Und das glaube ich genau nicht mehr. Es ist nur so, dass wir entweder gar nicht genau hinschauen oder unsere Augen auf Kontrolle eingestellt haben.
Meines Erachtens haben wir noch nicht verstanden, dass auch unsere Sinne entweder im Dienste des Lebens, der Begegnung, eingesetzt werden können oder der Starre, dem Tod dienen. Was will ich damit sagen?
Wir kennen doch beides: Gar nicht genau hinschauen bedeutet flüchtiges Darüber-hinweg-Huschen, die Oberfläche scannen. Der Reflex ‚interessant zum Verweilen‘ oder ‚uninteressant‘ setzt ein und trifft meine Entscheidung.
Mit kontrollierendem Sehen meine ich fast ein Starren, mit unbeweglichem Kopf, Augapfel und Herzen. Diese Haltung hat sicherlich im vergangenen Jahrzehnt zugenommen: Wir starren auf unsere diversen Roboter, auf den Fernseher, auf das Navi, die Anzeigetafeln – und vielleicht starren wir einfach weiter, auch beim Spazierengehen, und zählen den Unrat auf den Bürgersteigen und die ausgefallenen Züge.
Es handelt sich hier um ein Sehen, das festhalten will und das Halten verlernt hat. Das ergreifen will, statt zu empfangen und zu begreifen. Ein Sehen, das zum Schauen wird, zum Kontemplieren. Zur Seh-Meditation. Kennen und können wir das noch, wollen wir es kultivieren?
Ich finde, dass täglich und wöchentlich eine gewisse freiwillig gesetzte Zeit des Inne-Werdens, des Nach-innen-Schauens, auch bei halb geöffneten Augen, auch in diesem Sinne erholsam und segensreich ist. Es sind die Augen und Ohren des Mystikers, der Mystikerin, die sich wieder öffnen, in den grenzenlosen Raum hinein. Wenn wir von dort staunend und genährt zurückkehren, sind unsere Sinne durchblutet und geerdet.
Die nächste sich darbietende Begegnung kann nicht anders als wunderbar sein.
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