Die Frage, wie wir Kindern Achtsamkeit beibringen können, ist recht simpel. Indem wir achtsam mit ihnen umgehen. Karl Valentin sagte so schön: „Es macht keinen Sinn, Kinder zu erziehen. Sie machen uns ja sowieso alles nach.“
Darin liegt viel Weisheit. Kinder orientieren sich nicht an unseren Worten, sondern an unseren Handlungen und an dem, wie sie Beziehung durch uns erleben. Die Beziehungserfahrungen, die sie durch uns kennenlernen, prägen ihre Persönlichkeit. Dabei ist unser gelebtes Vorbild wesentlich wichtiger als jedes Konzept von Erziehung.
Eine freundliche Welt
Erfahren Kinder durch uns, dass die Welt ein freundlicher Ort ist, in dem sie Halt, Geborgenheit und Sicherheit finden und in dem sie genau so sein können, wie sie sind, dann steht dem neugierigen Erkunden der Welt nichts mehr im Weg.
Die Welt steht dem Kind dann offen. Es kann sie erkunden in dem sicheren Gefühl, dass da jemand ist, der darauf achtet, wenn es mit irgendetwas zu weit geht.
Kann ein Kind so aufwachsen, ist es mit der Welt herzlich verbunden. Es ist kreativ, lebenslustig und lernt ständig Neues. Denn positive emotionale Lebenserfahrungen werden im emotionalen Gedächtnis gespeichert. So verstärkt sich mit jeder positiven emotionalen Lebenserfahrung das offene Zugehen auf die Welt.
Wenn meine Eltern gut mit sich selber und miteinander in Beziehung sind, erlebe ich Beziehung von seiner schönsten Seite. Gleichzeitig kriege ich das Signal, dass es in Ordnung ist, so zu sein, wie ich bin. So werden wichtige soziale Fähigkeiten angelegt.
Wenn ich beispielsweise nicht kritisiert und beurteilt werde, ist es mir fremd, über andere zu urteilen und zu werten.
Für kleine Kinder sind ihre Eltern die Welt. Wenn ein Kind Eltern hat, die mit ihm Zeit verbringen und dabei präsent und gelassen sind, dann lernt das Kind, dass es, so wie es ist, ein gern gesehener Zeitgenosse ist. Es muss nichts dafür tun und nichts dafür leisten, dass es von den Eltern gesehen wird und dass seine Bedürfnisse erfüllt werden.
Erlebe ich meine Kindheit so, kann ich mich entspannen und fühle mich angenommen.
Eine feindliche Welt
Lernt das Kind früh, dass keine Zeit für ein Miteinander da ist, dass einige seiner Gefühle auf Ablehnung stoßen, dass es oft kritisiert wird, in dem, was es tut, dann bekommt das Kind schnell das Gefühl, dass es, so wie es ist, nicht in Ordnung ist. Das, was an ihm kritisiert wird, versucht es, zu verstecken.
Das Kind spürt – wenn ich so bin, wie ich bin, wendet sich ein Elternteil von mir ab. Es zieht sich entweder zurück – oder meine Eltern schimpfen mit mir und kritisieren mich. Dann lernt das Kind schon früh, diese lebendigen Impulse zu unterdrücken, wenn die Eltern sie nicht aushalten. Doch die Sache hat einen Preis. Die Lebensfreude wird kleiner, je mehr ich unterdrücken muss. Und mit anderen in Beziehung zu gehen, macht potenziell Angst.
Das Kind kommt in einen Konflikt zwischen Authentizität und Zugehörigkeit zu den Eltern. In diesem Konflikt muss es sich immer für die Zugehörigkeit entscheiden. Denn die Zugehörigkeit zu den Eltern ist überlebensnotwendig.
Eltern sind für ihre Kinder in den ersten Lebensjahren sozusagen die Welt. Die Welt außerhalb der eigenen Erfahrung gibt es für das kleine Kind noch nicht. Das Kind weiß nicht, dass der Vater schlechte Laune haben kann, weil in der Arbeit etwas quer liegt. Das führt natürlicherweise dazu, dass Kinder jedes Gefühl der Eltern auf sich beziehen. Wenn Mutter oder Vater wütend sind, glaubt das Kleinkind sofort, sie sind seinetwegen wütend und dass es in irgendeiner Weise daran schuld ist.
