Alles ist immer gleichzeitig da. Aus der Fülle wird nacheinander jeweils das wahrgenommen, was der jeweilige Rahmen der aktuellen Situation bedingt. So sind wir immer in Bewegung. Ist Wirklichkeit immer anders, immer vorläufig.
Sobald wir jedoch nur einer einzigen Erscheinung ausschließlichen Glauben schenken, zerbricht unsere Wirklichkeit in Widersprüchlichkeiten und Unvereinbarkeiten. Wirklichkeit entsteht in der Verarbeitung unserer Wahrnehmungen, in der Bedeutungsgebung des Wahrgenommenen. So gesehen sind wir Konstrukteure unserer inneren Welt und gestalten dementsprechend unsere äußere Welt im Miteinander. Also: innen wie außen.
Enso
Kalligrafie Karl Obermayer
Schuhe ausziehen, vor dem Zendo abstellen, ordentlich. Den Rahmen der „Welt da draußen“ verlassen. Ein anderer Rahmen, der des Zazens.
Gassho. Hände über die Brust, still zum Platz. Gassho. Hinsetzen. Einer unter vielen. In einer anderen Art von Kommunikation verweilend, in einem stillen Bei - Sich - Sein. Miteinander in Stille bei sich sein erschafft das Sesshin. Miteinander sind wir das Sesshin, sind wir das Zazen. Jeder Einzelne in seiner Übung verwirklicht das Zazen und damit das Sesshin.
Die Hölzer, die Glocke, sitzen. Die Sangha mit dem Gesicht zur Wand. Der Meister und der Assistent mit dem Gesicht zur Mitte.
Sesshin leiten: Dienst an der Gemeinde! Die Hölzer, die Glocke und – sitzen. Was wäre anderes zu tun? Was ist mehr zu tun als zu sitzen. Was weniger? Mit ganzem Bemühen, in aller menschlichen Begrenztheit. Alles ist gleichzeitig da. Begrenztheit und „Offene Weite“. Warum sich Sorgen machen? Hier. Jetzt. Damit hat man „alle Hände voll“ zu tun!
Wach sein. Aufmerksam sein. - Beginnende Ermüdung. Also: Konzentration! Über Konzentration zur Aufmerksamkeit.
Und dann --, der Kyosaku! Eine heikle Sache. Ermahnung und Ermutigung, Hilfe und Ansporn.
Richtige Haltung, richtiger Ablauf. Der „richtige“ Punkt des Auftreffens. Ein Dienst, eine Hilfe, gegeben aus wohlwollendem Herzen.
Jeder Schlag kommt wie er kommt. Mal so, mal so. Spannung, Gedanken lösen sich, – sei wach!
Einige Kritiken: zu hart, zu weich, daneben, zu schnell, zu langsam, zu laut, ruhig lauter, zu wenig gleichmäßig, es war gut.
Sei wach! Bemühung so gut es geht. So lautet die Botschaft. Und – loslassen...
Es kommt wie es kommt! Immer! Es immer wieder neu lernen!
Sitzen. Wach sein. Aufmerksam sein: hier die Hand-, dort die Sitzhaltung. Hier die Art des Gehens beim Kinhin, dort die Unaufmerksamkeit bei der gemeinsamen Mahlzeit. -- Mu-Ga! Die Übung des Sich - Zurücknehmens ist schwer.
Mu-Ga, Nicht-Ich. Schwer, sehr schwer. Wird es je gelingen? Der große Zweifel. Aber auch der große Glaube. Alles ist gleichzeitig da! Begrenztheit und Offene Weite. Alltagsgeist, Zengeist – kein Unterschied.
Die Glocke, die Hölzer, Gassho. Sesshin ist zu Ende. Nun wieder in die Schuhe schlüpfen. Ein anderer Rahmen zwar, doch in derselben Galerie.
Statt weiterhin „Ziegelsteine zu polieren“ einfach dies.
Gassho
Henry Vorpagel