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In mich werden ja immer wieder Dinge hineinprojiziert, und nach anfänglichem Hadern habe ich mich damit abgefunden. Ich kann das eh nicht ändern, sondern mache Situationen durch Erklärungen vielfach schlimmer. Mit einem Wanderfalken verglichen zu werden, hat allerdings etwas.

Außer dass Wanderfalken drollig und klein sind, wusste ich bis vor Kurzem nicht viel über diese Zeitgenossen, die offenbar lange Zeit vom Aussterben bedroht waren. Doch wenn jemand schon einmal mit einem originellen Vergleich daherkommt, wollte ich mich damit beschäftigen. Die Antwort auf meine Rückfrage, wie dieser denn zustande käme, lautete übrigens: „Du bist auch dauernd unterwegs.“

Das stimmt schon, wenn auch nicht mit einer maximalen Geschwindigkeit von 320 km/h. Weder meine Schritte noch mein karmaviolettes Auto bewegen sich in diesen Dimensionen. Andererseits: Wie schnell fliegt ein Flugzeug? Die South African Airways hat mich zum Jahreswechsel immerhin mit über 1.000 Stundenkilometern an mein Ziel gebracht. Ein Wanderfalke bräuchte dafür dreimal so lange, hätte er die Puste, die Strecke in einem Zug zu schaffen.

Wenn ich mir das vergangene Jahr in Erinnerung rufe, in dem ich ja weniger reisen wollte, muss ich sagen: glanzvoll gescheitert! Berlin, Augsburg, Tirol, Wien, Frankfurt, Istanbul – daheimbleiben sieht anders aus. Und auch wenn ich das Gefühl habe, dass meine angepeilten Traumreiseziele immer weniger werden, finde ich trotzdem immer einen Grund, mich auf den Weg zu machen. Drei Reiseziele stehen schon fest, ein viertes kommt mit Sicherheit für das Jahresende hinzu. Und zwischendrin? Zu meinen Kapstadt-Plänen zählt beispielsweise, dass ich mich öfters mit meinen Eltern treffen möchte. Ob das bei ihnen, bei mir oder irgendwo dazwischen stattfinden wird, bleibt spontan zu entscheiden. Dazu werde ich auch ins Auto springen, die Musik laut aufdrehen und mich des Lebens freuen. Auch meine Tochter möchte ich besuchen, sie weiß davon allerdings noch nix.

Inzwischen freunde ich mich mit dem Wanderfalkenvergleich an. Denn offenbar gibt es wirklich Parallelen, die mir so noch nicht bewusst waren. Zugegebenermaßen beschäftige ich mich mit dem Federvieh viel zu wenig, abgesehen von Tauben und Raben, Spatzen und Amseln, Meisen und vereinzelten Rotkehlchen, die sich in meiner näheren und weiteren Umgebung Gehör verschaffen und manchmal auch der Katze als Nahrung dienen, wenn sie wieder einmal das Raubtier in sich entdeckt und mit dem dreigängigen Menü unzufrieden ist, das ich ihr vorsetze.

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Der gravierendste Unterschied zwischen den Vögeln und mir – abgesehen von der Fortbewegungsart und dem Aussehen – ist, dass sie Felsbrüter sind. Man gebe mir einen Felsen, und ich laufe davon. Als Stein kann ich ihn noch ertragen, schränkt er meine Sicht ein, erwachen in mir zwei Reflexe: jener, Ausschau nach einem Lift oder einer Straße zu halten, um hinauf zu kommen, oder jener, zu flüchten. Neunzehn Jahre in einer bergigen Gegend aufzuwachsen, prägt. Manche finden Freude daran, ihre Kräfte mit dem Felsen zu messen; ich verwende meine Kraft darauf, möglichst intensiv auf das Gaspedal zu drücken. Das natürlich nur, wenn ich zu einem kurzfristigen Felsbrüten eingeladen werde, sprich meine Eltern besuche. Erst kürzlich dachte ich mir, dass selbst ein offener Talblick nichts daran ändert, dass sich auf der gegenüberliegenden Seite Berge auftürmen, die den Horizont beschränken. Und das auf mannigfache Weise. Trotzdem kann ich natürlich verstehen, dass das für Flachländer das Paradies ist. Das Gesetz der Polarität eben.

Wanderfalken zieht es zunehmend in die Städte, sie brüten an modernen „Felsen“, lese ich. Die sind offenbar auch schon draufgekommen, dass dort das Leben interessanter ist. Als Ort mit der höchsten Dichte an brütenden Wanderfalkenpaaren gilt Manhattan. Muss für mich jetzt auch nicht sein, obwohl ich gerne in dieser Stadt lebe, wo mein Haus steht. Übrigens keines aus Felsen, sondern aus Holz. Insofern werde ich wohl nie einen Wanderfalken unter meinem Dach zu beherbergen haben. Doch wahrscheinlich ist eh zu wenig Platz in diesem Revier für zwei unserer Art.

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Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
Kommentare  
# Nicola 2020-03-06 08:16
Ich sehe mich immer wieder gerne als Ameise.. Klein und von allen unterschätzt :)
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