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Die Tochter einer Freundin ist jetzt in ihr eigenes, langersehntes Leben aufgebrochen. Nicht dass es vorher schlecht gewesen wäre – wenn immer wieder die Frage aufpoppt, ob es einem entspricht, muss es wohl noch mehr geben.


Ich erinnere mich noch gut an meinen eigenen Aufbruch aus der Gegend, die jetzt auch die junge Frau verlassen hat. Die Berge rund herum, die Möglichkeiten beschränkt – und das lag nicht nur an der Geographie. Die Tochter meiner Freundin würde das sofort unterschreiben, obwohl sie als Mitglied einer anderen Generation mit der ganzen (Internet-)Welt verbunden ist. Ich weiß nicht, ob mich das Netz von einem Aufbruch damals abgehalten hätte – die junge Frau auf jeden Fall nicht. Was wieder einmal beweist: Es gibt keinen Ersatz für das wirkliche Leben.
Sie hat sich nun in England eingerichtet, ich habe damals schon Salzburg als absolutes Freiheitsgebiet betrachtet. Und war total glücklich in meiner ersten Nacht auf einem Ausziehbett, das mein siedlungshilfsbereiter Großvater und ich drei Stockwerke hinauf geschleppt hatten, weil es nicht in den Lift passte. Was die junge Frau nach den ersten britischen Tagen schreibt, klingt auch verdächtig nach Glück. Und auch nach Nachdenklichkeit, die sich schon alleine daraus ergibt, weil man plötzlich aus der Distanz auf das bisherige Leben, die Mechanismen und Prägungen blickt. Und feststellt: Es wurde höchste Zeit, Eigenheiten zu entwickeln. Auch wenn man noch nicht genau weiß, welche. Doch die Neugierde ist überwältigend, weil einfach alles besser ist als das bekannte.
Nicht, dass das Dagewesene schlecht wäre – manchmal passt es halt einfach nicht zu einem. Und aus Loyalität, Anerkennungs-, wahlweise Anpassungswillen schiebt man diese Tatsache oft weg. Dass Kinder das tun, erklärt sich aus der Abhängigkeit von den Eltern. Als erwachsener Mensch muss man erst einmal verinnerlichen, dass man plötzlich auch eigene Wege gehen kann. Dass man den Erziehenden nicht lebenslang ihre Bemühungen in die Schuhe schieben kann, obwohl man selbst fähig (geworden) ist, in die Sandalen zu schlüpfen, die einem passen.

Zuhause
Ich sage ja oft mit einem Augenzwinkern, dass mich der Storch im Zuge eines Schwächeanfalls dort fallen gelassen hat, wo ich auf die Welt gekommen bin. Und kürzlich bin ich auch drauf gekommen, was der tiefere Sinn dahinter ist. Es hat mir eben nicht entsprochen. Doch da können weder die Umgebung noch die Menschen etwas dafür. Sich irgendwo zuhause zu fühlen, ist vor allem ein inneres Gefühl, das unmittelbar mit dem eigenen Selbst zu tun hat. Ich habe zufriedene Menschen kennengelernt, die glücklich waren, wenn man ihnen ein Badetuch geschenkt hat. Und ich weiß von Menschen mit goldenen Wasserhähnen, die den ganzen Tag Kaffee trinken und trotzdem keinen Boost in ihrem Leben haben. Klingt wie ein Klischee, stimmt aber.
Unser Leben ist eine Reise. Manche müssen wie ich Tausende von Kilometern hinter sich bringen, um bei sich anzukommen. Manche wissen es scheinbar sehr schnell, wo ihre Wurzeln und wer sie sind. Über einen Kamm scheren kann man das keinesfalls. Nichtsdestotrotz macht mich die vorgeblich immer schon dagewesene Zufriedenheit manchmal stutzig. Denn der Mensch ist ein „work in progress“, und wenn er sich schon im Außen nicht verändert, glaube ich doch an die Notwendigkeit einer inneren Entwicklung. Von der Wiege bis zur Bahre glücklich zu sein, halte ich einfach für eine Illusion. In der heutigen Zeit, die permanent versucht, durch negative Schlagzeilen, Gefühle und Impulse diese Zufriedenheit zu unterminieren, muss es doch ein steter Prozess sein, seine Mitte zu behalten.
Vielleicht bin ich auch nur skeptisch, weil ich eine Suchende war und bin. Wie die Tochter meiner Freundin. Das Ziel klingt nach einem weiteren Klischee: Selbstverwirklichung. Doch was steht dahinter? Nichts mehr als der Wunsch, sich selbst so annehmen zu können, wie man eben gemacht wurde. Und das geht oft nur durch Distanz. Nach fast 35 Jahren örtlicher Entfernung von den Prägungen meiner ersten zwei Lebensjahrzehnte hatte ich kürzlich zum ersten Mal das Gefühl, endlich zuhause zu sein. Und weil das so ist, fahre ich jetzt einige Tage zu meinen Eltern. Und werde dort ganz ich selbst sein. Drücken Sie mir die Daumen, dass sie das ertragen können. Den nächsten Blogbeitrag gibt es wieder am 23. August.

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
Kommentare  
# Beate 2019-08-18 15:00
Immer wieder spannend wenn junge Menschen ihr eigenes Leben beginnen!
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# magclaudiadabringer 2019-09-05 12:47
absolut, liebe beate!
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