Das ist auch so, wenn Eltern wenig Zeit mit dem Kind verbringen. Das Kind bezieht das dann auf sich, und in ihm entsteht die Überzeugung, dass es nicht wichtig ist. Diese frühen Prägungen werden zur Brille, durch die wir die Welt sehen. Mit diesen inneren Überzeugungen gehen wir dann später in unsere Beziehungen zu anderen Menschen.
Verbringen Eltern keine Zeit mit Kindern, suchen sich Kinder eigene Welten, in denen sie Beziehung finden. Da sie abhängig davon sind, Beziehung zu finden, werden sie von diesen Welten abhängig. In diesen Welten spüren sie ihre Einsamkeit nicht so – den Schmerz des Getrenntseins. Leider ist es von dort nicht so leicht, wieder gut in Beziehung zu finden.
Sind Eltern oft gestresst, wird dieses Gefühl auch für das Kind zum vorherrschenden Lebensgefühl. Denn das Kind spürt alle Gefühle der Eltern in sich.
Auch emotional negative Lebenserfahrungen setzen sich im emotionalen Gehirn fest. Sie führen dazu, dass Beziehung als potenziell gefährlich wahrgenommen wird. Sich zu zeigen, wie man ist, kann gefährlich sein.
Die Beziehungserfahrung dieses Kindes ist, dass es sicherer ist, nicht so offen in die Welt und auf Menschen zuzugehen.
Beziehungserfahrungen werden schwieriger, weil sie von Ängsten geprägt sind, und das Lernen fällt schwerer, weil man sich bei Stress und Angst wesentlich weniger merken kann. Man kann sich schlechter konzentrieren und über längere Zeit einen Fokus halten.
Mit Kindern sein
Die Fähigkeit, mit Kindern präsent zu sein und sie so zu verstehen und zu sehen, wie sie sind, und sie für das zu akzeptieren, was sie sind – bedingungslos –, das ist der Nährboden, auf dem sich ein Mensch frei entfalten kann.
Wenn ein Kind weiß, dass es um seiner selbst willen geliebt wird, entsteht kein Leistungszwang, kein Perfektionismus und keine Abhängigkeit von Anerkennung von außen oder von Tätigkeiten, die vom Schmerz des Getrenntseins ablenken.
Die Emotionalität der Eltern programmiert sozusagen das Gehirn und die Emotionalität der Kinder. So ist das Beste, was wir für unsere Kinder tun können, selbst möglichst glücklich und entspannt zu sein – und damit auch präsent.
Zeit zu haben, um einfach mit unserem Kind zu sein. Vorbild in gut gelebter Beziehung zu sein. Dann lernt das Kind, dass es wichtig ist und dass es so, wie es ist, richtig ist.
Wir haben als Eltern die Möglichkeit, unseren Kindern ein Vorbild darin zu sein, wie man auf eine gute Art und Weise herzlich in Beziehung sein kann.
Zu lernen, mit jemandem einfach zu sein, bringt ins Spüren und schafft Beziehung. Man beschäftigt sich miteinander statt mit etwas. Diese Art, zu sein, ist die Basis für Empathie und Beziehungsfähigkeit.
Werte der Achtsamkeit
Achtsamkeit ist eine annehmende und freundliche Haltung, die die Dinge so annimmt, wie sie sind.
Nicht urteilen oder werten, Geduld, Vertrauen, Großzügigkeit, sein lassen, loslassen und Dankbarkeit sind zentrale Werte der Achtsamkeit. Wenn es gelingt, mein Kind mit diesen Werten in den Blick zu nehmen, dann kann es sich sicher und geborgen fühlen.
Beziehung nährt. Gute Beziehungserfahrungen nähren uns auch als Erwachsene.
Wenn ich als Kind lerne, mit mir selbst gut in Beziehung zu sein, ist das die beste Voraussetzung dafür, dass ich im Leben auch mit anderen gut auskomme.
Das ist aus meiner Sicht das Beste, was wir unseren Kindern mitgeben können.
Dort, wo wir uns als Erwachsene schwertun, unsere Kinder so sein zu lassen, wie sie sind, hat es mit den Verletzungen unserer eigenen Kindheit zu tun. Achtsam zu leben heißt für mich, mit diesem Wissen bewusst zu leben und das, was an Beziehung schön und wertvoll ist, an unsere Kinder weiterzugeben.
Jeder weiß, wie er selbst gern behandelt werden möchte. Wenn wir lernen, so mit unseren Kindern umzugehen, dann ist diese Haltung ein starker innerer Kompass, der zu guter Beziehung führt.
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