dem Haus gibt, manche ohne Wasser? Nehmen wir wahr, wenn ein Haus auf Sand gebaut ist oder auf einem starken Felsen? Nehmen wir wahr, dass das Virus zwar vorhanden ist und die Politiker und Politikerinnen, die natürlich auch wunderbare Menschen sind wie wir, ebenso, dass ein Leben mit dem noch bedrohlichen Virus eine Chance ist zum Erwachen? Ja, dass Erwachen wahrscheinlicher ist, wenn wir aus der Komfortzone herausgetrieben werden? Schließen wir unsere Wohnungslosen in unser Herz bei den Andachten, kochen wir für sie mit, für einen wenigstens, wenn wir kochen? Unterschreiben wir Petitionen und suchen nach Wegen des Engagements für die Geflüchteten, auch wenn wir momentan nicht auf die Straßen dürfen? Wir sehen, wie viel Geld mobilisiert werden kann, wie viele stabile, wettertrotzende Zelte aufgestellt werden können, wie viele deutsche Urlauber aus weit entfernten Regionen zurückgeflogen werden können. Wir sehen das, finden es richtig und schön, einerseits. Und denken aber auch, ernüchtert, dass wir uns das eigentlich immer schon dachten. Die Logistik ist da, Tausende von Geflüchteten unter Einsatz gebündelter Kräfte und Mittel aufzunehmen, zu verteilen, medizinisch zu untersuchen, sie langsam zu integrieren in die jeweiligen Gesellschaften.

Täglich wird gestorben, in Syrien, Afrika, im Jemen; Seuchen waren und sind zu ertragen in den Lagern dieser Erde, auf den Schiffen, die nicht anlegen durften und dürfen. Darwin lässt grüßen. Die Selektionsrampe. Entschuldigt, ich bin wieder sarkastisch. Zu oft war ich in Auschwitz. Dabei weiß ich ja selber nicht, ob und wie ich meine Mitmenschlichkeit bewahren kann, wenn ich den Virus bekomme und schwer erkranke. Oder meine lieben Verwandten und Freunde. Aber ich hoffe es. Ich bete dafür, täglich. Dass ich für die Politikerin genauso viel Mitgefühl aufbringe wie für Will, den Wohnungslosen, oder die Rohingya, Dalits, Kurden ...

... denn wir sind sie. Ich bin sie. Möge unser Haus auf Felsen gebaut sein. Für alle Wesen.

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Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
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