Die Tuben entblähen sich zwischen Nase und Ohr, und fast tut es mir leid, dass ich mich von den Wattebäuschchen verabschieden muss. Denn ein Gutes hatte dieser Katarrh schon: Wenn ich etwas nicht hören wollte, war die Begründung perfekt.
Eine Woche dauert die Fastenzeit nun schon an, und mein Ex macht heuer sanftes Entschlacken, nachdem er sich in den vergangenen Jahren mit keinem Argument davon hat abbringen lassen, sich ausschließlich von Birnbrei und Dinkelbrot zu ernähren. Der Fencheltee hat das Kraut, geschweige denn ihn auch nicht fett gemacht. Alle, denen er am Herzen liegt, sind froh über seine Einsicht. Als wir noch Bad und Bett teilten, habe ich ihn insofern begleitet, dass ich auf Schokolade verzichtet habe während dieser Zeit. Und das, obwohl mein Wohlfühlmenü, wahlweise Frustmenü zwei Tafeln Marzipanschokolade und ein Liter Milch war. Nix Schöneres als das. Und doch geht es ohne, wie ich erfahren durfte. Auch heute noch bin ich sehr sparsam mit dem Konsum dieser verlockenden, weil Glückshormone absondernden Süßigkeit. Das macht das Ganze schöner, wie ich finde.
Zwischenzeitlich habe ich gelernt, dass kulinarisches Fasten nicht für jeden das Gelbe vom Ei ist. Für mich zum Beispiel. Da sind sich Hildegard von Bingen und mein ayurvedisches Profil einig. Einmal wollte ich mich einen Tag lang nur von Lauchsuppe ernähren. Ein kleiner Selbstversuch, der mich während der Lektüre eines Buches über die Schönheit von Französinnen inspiriert hat. Um 14 Uhr lag ich bereits auf der Couch, weil ich keine Kraft mehr für nichts hatte. Versuch gescheitert. Doch die Worte des österreichischen Schauspielers und Kabarettisten Erwin Steinhauer trösten, der sagt, dass wir alle in einem Meer des Scheiterns schwimmen und nur hin und wieder eine Insel des Erfolgs finden.
Jetzt würde manch einer raten, eventuell auf Zigaretten und Bier zu verzichten – zumindest während der Fastenzeit. Die Legende sagt, dass mein Vater das mit dem Rauchen immer so gehalten hat, solange er dieses Laster hatte. Wäre ein Vorbild, andere halten es mit dem Alkohol ebenso. Ich denke, es geht nicht ausschließlich darum, auf etwas zu verzichten, was man seinem Körper zufügt. Fasten ist eine Einstellung und ein äußerer Rahmen, um einmal im Jahr etwas anders zu machen als sonst. Früher gab es ja auch vor Weihnachten eine Fastenzeit, auch das erscheint mir in der aktuellen Situation nichts Falsches zu sein.
Vielleicht habe ich in den vergangenen wattebauschigen Wochen gerade deshalb genau hingehört, was mir Menschen erzählt habe. Weil ich aufgrund meiner akustischen Malaise ja nix versäumen wollte. Und hatte ich geglaubt, etwas falsch verstanden zu haben, fragte ich nach. Was in vielen Fällen nichts am bereits gehörten Inhalt geändert hatte, den ich beim ersten Eindruck einfach nicht glauben konnte. Nicht glauben wollte, und doch irgendwann einmal zur Kenntnis nehmen musste.
Möglicherweise hängt es ja an mir, dass mein soziales Umfeld voll ist von Menschen, die eine eher verzweifelte Sicht auf die aktuelle Weltlage haben. Und doch habe ich festgestellt, dass selbst Menschen, mit denen ich beruflich zu tun habe, fern von jeglichem Optimismus sind. Ich frage mich, womit das zu tun hat. Natürlich kann man jetzt wieder einmal Medienbashing betreiben, Trump, Putin oder/und einzelne österreichische Politiker zu Buhmännern machen, China die Schuld an der Klimaveränderung geben. Doch was im Grunde dabei passiert, ist, dass Dingen und Situationen eine Bedeutung, eine Bewertung gegeben wird. Und die kommt nirgendwo anders her als aus uns. Was in weiterer Folge nichts anderes bedeutet, als dass wir uns selbst das Leben schwer machen. Denn man kann Trump oder Putin vielleicht einiges nachsagen, aber dass sie ausgerechnet mir persönlich ans Zeug flicken wollen, halte ich für einigermaßen unrealistisch.
Mein Fastenauftrag ist deshalb: nichts mehr bewerten, Dinge, Menschen, Situationen so nehmen, wie sie gerade sind. Nicht Erfahrungen aus der Vergangenheit oder Ängste bezüglich der Zukunft in das Erleben einfließen lassen, sondern einfach abnicken. Ein tunesischer Bekannter von mir sagt in solchen Fällen immer: „S'is like this.“ Diese Weisheit muss man in der westlichen Welt erst einmal sacken lassen. Auch wenn's schwer fällt. Immer wieder und jeden Tag, doch ich bin wild entschlossen, das jetzt bis Ostern auszuprobieren. Und sollte es zu einer nachhaltigen Einstellung werden, setze ich mich auf eine dieser einsamen Inseln des Erfolgs. Falls nicht, schwimme ich halt im Meer – es wartet sowieso schon wieder auf mich.