Wenn ich bedenke, wie viele Jahre ich nicht MIT Thich Nhat Hanh gesessen habe, sondern NACH seiner Lehre. Zen oder Nicht-Zen: Das ist hier die Frage.
Wenn ich ferner bedenke, dass nach einer Periode des Alleine-Übens eine folgte, die mich beinahe zum Lamrim-Weg, einem fünfjährigen Studium mit dem Tibetischen Zentrum in Hamburg, geführt hätte und ich Seiner Heiligkeit in Deutschland folgte, wo ich nur konnte. Von Hamburg nach Frankfurt und durch Bücher und Vorträge hindurch. Dann frage ich mich, ob es denn nicht natürlich ist, wenn ich nach den sieben Jahren mehr oder weniger striktem Zen, in einem Rinzai-Tempel in Seattle geübt und in Bonn, dabei bin – oder bewusster dabei bin –, die wertvollen Lehren, die ich erfahren habe, alle zusammen wirksam werden zu lassen. Was ich an Zen schätze, immer und immer wieder, ist die Aufforderung und Übung, zu sitzen, zu gehen, zu sitzen, zu gehen, in diesem Geiste zu arbeiten, den Wesen zu begegnen, zu sitzen, zu gehen. In keiner Tradition hatte ich zuvor so viel gesessen. Und in keiner Tradition wurde so wenig, insgesamt gesehen, gelehrt über den Dharma. Wir wurden vielmehr angehalten, auf die Sucht nach äußerem Wissen zu verzichten zugunsten eines Erfahrungswissens, was es ist, zu sein. Ich muss sagen, so schwer dieser Weg oft ist, langweilig oder schmerzhaft, erhebend und einsichtsreich, man lernt sich wirklich kennen, im Guten wie im Bösen, und kann dann das zwangsläufig entstehende Mitgefühl sich selber gegenüber, dieser armen und zugleich herrlichen Kreatur, ausdehnen auf die Mitmenschen, die Wesen, die Welt, das Universum. Eines Tages habe ich begonnen, etwas zu vermissen: Die Farbigkeit und größere Toleranz gegenüber Regelabweichungen der Tibeter.
Die Methoden zur Geistesschulung und Friedfertigkeit wie Metta-Meditation und Tonglen. Die Slogans des Lojong. Ich erinnerte mich an die poetischen geführten Meditationen durch Verfall und Sterben, zum Ein- und Ausatmen, an die berührenden Texte vor dem Essen und zur Versöhnung mit unseren Mitmenschen des vietnamesischen Meisters. Die geliebte Praxis der Dankbarkeit, die ich einerseits von Bruder David Steindl-Rast erlernte und die mir und anderen durch schwerste Zeiten half. Andererseits lernte ich gerade diese Praxis von meinen amerikanischen Schwestern und Brüdern, den Ureinwohnern von ‚Turtle Island‘, zu deren Praxis es gehört, sich grundsätzlich für ALLES zu bedanken, für das vermeintlich Gute und vermeintlich Schlechte. Denn was wissen WIR schon ... Diese Ureinwohner verschenken regelmäßig ihre Habe, besonders bei Anlässen großer Trauer. Während wir doch oft krampfhaft festhalten, wenn etwas unausweichlich zu Ende gegangen ist. Es gäbe noch weitaus mehr anzuführen, wer und welche Impulse, welche geistigen Übungen ich mir zu eigen gemacht habe und was mich schließlich, neben dem gelebten Leben, zu der hat werden lassen, die ich bin. Doch für heute möchte ich es dabei bewenden lassen, wie mich die Lehre Buddhas und einiger seiner weisen Geschwister und Nachfolger bereichert und schon ansatzweise befreit hat.
Ein Weg, der in die Stille und Weite führt. Der uns lehrt, ganz Mensch mit anderen Wesen zu sein.
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