Die Widmung von Verdiensten - Es ist gar nicht einfach mit den Übersetzungen, schon gar nicht mit den doppelten: Aus einer asiatischen Sprache in die unsrige, aus einer spirituellen asiatischen Sprache in die unsrige.
Weil ich sowohl eine Antenne wie Vorliebe für Rituale habe, konnte ich spüren, dass etwas fehlte, wenn die Kerze am Ende nicht ausgeblasen wurde, am besten mit einem kurzen Gebet, einem Sinnspruch, Mantra oder Herzenswunsch. Dass Verdienste dargebracht, „geopfert“ werden, leuchtete mir ein, blieb mir jedoch wegen der unglücklichen Übersetzung etwas fern.
Gestern jedoch, während wir im Zendo saßen und einige Stunden dem Nachempfinden von Buddhas Erleuchtungswoche widmeten, erfuhr ich Sinn und Schönheit dieses bekannten Abschlusses gleichermaßen. Es war so: Wir hatten einen Dharma-Vortrag gehört, in dem u. a. vom inneren Zusammenhang zwischen Geduld und freudigem Bemühen die Rede war. „Geduld“ als Geste der Stille, Ruhe und auch: des Ertragens, während wir auf dem Kissen sitzen, im Sesshin viele Stunden hintereinander. „Freudiges Bemühen“ wurde dann mit dem Aufstehen vom Kissen gleichgesetzt, dem In-Bewegung-kommen-Wollen, der liebevollen Aktion. Dieses Gegenüberstellen und wie sich die eine aus der anderen Qualität ergibt bzw. wie sich ein Missverhältnis zwischen beiden Qualitäten auf uns und unser Schaffen in der Welt auswirkt, haben wir begonnen zu diskutieren.
Ebenso wird unsere Sensibilität geschärft, wenn wir uns dabei beobachten, wie wir darauf reagieren, wenn wir etwas angepackt oder vollbracht, ein spirituelles Vorhaben in die Tat umgesetzt, ein Opfer an Lebenszeit und möglicherweise Bequemlichkeit oder Vergnügen gebracht haben. Opfer sollten wir zwar keine bringen, sondern eher unseren Absichten folgen, mit freudigem Bemühen, jedoch fühlt sich manche Entscheidung zunächst und vielleicht auch während des Sitzens wie ein Opfer an, wenn wir nämlich gerne gleichzeitig etwas anderes getan hätten. Ganz frei davon wird wohl niemand sein. Es kann also gut passieren, dass wir auf uns, unbewusst oder bewusst, so richtig stolz sind, dass wir uns überwunden haben, diese oder jene andere Sache abgesagt oder hintenangestellt und überhaupt, dass wir die Vorhaben pflichtgetreu erfüllt haben.
Diese Empfindung ist jedoch, schon gar nicht ihr Kultivieren, weder gesund für uns selber noch für die Welt. Unsere Motivation zu geben kann aus einer tieferen Quelle entspringen als aus der, die uns stolz macht.
Wenn wir aus der tiefen Quelle handeln, sind wir nicht stolz, sondern froh, gedient zu haben. Froh, aus Hingabe gehandelt zu haben. Damit wir den Unterschied zwischen Stolz oder auch freudigem Stolz und Freude am Dienst selber wahrzunehmen lernen, gibt es die Übung, unsere Verdienste wegzugeben. Genau, gar nicht erst anhäufen. Verdienste anhäufen isoliert und macht überheblich. Freude teilen dagegen verbindet und macht alle froh.
Also: Lieber einmal mehr als zu wenig unsere Verdienste jemandem widmen – damit wir im Modus des Schenkens bleiben.
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