Diese Ein-Punkt-Initiativen verbindet, dass Menschen freiwillig Verantwortung übernehmen, sich der Probleme unseres Gesellschaftssystems annehmen und deren Lösung selbst in die Hand nehmen, statt auf politische Veränderungen zu warten.
Dieser Beitrag ist die Fortsetzung von "Es gibt für alles eine Lösung!".
„Manch einer wird sagen: Das ist ja alles recht hübsch, aber an den großen Strukturen ändert das nichts. Doch diese Sichtweise beruht auf einem Missverständnis darüber, wie ‚große Strukturen‘ funktionieren. Sie können nur durch die Ohnmacht, Stummheit und Zersplitterung der Bürger fortbestehen. Initiativen wie die ‚essbaren Städte‘ tragen dazu bei, diese Ohnmacht und Zersplitterung zu überwinden. Gerade ihr zunächst harmlos und unpolitisch erscheinender Charakter ist eine Voraussetzung dafür, dass die Menschen wieder lernen, angstfrei miteinander zu kommunizieren und den Raum ihrer Gemeinde als gemeinsam gestaltbar zu erfahren. Und das ist die Voraussetzung dafür, auch die größeren Aufgaben miteinander angehen zu können.“
(Scheidler 2017: S. 112)
Die Menschen, die sich engagieren, experimentieren also nicht nur mit gesellschaftlichen Alternativen, sondern auch damit, wie es ist, gemeinsam zu handeln. Gemeinsam zu handeln, ist politisches Handeln. Also tragen diese kleinen Initiativen auch politische Früchte.
Eine andere Welt ist möglich – und sie hat schon längst begonnen.
Zivilgesellschaftliche Bewegungen, die eine Regulierung der globalen Finanzmärkte, neue weltweite Handelsregelungen, Steuergerechtigkeit, ein anderes Bank- und Geldwesen, ein gemeinwohlorientiertes Wirtschaften, eine bedarfsorientierte Ökonomie und globale Sozial- und Umweltstandards in der Produktion fordern, gibt es schon. Besonders in den Ländern des Globalen Südens engagieren sich soziale Bewegungen gegen Privatisierung aufgrund von Strukturanpassungsmaßnahmen, gegen land grabbing und Enteignung. „Divestment“ ist eine Bewegung, die 2010 an US-amerikanischen Universitäten ihren Anfang nahm und die Investition von Privatpersonen, Rentenkassen, Versicherungen, Universitäten, Kirchen und Gemeinden in destruktive Konzerne und Branchen verhindern will. Zivilgesellschaftliche Bewegungen fordern, dass Grundbedürfnisse aus der Marktlogik hinausgenommen werden, z. B. auch im Wohnrecht, dass für gleichmäßige Startchancen das Erbrecht beschränkt wird. Sie fordern Transparenz- und Antikorruptionsstandards, Maximalgrößen für Unternehmen und eine Entschuldung der Länder des Globalen Südens.
Die Ideen des Bedingungslosen Grundeinkommens, der Automatisierungsteuer, des Minimal- und Maximallohns, der öffentlichen Güter und Commons werden mehr oder weniger breit diskutiert. Arbeits- und Eigentumsbegriffe werden ebenso hinterfragt wie unsere konsumistische Massengesellschaft. Es gibt zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen Patentierung von Leben und gegen geistige Eigentumsrechte auf Medikamente und Saatgut, gegen Gentechnik und deren unvorhersehbaren Folgen, gegen den Sozialabbau, gegen Steueroasen, gegen staatliche Subventionen von großen Unternehmen, gegen die Ökonomisierung aller Lebensbereiche und gegen die bauliche Versiegelung von Böden.
Es gibt also auf allen Ebenen unseres Gesellschaftssystems gelebte Alternativen, Lösungen konkreter Probleme und ausgereifte Denkansätze. Eine andere Welt ist möglich – und sie hat bereits begonnen. Weil Menschen, Gruppen, Organisationen freiwillig Verantwortung übernehmen, sich einbringen und ihren Teil zu einer anderen Welt beitragen.
Literatur: Scheidler, Fabian (2017): Chaos. Das neue Zeitalter der Revolutionen. 2. Auflage. Wien: Promedia.