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Wenn ich unerwartet die letzten beiden Karten für eine Lesung bekomme, bedeutet das Glück für mich. Andere brauchen da wesentlich mehr, habe ich feststellen müssen. Nicht gerne, aber an manchen Tagen überschattet eine Angelegenheit sämtliche Nachrichtenkanäle, aus denen mir dann ein Schwall von Paralleluniversen entgegen schwappt.

Da liest man etwas von einer Staatskrise, und schon ist man gefangen. Selbst wenn man sich nur auf ein Thema pro Tag konzentrieren möchte wie ich. Am Samstag wäre das eine 50er-Geburtstagsparty, am Sonntag mein Claudia-Tag und gestern eine Lesung von sechs ganz wunderbaren Autoren auf einer Bühne gewesen. Doch daraus wurde irgendwie nichts, denn das Fehlverhalten von Menschen hat die Gesprächsthemen beherrscht.

Ich schicke voraus, dass ich mich als gänzlich uninteressiert an politischer Agitation betrachte. Wer mit wem will oder nicht, wer was zu wem sagt oder was wem nicht in den Kram passt, trägt höchstens zu meinem Amüsement bei. Insofern habe ich die Vorkommnisse der vergangenen Tage fast wie ein Kind betrachten können. Meine Erfahrung ist nämlich, dass das, was ich wissen muss, eh zu mir dringt. Proaktiv nach Inhalten offizieller Natur zu suchen, kommt mir selten in den Sinn. Und am Samstag – ich war mit einem Fuß schon unter der Dusche – war es also die Bekanntgabe eines Rücktritts. Was mir zuerst auffiel, war die offensichtliche, schlechte Verfassung dieses Menschen. Bleich, aufgeschwemmt, rot umrandete Augen – auf dieses Erscheinungsbild bereite ich mich vor, wenn mir nahe stehende Menschen irgendwann einmal in einen anderen Aggregatzustand übergehen. In diesem Fall war es aber nichts Endgültiges, wie es der Tod ist. Es war das Eingeständnis eines Fehlers, der eben Konsequenzen hat. Wir alle erfahren das tagtäglich. Ich rase zu „Born free“ über die Westautobahn und wenn mich die Musik fortträgt, dann eben auch weg von den aufgebauten Radarstationen, die ich bei Cellomusik vielleicht frühzeitig erkannt hätte. Die Konsequenz ist ein saftiger Strafzettel, den ich wohl oder übel zahlen muss. Ganz normal. Und dabei denke ich mir auch nicht, dass in meinem Auto eine Wanze ist, die mein ungestümes Musikprogramm an die nächstgelegene Polizeistation überträgt und die wiederum ausschließlich für mich das Radar aktiviert. Ich habe mich falsch verhalten. Und zahle dafür. Punkt. So what?

Jetzt gibt es natürlich Fehler und Fehler. Und Fehler werden immer bedeutsamer, je mehr Menschen davon betroffen sind. Im Fall eines Ehebruch beispielsweise betrifft (vielleicht) es zwei Menschen, kann aber auch Konsequenzen für eine ganze Familie haben. Macht man innerhalb einer Organisation Fehler, kann das Auswirkungen auf einen größeren Kreis haben. Und entsprechend viele fühlen sich in solchen Fällen auch betroffen. Worauf ich hinaus will: je mehr Menschen unter meinen Fittichen stehen, umso verantwortungsvoller sollte ich agieren. Als ich in einem früheren Job Redakteurin war, habe ich es in meiner Freizeit trotzdem krachen lassen. Nachdem ich zur Chefredakteurin aufgestiegen war, wurde aus dem Feuerwerk ein seltener Knallfrosch. Mir war einfach klar, dass ich Verantwortung hatte: für meine Mitarbeiter, für das Unternehmen und seinen Ruf. Eigentlich einfach.

Paralleluniversen

Wenn ich nun sehe, wie sich jemand verhält, der eine hohe Position anstrebt, dann denke ich mir in meiner Pippi Langstrumpf-Welt, dass man sich Vertrauen erarbeiten und danach möglichst rechtfertigen sollte. Und das vor allem in der Öffentlichkeit, die mit dem ersten Schritt aus den eigenen vier Wänden beginnt. Auch fremde Wohnungen sind dann bereits Öffentlichkeit. Doch mir scheint, ich lege die Latte zu hoch. In meiner Welt sollte ein Mensch würdevoll leben, gleichzeitig ein Bewusstsein dafür haben, was Würde eigentlich ist. Wer das nicht weiß, lese Gerald Hüther. Ist überall als Buch erhältlich, für Leseunwillige sogar als Hörbuch. Und strebe erst dann ein offizielles Amt an – BITTE!

Während andere davon träumen, Medienunternehmen zu kapern, frage ich mich, wie viele Paralleluniversen wohl zwischen solchen Menschen und mir liegen. Und wie es so weit kommen konnte. Mit einer Freundin von mir rede ich häufig darüber, dass viel zu wenig nachgedacht wird. Die Gelegenheiten dazu finden sich an jeder Ecke – da sind wir uns einig. Während sie sich an der Dummheit der Menschen abarbeitet, lehne ich mich zurück und stelle die unterschiedlichen Entwicklungsstufen fest. Was für beide Herangehensweisen gilt: Inkongruenz, also mangelnde Übereinstimmung zwischen Entwicklung und Verhalten ist weit verbreitet. Doch das liegt vielleicht in der Natur der Sache, nämlich dergestalt, dass sich manche Menschen einfach mehr zutrauen, als sie am Ende auch umzusetzen fähig sind, scheitern und dann die Schuld jemandem anderen in die Schuhe schieben. Nicht umsonst gibt es das Buch „Die Opferfalle“, wonach es inzwischen absolut akzeptiert ist, die Verantwortung für eigenes Handeln - sagen wir es einmal freundlich – umzuwandeln.

Diese ganze Angelegenheit hat mich ein bisschen aus meiner inneren Mitte gebracht – das passiert mitunter nach einem realitycheck.Doch langsam fange ich mich selbst wieder ein, auch wenn es zu verführerisch ist, sind an Niederlagen zu weiden, die man kommen sah. Und wenn ich mir vergegenwärtige, wie viel heiße Luft hinter all dem steckt – und das, nebenbei bemerkt, schon ziemlich lange -, sollte ich mir einige Minuten gönnen und Sitali praktizieren. Zunge rollen, einatmen und spüren, wie sich der Geist beruhigt. Nichts anderes ist jetzt zu tun, finden Sie nicht auch?

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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