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Meditation in stillen, aufgeräumten, gut duftenden Räumen kann süchtig machen – wie alles, was wir angenehm finden oder von dem wir wenigstens hinterher merken: „Ich hatte zwar keine Lust hinzugehen, aber danach geht es mir immer gut.“

Wenn ein anderer die Struktur hält, die Form, den Gong erklingen lässt oder sich verbeugt zum Zeichen, dass etwas Altes abgeschlossen ist, etwas Neues beginnt, so ist das meist einfach. Außer, dass ich mich aufraffen muss, den Weg zum Ort der Stille und zu den Gefährten zurückzulegen
Wenn ich hingegen selber für Frische und Sauberkeit sorgen muss in dem Raum, den ich zum Raum der Stille erkläre, für einen sinnvollen Beginn, Inhalt und das Ende der Sitzperiode, dann erspart mir das längere Wege und eine vorgegebene Struktur, der ich vielleicht entkommen möchte. Doch habe ich alleine die Verantwortung dafür, ob ich meine Lebenszeit wirklich sinnvoll und loyal mir selbst gegenüber nutze.
Mir hat das Leben stets geholfen, diese Entscheidungen für mich zu treffen.
Entweder gab es bei mir zu Hause keinen geschützten, abgetrennten Raum, den ich zum Meditieren verwenden konnte oder wollte. Oder es gab kein gut erreichbares Zentrum. Oder es war klar, dass ich unter Leute musste. Oder ich hatte mir selber oder einer anderen Person ein Versprechen gegeben.
Manchmal, wenn man so richtig schön seinen Rhythmus gefunden hat, denkt man zuweilen, es könne nun immer so weitergehen: Man würde die Sitzzeiten einfach ausdehnen, öfter an einem Retreat teilnehmen. Es wäre doch eigentlich am besten, sich für ein halbes Jahr oder länger aus dem Verkehr zu ziehen und sich ununterbrochener Praxis in einem Tempel zu verschreiben.
Doch dann kommt einem das Leben dazwischen. Irgendetwas reibt, klemmt, das Geld reicht nicht, man bekommt keinen Urlaub, die Mutter will besucht werden oder kommen, das Kind, eigentlich schon auf eigenen Beinen, braucht gezielte Zuwendung, man selber oder der Hund hat eine Serie von Zahnarztterminen, die nicht zu verschieben sind, die Reparaturen in der Wohnung, am Auto, am Haus der Freundin sind nicht länger aufzuschieben.
Statt länger werden die Auszeiten der stillen Einkehr kürzer, man sitzt öfter zu Hause, um Zeit zu sparen, schließlich sitzt man nur noch samstags.
Dies sind die herrlichen Zeiten, bewusst das Leben selber als Meditation anzusehen! Diese Ungeduld und Gereiztheit, jene Unzufriedenheit und Lustlosigkeit, dies Sich-Verzetteln mit den Zetteln der Prioritäten!
Oh, ich kann ja nur üben, diese Stimmungen wahrzunehmen, ah, so bin ich also, und die Veränderungen der Stimmungen. Mich entspannen in die angespannte Lage hinein. Mit der Gegenwart sein statt gegen sie. Dieses Bündel von Überforderung in den Arm nehmen und es liebevoll halten.
„Ich halte dich aus, liebes Kind, und die gesamte Situation und auch das schlechte Gewissen, dass ich seit einigen Tagen mein Sitzkissen regelrecht meide. Euch allen lächele ich zu, ja, so sind wir, wenn wir uns nur auf uns selbst verlassen.“
Sanft schließe ich meine Augen, für ganz kurze Zeit, die Schultern fallen von alleine, mein Gesäß rutscht nach vorne, die Wirbelsäule richtet sich leicht schlängelnd auf, der Schmerz im Nacken sinkt in die Erde.
„Der Tempel ist überall“, wispert eine sanfte Stimme.
Verzückt schlage ich langsam wieder die Augen auf.
Eigentlich kommt einem das Leben immer dazwischen.

Den letzten Blog von Monika Winkelmann finden Sie hier.

 

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
Kommentare  
# Sarah Liebing 2018-08-28 09:32
Juhu, Monika Winkelmann bloggt wieder. sehr schöner Text!
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# Frank 2018-08-29 17:23
Wunderbar.
Kenne die beschriebene Situation auch.

Dann freue ich mich sehr, dad ich meine Achtsamkeitspraxis auch im täglichen Leben (!) umsetzen kann.
Danke für den Text!
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