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Es gibt einige christliche Gebote, die mir immer eingeleuchtet haben und die ich, als ich mich immer tiefer auf den Buddhismus einließ, wiederfand. Der Nachbar als Nächster.

Das machte mich froh und vertiefte die Angelegenheit.
Behandelte Deinen Nächsten so, wie Du selbst behandelt werden möchtest.
Das ist doch super, was für Probleme haben wir noch, sollte man meinen. Nachbarn, die man nach Wochen oder Monaten tot in ihren Wohnungen findet; einsame Nachbarn, mit denen man mal einen Plausch halten könnte. Oder man ist selber der einsame Nachbar und liegt fiebrig im Bett, froh über jemanden, die einen Einkauf für einen erledigen könnte. Solange ist es noch einfach nachzuvollziehen, worum es geht, wenn auch nicht einfach zu leben. Haben wir wirklich noch Kontakt zu unseren nächsten Nachbarn? Ich frage mich gerade, ob ich bei dem einen, den ich schon lange nicht mehr getroffen habe - Nachbarn trifft man ja meistens: auf der Treppe, am Briefkasten, am Mühlcontainer oder weil sie ein Päckchen angenommen haben - einmal klingeln sollte. Oder ihm eine Nachricht in den Briefkasten werfen sollte. Ja, das werde ich tun.
Nachbarn sind aber auch die im Nebenhaus. Oder der, die Straße mit diesem schrecklich lauten Gerät "fegt". Oder der Trupp, der die Glascontainer leert. Die Postboten, heute so schrecklich abhetzt und niedrig bezahlt. Wie ist es mit den Taxifahrern in meiner Straße, mit dem Kiosk ganz unten, wo ich gerne meine Zeitung kaufe, manchmal auch mehr?
Zählt die kleine, belebte Einkaufsstraße dazu, wo ich das meiste finde für den täglichen Bedarf, plus ein recht neues, ansprechendes Café, in dem oft Mütter mit Babies sitzen, weil es dort so gemütlich ist und keine Musik läuft? Dann müssen wir aber auch den Bioladen dazu zählen und das kleine, aber feine Buchgeschäft. Und schon sind wir bei dem Gedanken des Viertels, des Quartiers, der Gemeinde, die um eine Kirche herum wohnt, angekommen. Man sollte mal wieder in die Kirche gehen, allein, um zu sehen, wer von den Bekannten Sonntags hier zu finden ist! Schon länger denke ich, ich müßte bei nächster Gelegenheit sowohl in die katholische wie die evangelische Kirche gehen, einfach, um ein tieferes Bild der Nachbarschaft zu erhalten, in der ich seit bald fünf Jahren lebe.

Der Nachbar als NächsterNachbarn sind aber auch Viertel für einander: Kenne ich das Nachbarviertel, das vielleicht ärmer ist als meines, oder umgekehrt. Trage ich Sorge dafür, wie es in meinem Dorf, meiner Stadt zugeht und beteilige mich an öffentlichen Diskussionen, zum Beispiel darüber, ob endlich genug Schutzstreifen für die Radfahrer*innen eingerichtet werden, ob Kinder sicher zur Schule kommen, ob ein Freibad geschlossen wird, ob Wohnungslose hin und hergeschoeben werden? Weiß ich etwas über die Flüchtlingspolitik meiner Stadt, über die Diskussion, wie dem wachsenden Antisemitismus Einhalt geboten wird, wie wir durch persönliche Begegnungen der Islamophobie den Stachel nehmen können?
Ich meine nicht, wie manche jetzt meinen könnten, es käme darauf an, sich um alles zu kümmern und wenn das anfängt, gerät man schnell in die Hilflosigkeit aus Überforderung und stellt sich taub. Nein, es ist mehr eine Frage des Bewußtseins. Ob es mich interessiert, etwas angeht, ob ich mich verantwortlich fühle, grundsätzlich. Da hat mir der Mahayana-Buddhismus mit seinen Anschauungen und Geistestrainings sehr geholfen. Die Erkenntnis der wechselseitigen Verbundenheit kann mir immer wieder klarmachen, dass ich mich im Anderen erkenne und den Anderen in mir, ja, dass es letztlich keinen Nächsten gibt, der ich nicht bin. Das ist kein Mangel an Respekt vor Grenzen und Diversität. Es bedeutet nur, und das ist viel, daß mich die Wesen, mit denen ich meine Lebenszeit auf diesem Planeten teile, etwas angehen. Dass ich aktiv werde. Sie werden zu ihrer Zeit vergehen wie ich.
Früh schon, nachdem ich die Anschaung der Zenpeacemaker kennen gelernt hatte, konnte ich die Länder, die um Deutschland herum liegen, völlig anders wahrnehmen, wirklich als unsere Nachbarn. Die zumindest in den grenznahen Orten auch stets aufeinander angewiesen waren, wo man hin und her ging oder fuhr. Die Diplomatie hatte sich ohnehin in besonderer Weise der Nachbarländer anzunehmen, man schloß Pakte oder verriet sie. Nazi-Deutschland verriet fast alle denkbaren Pakte und überfiel alle seine Nachbarländer und die dahinter auch noch. Was haben diese barbarischen Akte für Folgen ggehabt in den Beziehungen zwischen den Nachbarländern? Konnte man sich noch verlassen? Nein, man konnte nicht, man kann es ja vielleicht heute noch nicht je nach Schwere der Wunden.
Die, mit dem ich gerade zu tun habe, ist stets meine Nächste. Nehme ich das wahr, dies Geschenk des Lebens? Bin ich da, wie Thich Nhat Hanh es immer wieder betont, bin ich wirklich verfügbar für den Menschen, für das Wesen, für die Gesundung der Erde? Um all das herauszufinden, hinzuspüren, mir und anderen zu vergeben, meine Prioritäten geschickt und flexibel zu setzen, immer eingedenk der Vergänglichkeit all dessen, was geschaffen wurde, brauchen wir Zeiten zum Innehalten: Täglich, wöchentlich, monatlich, brauchen Feiertage, Rituale, Gemeinschaften, Alleine-Sein. Wenn wir uns diese not-wenigen Zeiten nicht - mehr - gönnen können und unsere Kinder nicht mehr so erzogen werden, dass es Zeiten für das Einfache geben muß: Dann setzen wir gewiß die Prioritäten so, wie Werbung und Oberflächendenken uns es einreden wollen. Wir versäumen, uns um unsere tiefen Bedürfnisse zu kümmern und damit um die aller Nachbarwesen auch.

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Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
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