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Kreis-Gespräche und Stille im Retreat? - Ja, das geht. Ist aber - vielleicht oder wahrscheinlich - nicht Jedermanns Sache. Ich finde die Kombination perfekt.

Nicht einfach, aber genau das, was wir als spirituell ernsthaft Praktizierende benötigen: In Verbindung sein mit unserer eigenen Tiefe und unserem Gut-Sein, mit der Tiefe der anderen im Kreis, im Kleinen und Großen und Ganzen Großen, mit der Mitte des Kreises und unserer eigenen.
Meines Erachtens sind der Chor und die Verbindung der Chormitglieder miteinander vernachlässigt worden. Sie ahnen es schon: Der Chor ist die Sangha, und der Dirigent ist die Äbtissin, der Abt, der Dharmalehrer, die raumhaltende und lehrende Nonne oder Priesterin.
Für Chor kann auch Orchester stehen, diese Analogie passt auch sehr gut. Hervorragende Ergebnisse konnten und können wir bezeugen, Ergebnisse harten Übens, langen Trainings, alleine und mit den anderen. Was wir in den Konzertsälen sehen, ist die unglaubliche Bandbreite an Körperausdruck und Mimik bei den Dirigentinnen und Chorleitern sowie dieses äußerst feine Netz an Impulsen und Synergien, Harmonien und Dynamiken, Spannungsverhältnissen und Vibrationen, an symbiotischen Verschmelzungen und solistischen Einlagen, die die Zuhörer berühren, bewegen, begeistern und erheben können. Alles zusammen ergibt das Gesamtkunstwerk, das die Mitwirkungen ebenso tief erfüllt wie das Publikum. Doch, wie viele waren oder sind herausgefallen aus dem Netz der Zugehörigkeit, vorher?
Das Gesamtkunstwerk Sangha, die buddhistische Gemeinschaft und seine Phasen intensiven Rückzugs bedarf einer Revision. Warum sollen wir nur eine Stimme ganz überwiegend hören, oder einen Menschen sehen in exponierter Stellung? Dass dies angebracht ist, ist gar keine Frage, bei der Andacht, im Einzelgespräch, beim Dharma-Vortrag. Da gibt es Jemanden, von dessen Weisheit oder Vorsprung und deren Geschicklichkeit im Formen und Halten eines Retreats wir uns wie von heilendem Wasser begießen lassen wollen. 

Doch die Freuden von „gemeinschaftsbildenden Übungen“: Warum darauf verzichten? Mal einen „Tandem-Spaziergang“ mit meinem Sitznachbarn machen! Mehrere kleine Kreise im Zendo oder der Übungshalle bilden! Aber vor allem: Im großen Kreis sitzen, im Großen Rat, der Lehrer und die Lehrerin auf Augenhöhe, völlig den anderen gleichgestellt. Nun erst einmal Stille teilen, wenn möglich 15-20 Minuten lang. Alle können alle sehen. Eine Kerze in der Mitte wird entzündet, von irgendjemanden, zusammen mit einer Widmung, die laut gesprochen wird. Manche Kreis-Gespräch-Leiter*innen haben ein Lieblings-Redestück, das sie in die Mitte legen. Andere wieder laden dazu ein, dass die Kreismitglieder ihre Symbole dazu geben. Nach der Widmung bzw. nach den Widmungen, die die anderen ergänzt haben, wird an die Richtlinien erinnert: Vom Herzen aus zu sprechen und zuzuhören. Persönlich, spontan zu sprechen und achtsam, so dass man die anderen auch im Blick behält. Nicht über das Feuer zu sprechen, d.h. man bezieht sich nicht auf das, was vielleicht gerade gesagt wurde, sondern besinnt sich stets immer wieder auf die eigene Resonanz im Herzen.
Was in der Gruppe geteilt wird, bleibt vertraulich. Auch Schweigen kann geteilt werden: D.h. wenn Jemandem das Redestück entweder gereicht wird, dann kann es in Stille gehalten und weiter gegeben werden. Der „Council-Kreis“ schließt ebenfalls wieder mit einer laut ausgesprochenen Widmung und dem Ausblasen der Kerze.
Können Sie sich vorstellen, wie eine solche Kultur die Atmosphäre einer Gemeinschaft verändert? Da „Council“ ein Weg ist, sind die Gestaltungs- und Variationsmöglichkeiten mannigfaltig: Bei ganz großen Gruppen und ganz großen Problemen gibt es besondere Methoden, man kann Schattenarbeit und Meditation im Council-Kreis machen, themenbezogen arbeiten und – letztlich – auch zu Zweit.
Eine Folge wird sein, dass sich der Abstand zwischen der Leiterin und der Sangha verringert, ebenso der Abstand zwischen den Gemeinschaftsmitgliedern, wie auch der Abstand zu jeder Einzelnen sich selbst gegenüber. Es wird intimer, überraschender, verbundener, inspirierter – will man das? Ist das zu neu? Wird der Charakter eines Retreats nicht verwässert?
Der Vorteil ist: Mehr Lebendigkeit. Mehr Partizipation und Kreativität. Wesentlich mehr Konfliktfreudigkeit und –fähigkeit. Mehr Empowerment.
Es gibt inzwischen Dharma-Zentren, die nur noch mit mehreren Menschen in der Leitung arbeiten. Wie ich auch wahrnehme, dass sich während des Retreats selber Lehrer beim Leiten gegenseitig unterstützen, dass erfahrene Studenten und Studentinnen tragende Aufgaben übertragen bekommen, zum Beispiel wesentlich früher üben dürfen, Andachten durchzuführen, Vorträge zu halten. Wie lebendig!
In einem sehr berührenden Film sah ich neulich eine berühmte Dirigentin und was sie auf ihren Reisen, durch die sie Solisten für ihr Musikprojekt, eine Oper, sammeln wollte, erlebt hat. Sie erzählte aus ihrem eigenen, sehr disziplinierten Leben. Musiker zu sein, bedeutet sehr harte Arbeit, für Frauen noch mehr als für Männer. Sie erzählte, wie fordernd das Vorsingen ist und wie wenig empathisch oft dabei vorgegangen wird. Welche Arten von Krankheitsfällen, Ausfällen es im Leben von Spitzenmusikern gibt.
Sie machte es ganz anders. Nahm sich Zeit, viel Zeit für die Auswahl, die sie so freundlich und respektvoll wie möglich gestaltete. Immer wieder saß sie in Kreisen: Mit den Sängern und Sängerinnen vor Ort. Sie war interessiert, wie es ihnen ging. Achtete darauf, wertschätzend zu sprechen, für echte Verbindung und Zugehörigkeit Sorge zu tragen. Ein Erfolg, der sich aus Jahren achtsamer Vorbereitung ergibt, hat einen ganz anderen Geschmack! JedeR schien ihren Platz im Orchester oder Chor genau zu kennen und zu lieben. Und ihre Leiterin dazu.
Kreise symbolisieren Leben. Eine ur-demokratische Form. Jeder fühlt sich von Jedem gehalten, alle stehen fest auf der Erde, ihre Antennen weit in den Himmel reichend. Die Kerze symbolisiert die Lebenskraft, Inspiration, ist Ausdruck der Weisheit der Gemeinschaft. Es gibt eben Harmonie und Harmonie.
Bei einer tieferen Harmonie haben wir auch liebevoll für die Verhältnisse gesorgt, und für die, die nicht dabei sind.

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Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
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