Vor gar nicht so langer Zeit habe ich mich wieder einmal daran abgearbeitet, was man bei der Aufzucht der Jugend alles falsch machen kann, ohne dass man es will. Und als ich kürzlich für meinen kleinen Nachbarn zum dritten Geburtstag ein Plüsch-Faultier besorgt habe, musste ich mir diesbezüglich einiges anhören.
Ausgerechnet heute dreht sich das Gespräch zwischen mir und zwei Freundinnen – die sich nicht kennen – ums Einkaufen. Die eine kauft immer nur Sportkleidung, weil ihr Schrank mit sonstigen Klamotten voll ist, die sie aber nicht (mehr) trägt. Die andere hat heute beschlossen, nur mehr schöne Sachen zu tragen, die sie sich heute auch gleich besorgt hat. Nicht, dass ich sie jemals mit etwas Geschmacklosem gesehen hätte, aber Sie wissen ja, dass die Kluft zwischen Selbst- und Fremdbild manchmal riesig sein kann. Zwischen den beiden ich, die in ihrem Kleiderschrank immer wieder Überraschungen erlebt. Denn schrullig wie ich inzwischen bin, habe ich denselben so sortiert, dass immer das oberste oder erste hängende Stück getragen wird. Ja, manchmal ist die Zusammenstellung – nennen wir es mal – originell, aber im Großen und Ganzen bin ich zufrieden damit. Wenn ich nun etwas Neues kaufe, zum Beispiel meine 333. Bluse, dann wird die hinten dran gehängt. Also hinter die 332. Bluse. Und wird erst getragen, wenn sie eben an der Reihe ist. Sie merken schon, der aktuelle Modetrend ist mir völlig egal, weil ich ihn eh erst im nächsten Jahr tragen würde und damit grenzenlos out wäre. Wenn ich etwas drauf geben würde. Und ja, es gibt genügend Menschen, die eine Meinung zu meinem Kleidungsstil haben.
Gestern kam ein Rock dran, von dem ich nicht einmal mehr wusste, wo ich ihn gekauft hatte. Also habe ich beschlossen, jetzt einen Shopping-Stop einzuführen. So lange, bis ich keine Klamotten mit Preisschild mehr in meinem Schrank finde. Man muss den Konsum ja nicht übertreiben. Die Wirtschaft werde auch ich nicht über die magische Wachstumsgrenze von einem Prozent bringen, nur weil ich ein weiteres Blumenkleid kaufe. Ja, auch dafür habe ich eine Schwäche. Sie sehen also, ich habe sehr wohl ein Empfinden dafür, dass es noch etwas anderes im Leben gibt als Einkaufen. Lachen, tanzen, Musik hören – solche Sachen eben. Sie sprengen nicht die Grenzen meines Schrankes, aber sehr oft die Grenzen meines Herzens. Und das ist ein wunderbares Gefühl.
Jemandem Geschenke zu machen, übrigens auch. Und da kommt Ferdinand, das Faultier ins Spiel. Während ich den Stoffknäuel mit den überlangen Armen auf seinen neuen Besitzer vorbereitete und an der Kasse wartete, hörte ich das Gespräch zwischen einer Mutter und ihrer Tochter. Letztere wollte einer Freundin ein Geschenk kaufen, etwas Kleines halt. Doch die Mutter sagte: „Nein, man schenkt Kindern nur etwas zu Weihnachten und zum Geburtstag. Sonst schenkt man ihnen nichts.“ Die Tochter hat das wohl nicht verstanden, weshalb der Satz ein weiteres Mal mit etwas mehr Emphase verlautbart wurde. Gut für mich, denn ich hatte schon die Hoffnung gehabt, mich verhört zu haben. Leider mitnichten.
Als meine Kinder kleiner waren, haben sie hin und wieder eine Überraschungstüte von der Tankstelle bekommen. Nach der dritten wurde ich schon zaunzig, weil ich wusste, welchen Weg das darin enthaltene Spielzeug nehmen würde. Also ja, man kann es übertreiben mit den Geschenken. Doch dass sie die Tüten bekommen haben, hatte einen tiefer liegenden Grund, für den hier der Platz fehlt. Ich gab dafür übrigens nie Geld aus. Wofür ich allerdings schon immer ein Budget hatte, waren Mitbringsel aus dem Urlaub. Oder wenn ich irgendwo etwas gesehen habe, von dem ich wusste, dass die drei oder jemand anders aus meiner Familie oder aus dem Freundeskreis eine Freude hatte. Und was bitte ist schöner, als Freude zu schenken? Jeder Tag ist dafür der richtige, nicht nur der Heilige Abend oder der, an dem man das Licht dieser Welt erblickt hat. Ich bin auch der Meinung, dass es auf dieser Welt zu viele Dinge gibt, die dieselbe nicht braucht. Und trotzdem: Wenn ich die Möglichkeit habe, mit einem dieser, neudeutsch Gadgets genannten Dinge ein Lächeln auf das Gesicht meines Gegenübers zaubern zu können, dann tue ich das einfach. Weil das, was „man“ tut, mich sowieso nie interessiert hat. Und weil es zum Schönsten zählt, Freude zu schenken. Mit ein paar innigen Zeilen, mit einem aufheiternden Gespräch, mit einer Postkarte aus der „Games of Thrones“-Stadt. Und ja, auch mit einem T-Shirt für meinen kleinen Nachbarn, an dem zwei Mini-Turnschuhe baumeln. Mit denen kann Ferdinand, das Faultier nun spielen. Ich spiele mit dem Gedanken, mir die protestantische Arbeitsethik von Max Weber durchzulesen, damit ich weiß, woher dieses glücksfremde Geschenksverhalten kommt. Oder kommen könnte. Ob ich es dann verstehe? Ich zweifle. Meine Kinder schenken auf jeden Fall sehr gerne. Doch was richtig gemacht!
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Ich habe Kinder erlebt, die sich unheimlich gefreut haben wenn sie nur ein Cola bekommen haben, während andere sich beschweren wenn sie "nur" das neueste Iphone erhalten...